Baseballfan, Banker, Botschaftern

Mit Millionen für den Wahlkampf hat sich Bush-Freund Mercer Reynolds den Botschafterposten in Bern erkauft. Diplomatisches Geschick ist eher zweitrangig: Wer die USA in der Schweiz als Botschafter vertreten will, braucht eigenes Geld und hervorragende Kontakte zu Wohlhabenden.

Von Peter Hossli

Als durchsickerte, dass Präsident George W. Bush Mercer Reynolds in den Botschaftsrang hieven wird, war klar: Der 55-jährige Investor aus dem Staat Ohio hatte sich den Einzug an die Berner Jubiläumsstrasse 93 etwas kosten lassen.

100’000 Dollar steuerte Reynolds im letzten Jahr privat an Bushs Wahlkampfaufwand bei. Zusammen mit seinem Geschäftspartner William DeWitt sammelte er zudem fünf Millionen Dollar für die Kampagne. Nachdem Bush als US-Präsident feststand, übernahmen Reynolds und seine Frau Gabrielle den Vorsitz jenes Ausschusses, der die Amtseinsetzungsfeier im Januar organisierte. In dieser Funktion trug Reynolds zusätzliche 40 Millionen Dollar zusammen. In einer einzigen Nacht soll Mercer Reynolds dabei zwei Millionen Dollar gesammelt haben – an einer Party in seinem Privathaus.

Bush dankt es ihm jetzt mit einer ebenso prestigeträchtigen wie gemütlichen Staatsstelle. Unklar ist, wann genau Reynolds in die Schweiz geht. Gezählt aber sind die Tage des erst 1999 von Bill Clinton eingesetzten US-Botschafters, J. Richard Fredericks.

Ohne Reynolds wäre Bush als Geschäftsmann Konkurs gegangen

Überrascht hat die Wahl Reynolds’ kaum. Geschenke an spendable Wahlhelfer haben in den USA eine lange Tradition. US-Botschafter in eher unbedeutenden Ländern werden selten auf Grund ihrer langjährigen politischen oder diplomatischen Kenntnisse bestellt. Demokratische Präsidenten nominieren demokratische Notabeln, republikanische Präsidenten verteilen die Pfründe an Förderer ihrer eigenen Gilde.

Bush und Mercer Reynolds III verkehren seit Jahrzehnten privat wie geschäftlich miteinander. Beide mögen Golf und Baseball. Und sie helfen sich, wenn der eine mal in Not gerät. So kaufte Reynolds zusammen mit Partner DeWitt 1984 dem Jungunternehmer George W. Bush die marode Ölfirma Arbusto Energy ab und rettete ihn so vor dem drohenden Konkurs. Ironie der Geschichte: Damals setzte Reynolds Bush als Präsidenten seiner texanischen Ölfirma Spectrum 7 ein – für ein Jahresgehalt von 75’000 Dollar. Nun wird Präsident Bush der Chef von Reynolds und zahlt ihm das ordentliche Botschaftergehalt für «kleine Vertretungen», 119’400 Dollar.

Fünf Jahre nach dem Ölhandel, 1989, servierten Reynolds und DeWitt dem jetzigen Präsidenten den bisher einträglichsten Deal seines Lebens. Sie kauften das abgetakelte Baseballteam Texas Rangers und machten Bush zum Teilhaber. Als Manager liess sich der Sohn des damaligen US-Präsidenten George Bush mit Spielern ablichten, verteilte Autogramme und sorgte für Stimmung. Im Übrigen brachten Bushs Beziehungen die texanische Regierung dazu, Steuergelder in den Bau eines neuen Stadions westlich von Dallas zu stecken. Es zahlte sich aus. Bushs ursprüngliche Investition von einst geborgten 600’000 Dollar war 1998 beim Verkauf 16 Millionen Dollar wert.

«Lächerlich macht sich unser Land, wenn der Präsident seinen Kumpel und Mitbesitzer seines ehemaligen Baseballteams zum Botschafter macht», schrieb ein Leser in der «Los Angeles Times», als der Name des neuen US-Gesandten für die Schweiz bekannt wurde. Steuerzahler, empört sich der Schreiber, müssten jetzt für jemanden aufkommen, der keinerlei Erfahrungen in diplomatischen Angelegenheiten habe. Überdies: «In der Schweiz gibts kein Baseball.»

