Ehre auf dem Kunstparkett

Das New Yorker Museum of Modern Art widmet dem Schweizer Kunstmagazin «Parkett» eine Ausstellung: Auszeichnung für eine Erfolgsgeschichte.

Von Peter Hossli

«Es ist, als ob wir einen Oscar bekämen», freut sich «Parkett»-Gründerin und -Chefredaktorin Bice Curiger über die Ausstellung im bedeutendsten Haus moderner Kunst. «Zu Recht», meint Deborah Wye, Kuratorin am Museum of Modern Art (MoMA). Sie räumt «Parkett» eine «wesentliche Position» in der Geschichte der Kunstzeitschriften ein. Wie kaum einem anderen zeitgenössischen Magazin sei es dem Schweizer Redaktionsteam gelungen, die mannigfaltigen Möglichkeiten des Mediums auszuschöpfen. Neben den drei Ausgaben jährlich regt «Parkett» zusätzlich Kunstschaffende an, für die so genannten Editionen neue Werke in limitierter Auflage zu schaffen, oft 60 bis 80, selten 200 Stück.

Gesprengt wird so das Zweidimensionale. Im Laufe der Jahre entstand eine einzigartige Kollektion unterschiedlichster Objekte: Videos, Töne, Skulpturen, Fotos, Schallplatten, Alltagsgegenstände, ersonnen von bisher 110 Künstlerinnen und Künstlern. Vertreten sind grosse und mittlerweile zugkräftige Namen: Jenny Holzer, Cindy Sherman, Andreas Gursky, Roman Signer, Bruce Nauman, Nan Goldin, Jeff Koons, Pipilotti Rist. Vielen gelang mit «Parkett» erstmals der Sprung ins Rampenlicht der globalen Kunstwelt.

Das MoMA schafft alle künftigen Editionen an

Als «einzigartiges Minimuseum und umfassende Bibliothek zeitgenössischer Kunst» beschreibt Kuratorin Wye, was das Magazin hervorbrachte. Nun stellt sie alle bisherigen Werke aus. Künstler und deren Arbeiten werden in Texten gewürdigt. Während der Ausstellung hält Wye jeweils über Mittag Vorträge über Geschichte und Bedeutung von «Parkett». Ausserdem schafft das MoMA alle künftigen Objekte an, die im Rahmen von «Parkett»-Editionen entstehen.

Dahinter steckt Eigeninteresse. Dank «Parkett» könne das MoMA, so Wye, zahlreiche Kunstschaffende in die Sammlung aufnehmen, die bisher noch nicht vertreten waren. Als «wirklich signifikant» bezeichnet sie die Aufwertung der MoMA-Kollektion durch die «Parkett»-Stücke. Markant schwillt so auch deren Ansehen (und Wert).

Die redegewandte Ausstellungsmacherin preist den «hohen Grad an Professionalität», mit der das Magazin geführt werde. Als Fachfrau für Gedrucktes sei sie «fasziniert von den künstlerischen Impulsen», die von «Parkett» ausgingen. So hält sie die Texte für «ausserordentlich gut und sorgfältig» geschrieben. Der Zeitschrift sei es gelungen, das «demokratische Medium Buch» neu auszuloten. «Welches andere flache Produkt generiert schon derart viel dreidimensionale Kunst?» Zudem lobt Wye die «geschickte, professionelle und ausgewogene» Hand der Redaktorinnen bei der Wahl der Kunstschaffenden. «Das ganze MoMA freut sich jeweils auf die neue «Parkett»-Ausgabe», sagt sie.

Anders ist es in der zuweilen neiderfüllten Schweiz. Dort haftet «Parkett» das Etikett «Kunstklüngel» an. Anfang 2000 geriet das Heft im Zusammenhang mit der Zürcher Kunsthausdirektoren-Wahl in die Schlagzeilen. Dem zeitweiligen Favoriten Bernhard Bürgi wurde zu viel Nähe zu den «Parkett»-Machern und zur zeitgenössischen Kunst vorgeworfen. Die Kritiker befürchteten im Falle einer Wahl Bürgis eine Vernachlässigung der Sammlung des Kunsthauses. Dass «Parkett»-Chefin Curiger im Nebenamt als Kuratorin am Kunsthaus wirkt und «Parkett»-Mitherausgeberin Jacqueline Burckhardt in der Kommission zur Findung des Direktors sass, evozierte schliesslich den Vorwurf des Filzes. «Parkett», hiess es, würde sodann Marktwerte befreundeter Künstler antreiben. Gar als «Kunstclan» beschimpfte der «Tages-Anzeiger», als «Kunsttäter» die «SonntagsZeitung» Curiger und Burckhardt. Dass im Gegensatz dazu die NZZ «Parkett» kaum wahrnimmt, findet Curiger «schon etwas erstaunlich».

Verbittert ist sie darob nicht. Sie führt das helvetische Desinteresse nicht auf Missgunst, sondern auf fehlenden Diskurs zurück. Werde das Fach Gegenwartskunst an jeder amerikanischen Universität unterrichtet, endet ernsthafte künstlerische Auseinandersetzung an eidgenössischen Lehrstätten oft bei 1945.

Von Anfang an hatte «Parkett» Büros in Zürich und New York

Das vierköpfige Erfinderteam – Curiger, Burckhardt, Walter Keller und Peter Blum – nutzte einen wichtigen Epochenwandel. Zu Beginn der Achtzigerjahre entdeckte Amerika die europäische Gegenwartskunst. Als «amerikanische und zuweilen chauvinistische Nachkriegseroberung der Avantgarde» beschreibt Curiger die vorhergehende US-Dominanz. In den USA nahm niemand Europa richtig ernst. Als das Eis brach, erkannte das «Parkett»-Gründerteam das Potenzial eines zweisprachigen, deutsch-englischen Magazins mit redaktionellen Basen dies- und jenseits des Atlantiks. Ein Heft, das einen echten Dialog herstellt. «Es passierte im Kunstbereich derart viel, wir konnten nicht anders als eine Zeitschrift gründen», erinnert sich Curiger. Von Anfang an gabs Büros in Zürich und New York. Gewürdigt wurden bisher meist europäische und amerikanische Kunstschaffende.

Damit war die richtige Formel früh gefunden worden, verändert hat sich das Magazin seither wenig. Das Projekt sei bewusst «langsam und langfristig» angelegt worden, sagt Curiger. «Deshalb ging uns der Schnauf nie aus.»

Kontinuierlich konnte die verkaufte Auflage auf 12’000 Exemplare erhöht werden. In 40 Ländern führen gegen 500 Kunstbuchhandlungen «Parkett». Beinahe die Hälfte wird in Nordamerika abgesetzt, weniger als ein Drittel im deutschsprachigen Raum, der Rest in Europa und Asien. «Über die Jahre gerechnet schwarze Zahlen» habe das Magazin geschrieben, sagt Verleger Dieter von Graffenried. Fünfzig Prozent bringen Abonnemente und Buchhandel, je ein Viertel die Verkäufe der Editionen und Inserate. Wie viel das Budget beträgt, verrät er nicht. «Wegen der Konkurrenz.»