Von Peter Hossli
Die Vorführung im privaten New Yorker Kino dauert knapp zwei Minuten. Das Resultat verblüfft. So brillant hatte die amerikanische Dokumentaristin Holly Fisher ihr eben fertig gestelltes Video noch nie gesehen. Kräftige Farben, natürliches Korn, satte Schärfe – ein Bild, wie es nur ein 35-Millimeter-Film erzeugt.
Versteckt hatte Fisher in Burma mit einer handlichen Videokamera gedreht. Um ihren Dokumentarfilm nun in normalen Kinos zeigen zu können, will sie die elektronischen Bilder in Filmbilder verwandeln lassen. Besorgen soll das die Schweizer Firma Swiss Effects.
Denn die in Zürich-Oerlikon beheimatete Filmtrick-Firma gilt in New York als erste Adresse für Video-zu-Film-Transfers. Die US-Filmzeitschrift «The Independent» erkor Swiss Effects zur weltweit besten Firma für solche Umwandlungen. Renommierte amerikanische Regisseure wie Spike Lee («Do the Right Thing») und Wayne Wang («Smoke») drehten ihre letzten Filme mit digitalen Videokameras – und beanspruchten dann die Dienste von Swiss Effects. Bei Technik-Smalltalk unter jungen New Yorker Filmern an Partys ist oft von Swiss Effects die Rede. «Weil wir billiger und besser sind», sagt der Schweizer Kameramann Patrick Lindenmaier.
Lindenmaier, der bei Filmen wie «Kongress der Pinguine» oder «Q – Begegnungen auf der Milchstrasse» die Kamera führte, entwickelte das Swiss-Effects-Verfahren zu Beginn der Neunzigerjahre. An diesem kühlen Aprilnachmittag in New York hören ihm zwei Dutzend Filmemacher zu. Sie wollen wissen, wie sie zuerst preiswert auf Video drehen und anschliessend auf Film umkopieren können. Patrick Lindenmaier zeigt Beispiele und erklärt die unterschiedlichen technischen Aspekte. «Ich habe noch nie einen so perfekten Transfer gesehen», staunt Filmtechniker Steve Pequignot. Die Kollegen nicken beeindruckt.
Seine Technik sei nicht nur qualitativ gut, sagt Lindenmaier, «sie ist ökonomischer und schneller». Benötige die Konkurrenz rund drei Sekunden, um ein Bild abzutasten, schaffe Swiss Effects fünf Bilder pro Sekunde. Das verkürzt den Prozess massiv. Aber nicht nur technische Aspekte sind Grund für den Erfolg. «Wir pflegen enge Beziehungen zu den Filmemachern», sagt Lindenmaier. Lange vor Drehbeginn beginnt die Beratung. Die Swiss-Effects-Techniker wissen, was auf Filmsets passiert, welche Bedürfnisse Kameraleute und Regisseure haben.
Erstaunlich: Für einmal schwappte die digitale Welle von Europa in die USA über. Geld spielte bis anhin in der amerikanischen Filmindustrie keine wesentliche Rolle. Erst seit kurzem haben US-Filmer begonnen, die Kostenvorteile von Video zu nutzen. Zudem wirken die dänischen Dogma-Erfolge auch in den USA. Zunehmend befreien sich US-Regisseure von ästhetischen Konventionen. Hämisch kritisiert Spike Lee in seinem Spielfilm «Bamboozled» schwarze Stereotypen im amerikanischen Fernsehen. Zu kontrovers, um dafür 38 Millionen Franken auszugeben, meinten die Geldgeber und bewilligten ihm nur 12 Millionen Franken. Lee entschied sich, auf Video zu drehen. Er liess sich von Swiss Effects verschiedene Clips zeigen und bei der Wahl der Kamera beraten. Obwohl ihm Cinesite, eine Tochterfirma des Fotoriesen Kodak, einen massiven Preisnachlass gewähren wollte, arbeitete Lee mit den Schweizern.
Von den 70 Filmen, die Swiss Effects jährlich transferiert, stammen etwa 20 aus den USA. Der Transfer eines 90-Minuten-Films kostet rund 54’000 Franken. Sämtliche Arbeiten erledigt Swiss Effects in Zürich, oft im Beisein der Filmemacher. Wayne Wang verbrachte eine Woche in der Schweiz, um die Farbkorrektur von «The Center of the World» persönlich zu überwachen.
