George W. Filz

Lässt George W. Bush den Irak bombardieren, denkt der jetzige US-Präsident wohl zuerst an die Sicherheit Amerikas. Darüber hinaus dürfte er ein paar Gedanken an seine Erbschaft verlieren. Zumindest lässt ein in der «New York Times» veröffentlichter Artikel solch Besorgnis erregende Schlüsse zu

Von Peter Hossli

Der Artikel zeigt Verquickungen von Bushs Vater, Ex-Präsident George Bush, mit der privaten Investitionsfirma Carlyle Group auf. Das Unternehmen, 1987 in Washington gegründet, verwaltet 12 Milliarden Dollar, ist in 50 Ländern tätig und investiert hauptsächlich in Waffen-, Luftfahrt- und Kommunikationsfirmen. Besonders aktiv ist die Gruppe im Nahen Osten, in Asien und im Raum um den Persischen Golf.

George Bush senior ist heute der Meister der Netzwerke

Golfkrieger und Präsidentenvater Bush fungiert als wichtigster Lobbyist. Es gibt kaum jemanden, der dichtere globale Netzwerke spannt als der Ex-Präsident. So diente Bush senior unter Ronald Reagan als Vizepräsident. Zuvor war er Chef des Geheimdiensts CIA, Botschafter in China und vertrat sein Land bei der Uno. Als Verkäufer von Ölbohrgeräten, Ölförderer und später Bankier verdiente er ein Vermögen.

Bei der Carlyle Group nutzt Bush diese Kontakte und vermischt private mit öffentlichen Interessen. Sein Besuch beim südkoreanischen Premierminister sicherte der Firma die Kontrolle über die profitable Bank Kor Am. In Saudi-Arabien lockt Bush mit Milliarden für Rohöl. Regelmässig involviert er Freunde aus früheren Tagen. An seiner Seite lobbyieren die einstigen britischen und thailändischen Premiers John Major und Anand Panyarachun sowie Fidel Ramos, Ex-Präsident der Philippinen. Den europäischen Fonds von Carlyle beraten Leute wie der frühere Präsident der deutschen Bundesbank, Karl Otto Pöhl, Fritz Gerber, VR-Präsident bei Roche, oder Ex-Nestlé-Generalmanager und Nestlé-Verwaltungsrat Reto Domeniconi.

Bisher investierte Carlyle in 213 Firmen. Im letzten Jahr erwirtschafteten sie Umsätze von 16 Milliarden Dollar und beschäftigten 70’000 Leute. Zum weit verzweigten Portfolio gehören Firmen, die Panzer und Flugzeugflügel fertigen, oder die französische Zeitung «Le Figaro» sowie zwei Schweizer Gesellschaften: die Zürcher Firma Digiplex SA, die Infrastrukturlösungen im Kommunikationsbereich verkauft, und das Lausanner Metallzuschneideunternehmen Messer.

Der alte Bush und Konsorten seien von Carlyle nicht etwa angeheuert worden, weil sie Sonderkenntnisse hätten, sagt der Direktor des angesehenen unabhängigen Center for Public Integrity, Peter Eisner. «Sie werden bezahlt, weil sie berühmt sind», sagt er. «Stars, die jede Tür zu jeder Regierung der Welt aufkriegen.» Eisner bezeichnet Carlyle als «ausgesprochen krasses Beispiel der engen Verflechtung zwischen Wirtschaft und Staat». Überrascht hat ihn die Sache nicht. «Das ist hier zu Lande mittlerweile der Standard.»

Bush berät, Altbekannte von Bush führen Carlyle. Frank Carlucci, unter Reagan Verteidigungsminister, agiert als CEO. James Baker III., einst Bushs Aussenminister, ist Chefberater und leitender Manager. Als «speziell problematisch» beschreibt Eisner Carlyles «direkten Draht ins jetzige Weisse Haus». So studierte der amtierende Verteidigungsminister Donald Rumsfeld zusammen mit Carlyle-CEO Carlucci. Aushängeschild Bush zog den Präsidenten gross. Zudem ist Dick Cheney, laut Polit-Auguren einflussreichster Vizepräsident aller Zeiten, ebenso eng verbandelt mit Berater Bush: Er diente während des Golfkriegs als Verteidigungsminister. Ideale Voraussetzungen für Carlyle-Firmen, an stattliche Rüstungsaufträge der US-Regierung zu gelangen.

Der alte General Eisenhower warnte vor dem Militärfilz

Zum Gedankenaustausch trafen sich Carlucci, Rumsfeld und Cheney gemäss «New York Times» vergangenen Februar, um «militärische Angelegenheiten» zu bereden. Das Treffen war kaum zufällig angesetzt. Eine von Carlyle finanzierte Waffenschmiede bemüht sich, für das Pentagon Hightechpanzer zu bauen.

«Wir hätten auf Eisenhower hören sollen», reagierte ein Leserbriefschreiber aus Kalifornien auf den Filz. «Er ermahnte uns, den militärisch-industriellen Komplex aus der Regierung rauszuhalten.» Bei Carlyle, die diesen militärisch-industriellen Komplex vertrete, sei jetzt ein ehemaliger Verteidigungsminister dabei, ein ehemaliger Aussenminister, ein ehemaliger Präsident sowie, indirekt, dessen Sohn, «der amtierende Präsident. Und das ist die Regierung.» Pikantes Detail: Carlyle verhalf 1990 dem damals wenig erfolgreichen Geschäftsmann George W. Bush zu einem Sitz im VR der Flugzeugcateringfirma Caterair.

Der Carlyle-Filz bleibt weit gehend im Dunkeln

Bescheid weiss die US-Öffentlichkeit über die Verflechtungen wenig. Carlyle, eine der grössten US-Investmentfirmen, operiert diskret. Im Gegensatz zur Begnadigungs-Affäre von Bill Clinton machte die Carlyle-Geschichte wenig Schlagzeilen. Auf der Website (www.thecarlylegroup.com) tauchen die einflussreichen Berater erst nach langem Durchklicken auf.

Direkt aufgeführt sind die Manager. Etwa James Baker III. Er koordiniert alle Carlyle-Berater. Plötzliche Brisanz erhielt seine Rolle während des Wahldebakels in Florida. Baker, dessen Anteil an Carlyle auf 180 Millionen Dollar geschätzt wird, wirkte dort als Chefunterhändler und Sprecher der Republikaner – kaum uneigennützig. Er spekulierte darauf, dass mit George W. Bush statt Al Gore im Weissen Haus der Einfluss von Carlyle, Bakers Firma, im Zentrum der Macht markant zunehmen würde. «Baker tat alles, um Bush in Florida zum Sieg zu verhelfen», sagt Peter Eisner vom Center for Public Integrity. Demokraten seien aber genauso anfällig auf Kumpanei wie Republikaner, sagt er. Da die Demokraten nicht mehr im Weissen Haus sässen, würden sie sich nun auf Lobbyposten setzen. Der Gründer von Carlyle etwa, David Rubenstein, amtete als innenpolitischer Berater des demokratischen Präsidenten Carter.

Illegal ist der Filz nicht. Das US-Gesetz verbietet Ex-Regierungsmitgliedern bezahlte Lobbytätigkeiten nach Amtsaustritt nur für ein Jahr.