Als Investmentbanker war Reynolds überaus erfolgreich

Tatsächlich war Reynolds abgesehen von der Wahlkampagne für Bush dem politischen Parkett bisher weitgehend fern geblieben. Der Vater von fünf Kindern stammt ursprünglich aus dem Süden, aus Tennessee. Dort, nicht an einer der Eliteschulen der Ostküste, studierte er Wirtschaft. In Georgia besitzt der elegante, silberhaarige Mann eine 32 Quadratkilometer umfassende Plantage mit drei Golfplätzen, exklusiven Hotels und 1000 Luxusresidenzen. Zu seinem Imperium gehören Anteile an der Schnellimbisskette Arby’s, am zweitgrössten Teppichverleger der USA, Buddy’s Carpet, am Aquarium im Nobelseebad Newport in Rhode Island und am Baseballteam Cardinals in St. Louis. Seit über zwanzig Jahren betreibt er mit Partner William DeWitt ausgesprochen erfolgreich die Investmentbank Reynolds DeWitt & Co. Deren erste Kapitalanlage war eine Abfüllanlage der Coca-Cola Bottling Corp. in Cincinnati – zuvor Arbeitgeber des künftigen US-Botschafters.

Mit der Presse spricht Reynolds selten. CASH liess er ausrichten, es sei nicht angebracht, vor der offiziellen Nominerung über seinen künftigen Job zu reden. «Nice try», netter Versuch, bestellte der Millionär unlängst Cliff Peale, einem Reporter der Tageszeitung «Cincinnati Enquirer», der ihn zu Hause anrief und nach der Schweiz befragte. Da er nur Privatfirmen aufkauft, blieb die Grösse seines Vermögens weitgehend unbekannt.

An Weihnachten läutet er jeweils die Glocken der Heilsarmee

Journalist Peale, der Reynolds mehrmals traf, beschreibt ihn als «sehr ruhig, nett, privat nie flamboyant». In Ohio, sagt Peale, gelte er als «solider, beliebter Bürger», der sich am öffentlichen Leben beteilige. So läutet der Berner US-Missionschef in spe jeweils zu Weihnachten die Glocken der Heilsarmee. Bei der wohltätigen Bildungsorganisation Cincinnati Youth Collaborative steht er Jugendlichen als Mentor bei.

Gleichwohl rief seine bevorstehende Nominierung in Ohio gemischte Gefühle hervor. «Viele hoffen, unser Staat blamiere sich in der Schweiz kein zweites Mal», sagt Peale – in Anspielung an Marvin Warner, einen millionenschweren Grundstücksmagnaten aus Ohio, den einst Jimmy Carter nach Bern entsandte. Warner, in diplomatischen Dingen ähnlich unerfahren wie jetzt Reynolds, beendete 1993 zwei Jahre einer dreijährigen Gefängnisstrafe. Zwischen 1977 – er war gerade US-Botschafter geworden – und 1985 hatte er über eine obskure Bank in Florida illegale Transaktionen in hundertfacher Millionenhöhe getätigt.

Leider würden die USA allzu häufig «Hobbydiplomaten» in die Schweiz entsenden, sagt der Aargauer SP-Nationalrat Hans Zbinden, der auch Mitglied der aussenpolitischen Kommission ist. «Es zeigt den Stellenwert, den die Schweiz in der US-Diplomatie hat.»Die amateur-riege in bern

Mercer Reynolds’ Vorgänger J. Richard Fredericks war Bankier. Im Wahljahr 1996 unterstützte er die demokratische Partei mit 150’000 Dollar. Philip D. Winn handelte mit Grundstücken in Colorado. Er zählte US-Präsident Ronald Reagan zum engen Freundeskreis und half ihm, 1980 die Wahl zu gewinnen. Ebenfalls ein Freund Reagans war John Davis Lodge, einst Nebendarsteller in obskuren B-Movies, später Geldsammler für die Republikaner. Gemeinsam ist ihnen eine sonderbare Karriere im Staatsdienst, die jeweils in Bern als US-Botschafter begann. Diplomatische Erfahrung fehlte allen. Schauspieler Lodge war 80 Jahre alt und krank, als er den Posten antrat. Löbliche Ausnahme in den letzten Jahren: die in Zürich geborene Madeleine Kunin. Mitten in der Diskussion um die nachrichtenlosen Holocaust-Gelder sandte Clinton eine erfahrene Politikerin nach Bern.

Diese Woche hat George W. Bush erneut einen Freund zum Botschafter berufen: Er schickt den Anwalt Clark Randt nach China.