Fürs Geschäft sei der US-Markt «sehr bedeutend», sagt Lindenmaier. Und die Arbeit für Amerikaner ist bestes Marketing. US-Filme werden von vielen Leuten gesehen, und sie gewinnen Preise. Für «Into the Arms of Strangers: Stories of the Kindertransport», den jüngsten Oscar-Gewinner in der Sparte Dokumentarfilme, transferierte Swiss Effects das gesamte Archivmaterial. Eigentliche Werbung macht Swiss Effects in den USA keine. Die Firma setzt auf Mund-zu-Mund-Propaganda. Lindenmaier und dessen New Yorker Vertreter Jerry Poynton reisen an Festivals und führen so genannte Showreels vor. Am vergangenen Sundance Festival präsentierte der Elektronikriese Sony Arbeiten von Swiss Effects. Denn Sony stellt Videokameras her und will US-Filmer von der filmähnlichen Qualität der Swiss-Effects-Transfers überzeugen. Dies, obwohl Sony ein eigenes System entwickelt hat. Aber: «Es ist nicht so gut wie unseres», sagt Lindenmaier.
Den Schritt auf den US-Markt wagte er, nachdem er im Frühling 1998 in einem New Yorker Szenekino den Dokumentarfilm «The Big One» gesehen hatte. Michael Moore hatte ihn auf Video gedreht und von einer US-Firma transferieren lassen. «Als ich im Kino sass, wusste ich: Das können wir besser.»
Kräftig wachsen möchte Swiss Effects nicht. Genauso wenig hoffen sie auf eine Übernahme. «Intimität ist unsere Stärke», sagt Lindenmaier. Zudem sei das derzeitige Geschäft ein Auslaufmodell: Bald schon werde die digitale Technologie den Film gänzlich verdrängen, weiss Lindenmaier. Für die Tüftler von Swiss Effects kein Grund, Trübsal zu blasen: Mit der ETH Lausanne, der Universität Basel, Sony und der Zürcher Hochschule für Kunst und Gestaltung bilden sie ein Forschungskonsortium. Dieses entwickelt ein digitales Laboratorium: Filme werden digital gedreht, digital bearbeitet und im Kino digital vorgeführt.
«Das Medium Video ist viel eindringlicher»
Regisseur Wayne Wang über die Vorteile, Filme digital zu drehen.
Herr Wang, warum haben Sie Ihren neusten Film «The Center of the World» mit digitalen Videokameras gedreht? Am Geld kanns nicht liegen. Sie sind etabliert.
Wayne Wang: Es geht darin um Menschen im Internetzeitalter. Mein Film sollte digital aussehen. Weit wichtiger: Der Umgang mit Erotik birgt Risiken und verlangt totale Freiheit. Kompromisse wollte ich keine eingehen. Das geht nur, wenn das Budget minimal bleibt.
Wie beeinflusst Video die Filmerei?
Wang: Es sind zwei unterschiedliche Erzählarten. Crew und Kameras sind bei Video kleiner, was intimeres Arbeiten zulässt. Die Schauspieler fühlen sich freier und unnahbarer. Allerdings merken sie nicht, dass man mit Video viel näher ran kann, dass das Medium tatsächlich viel eindringlicher ist. Mit einer Videokamera wird der Regisseur eher zum Voyeuer als mit einer Filmkamera.
«The Center of the World» läuft in den USA bereits im Kino. Sie liessen ihn von Swiss Effects auf Film transferieren. Warum wählten Sie ausgerechnet ein Schweizer Unternehmen?
Wang: Wir haben jede Firma der Welt getestet. Nur Swiss Effects überzeugte.
Firmen wie Sony verfügen doch über grössere technische Möglichkeiten.
Schon, aber Sony ist wie die anderen grossen Laboratorien unflexibel und denkt nicht kreativ. Die Leute bei Swiss Effects begreifen die künstlerischen Aspekte des Kinos. Und sie haben als Einzige den Mut, stets Neues auszuprobieren.
Wayne Wang
Der Regisseur Wayne Wang, 1949 in Hongkong geboren, pendelt zwischen aufwändigen Hollywoodproduktionen («The Joy Luck Club», «Anywhere But Here») und experimentelleren Filmen («Smoke», «Blue in the Face», «Chinese Box»). Am Filmfestival von Cannes läuft «The Center of the World». Wang erzählt von einem Internetmillionär, der, statt das IPO zu feiern, nach Las Vegas fliegt und vergebens hofft, eine Prostituierte würde sich in ihn verlieben.