Von Peter Hossli
Eigentlich pilgern jährlich rund fünf Millionen Kunstbeflissene an die 53. Strasse in New York, ins MoMA, um dort die aufregendsten Picassos, Jasper Joneses oder Robert Franks zu bestaunen.
Doch das ist derzeit schwierig. Im MoMA wird gestreikt. Heute Sonntag empfängt das Personal Museumsgängerinnen und -gänger bereits zum 52. Streiktag – erneut mit dem dringenden Aufruf, unverrichteter Dinge wieder abzuziehen. «Sol-lange das MoMA unsere Ansprüche nicht befriedigt, streiken wir», sagt Joe Hannan, Chefredaktor des «MoMA Magazine» und Unterhändler der Gewerkschaft Professional and Administrative Staff Association.
Die prestigeträchtigen Jobs am MoMA reichen kaum zum Leben
250 der insgesamt 600 MoMA-Angestellten pochen auf höhere Löhne und stark verbesserte Krankenkassenleistungen. Verständliche Forderungen. MoMA-Arbeit ist zwar prestigereich. Leben kann davon aber niemand. Wer beim Museum of Modern Art anfängt, verdient selbst mit Universitätsabschluss nicht mehr als 17 000 Dollar im Jahr. Durchschnittlich erhalten Kuratorinnen, Grafiker, Lehrerinnen oder Autoren nur 28 000 Dollar. Knauserig für eine Kunstinstitution, die im nächsten Jahr für 800 Millionen Dollar baulich expandiert. Zumal die geforderten Lohnerhöhungen das Museum jährlich nur 400 000 Dollar kosten würden.
Der vorgesehene Umbau, sagt Gewerkschafter Hannan, sei mitunter ein Hauptgrund für die anhaltende Sturheit des MoMA. Im Herbst 2001 fahren die Bagger vor. Das jetzige Ausstellungsgebäude wird demoliert. Abgesehen von einer kleinen Galerie in Queens stellt das MoMA seinen Betrieb während zweier bis dreier Jahre gänzlich ein. «Die Museumsleitung will vor der Renovation möglichst viele Leute loswerden», vermutet Hannan. «Deshalb lenken sie nicht ein.» Dem widerspricht die MoMA-Direktion. Überdies, sagt die Leitung, würde der Streik den Museumsalltag kaum beeinträchtigen. Das Management arbeite jetzt mehr. Ersatzpersonal fertige die Kunstliebhaber ab; es hält den Betrieb auf Sparflamme.
Ausländische Besucher bringen dem Streik Verständnis entgegen
Besucherzahlen zeugen vom Gegenteil. Im Vergleich zum letzten Jahr hat sich der Zuspruch im Mai halbiert – trotz der publikumsträchtigen Ausstellung «Making Choices» über bahnbrechende Entwicklungen der modernen Kunst zwischen 1920 und 1960. «Deutlich reduziert», sagt Hannan, hätten sich Verkäufe im Design- und Buchladen. Die weit über New York hinaus respektierte Forschungsbibliothek stellte den Betrieb ein. Das monatliche «MoMA Magazine» erscheint sichtlich ausgedünnt; vier der fünf Redaktoren streiken.
Ausländische Touristen erfreut trotz Hochsaison die sichtlich verkürzte Warteschlange. Und sie ärgern sich übers temporär angestellte, oft unkundige Personal. Zwar würden europäische oder asiatische Besucher den Streikenden grosses Verständnis entgegenbringen, sagt Hannan. Man könne sie selten vom Museumsbesuch abhalten. Aber: «New Yorker gehen nicht hin.»