Von Peter Hossli
Geknickt trat Isaac Mizrahi 1998 vor die Journalisten und gab seinen Bankrott bekannt. «Der Modemacher mit den grössten Erfolgsaussichten scheitert», titelte damals die «New York Times». Ausgerechnet Isaac Mizrahi musste aufgeben, der einzig originelle US-Designer, der Kronprinz von Calvin Klein und Donna Karan. Frankreichs Luxusriese Chanel, seit Jahren Mizrahis Bank, hatte ihm den Geldhahn zugedreht. Die schrillen Kreationen wurden zwar gefeiert, kaufen mochten sie nur wenige.
Nun meldet sich der Pleitier zurück. Auf der kleinen Bühne von New Yorks Greenwich House spielt er Theater, ist er Hauptakteur im stark autobiografischen Ein-Personen-Stück «Les Mizrahi». Mizrahi tanzt, singt Lieder von Stephen Sondheim und verteilt Imbisse. Die Kulisse hat der Meister entworfen, die Kostüme sowieso, samt dem Mantel, den er vor dem Publikum schneidert.
Mizrahis Stück beginnt mit der Rückschau auf seine scheinbar misslungene Karriere. «Alle hassten mich», sagt der Schauspieler am Anfang des Monologs, «mein Ego lag am Boden.» Dann aber holt er die Nähmaschine auf die Bühne, schnipselt, fädelt und beginnt zu erzählen: Wie er als Siebenjähriger in der Umkleidekabine eines Warenhauses Frauenkörper detailgenau studiert hatte. Wie ihn der Lehrer und Magerfetischist Calvin Klein für seine Hungergefühle verachtet hatte. Mizrahi erzählt Geschichten und Anekdoten aus der Modewelt und macht Materialien, Kleidern, Büstenhaltern, samtenen Unterhosen und kurzen, langen, breiten, schmalen Röcken melancholische Liebeserklärungen – und dem Leben als Star. Den Kritikern gefällts, sie loben Mizrahis unverfrorene Frische und dessen «verborgenes Talent».
Dem Mann gehts weit besser als die spitzen Federn der New Yorker Klatschpresse in den vergangenen zwei Jahren geschrieben haben. Schlanker und ranker ist der 39-Jährige geworden. «Ich weiss, wo ich hingehöre», sagte er der «New York Times». Das Leben als Kreativsöldner sei vorbei. «Ich arbeite und werde dafür bezahlt, es gibt keine Gewinne und keine Verluste, und trotzdem habe ich alles, was ich will.»
Trotzdem kritisiert der Paradiesvogel seine Ex-Kollegen auch ausserhalb des Theaters: Die Modewelt ist ohne ihn beliebiger und langweiliger geworden. Das sehen seine Fans genauso. «Extravagante Designer werden hier zu Lande erst wahrgenommen, wenn sie weg sind», sagt das behinderte Topmodell Aimee Mullins. «Heute vermissen alle Mizrahis wilden Flausen.»
Immerhin reüssiert er jetzt auf der Bühne. 56-mal will Mizrahi im Greenwich House auftreten, die meisten Vorstellungen sind ausverkauft. Die Schauspielerei und der Tanz sind ihm seit Kindesbeinen vertraut. Als Achtjähriger sah er Rudolf Nurejew und Margot Fonteyn tanzen, nahm später in Brooklyn Schauspiel-, Gesangs- und Klavierstunden und besuchte die High School of Performing Arts in Manhattan. 1995 spielte sich Mizrahi selber, im Dokumentarfilm «Unzipped» seines damaligen Lebenspartners Douglas Keeve. In zwei Woody-Allen-Filmen besetzte er Nebenrollen.
Aber: «Gehört ein Designer wirklich auf die Bühne?», hinterfragt Mizrahi sein neues Fach. Wo soll er denn sonst hin?