Von Peter Hossli
Sie haben soeben Ihr Manifest Hard Green veröffentlicht, das Sie als konservative Polemik auf Al Gores 1992 publiziertes Buch Earth in the Balance verstehen. Darin raten Sie zum Beispiel zum Verzehr gentechnisch veränderter Lebensmittel als Beitrag zum Schutz der Umwelt. Müssen Ihre Kinder das essen?
Peter Huber: Warum nicht? Gentechnisch veränderte Lebensmittel sind unbedenklich, dank Gentechnik konnte die landwirtschaftlich genutzte Fläche in den USA stark verringert werden. Die Natur schützt nur, wer Wälder wieder aufforstet und die Wildnis vergrößert.
Jetzt sagen Sie nur noch, Sie hielten Gen-Food für schmackhafter.
Huber: Ich kaufe selbst gern auf französischen Bio-Märkten ein. Das sind aber persönliche Vorlieben. Sie schaden der Erde und der Menschheit.
Für sie wäre also industrielles Food-Design ökologischer als der organische Ackerbau?
Huber: Die Rechnung ist ganz einfach: Je weniger Land wir bewirtschaften, desto mehr bleibt unberührt. Biologischer Anbau ist nicht effizient und sehr landintensiv. Biologische Äpfel zu essen ist egoistisch und der Umwelt abträglich.
Und was ist mit artgerechter Tierhaltung?
Huber: An einer Kuh ist nichts umweltfreundlich. Ihre Methan-Fürze nagen an der Ozonschicht. Eine Kuh frisst und trinkt kräftig und produziert relativ wenig Nahrung. Im Freien grasende Rinder benötigen viel zu viel Fläche. Am besten, man verzichtet auf Milch und Fleisch. Oder es müssen effizientere Kühe her. Solche, die auf weniger Fläche mehr produzieren. Gentechnik steigert ihre Effizienz.
Sie behaupten allen Ernstes, amerikanische Monokulturen seien umweltfreundlich?
Huber: Die landwirtschaftliche Produktivität hat sich in den USA im 20. Jahrhundert vervierfacht, dank Dünger, Pestiziden und gentechnisch veränderten Pflanzen. Gleichzeitig verringerte sich das dafür bewirtschaftete Land um 80 Millionen Hektar. Seit 1920 wuchsen in den USA sogar 40 Millionen Hektar zusätzlicher Wald. Wäre der Rest der Welt so produktiv wie die amerikanischen Bauern, würde weltweit halb so viel Land wie heute verbraucht. Man könnte auf derselben Fläche die doppelte Bevölkerung ernähren. Es wäre auch möglich, die Abholzung in Südamerika und Afrika zu stoppen und sogar umzukehren.
Das amerikanische Hochleistungsmodell als Vorbild für Entwicklungsländer?
Huber: Die so genannte Dritt-Welt-Landwirtschaft ist am schädlichsten. Sie benötig viel Fläche und bringt wenig Ertrag hervor. Entweder wir lassen die Kleinbauern in Ruhe die tropischen Wälder abbrennen, oder wir versuchen, sie zu produktiven Farmern umzuschulen.
Schrumpft der Regenwald nicht auch wegen der Rinderzucht für McDonald’s?
Huber: Sicher, in Costa Rica wurde ein Teil des Waldes für Viehzucht abgeholzt. Die mit Abstand größten Verursacher der Entwaldung sind jedoch lokale Landwirte. Unser Konsumverhalten hat mit der Abholzung im Amazonas nichts zu tun. Man könnte die Industrien in Westeuropa und den USA morgen abschalten, die Entwaldung ginge im selben Stil weiter.
Wie steht es mit den Nebenwirkungen der von Ihnen verordneten Industriekur?
Huber: Man muss sich mit der Umweltverschmutzung und anderen Problemen auseinander setzen. Aber diese Kosten werden stark vom Nutzen überwogen, den wir durch die Schaffung von so viel neuer Wildnis erzielen. Man muss die Dinge in der Perspektive behalten.
Negative Begleiterscheinungen wie der Rinderwahnsinn oder die Verseuchung von Mastfleisch mit Antibiotika und Hormonen fallen für Sie nicht ins Gewicht?
Huber: Mechanisierung und Standardisierung führen immer zu einer Verbesserung der Hygiene und der Qualität. Wenn die vielen Untergangsszenarien zuträfen, lebten wir längst im Elend. Doch der Mensch lebt gerade wegen – nicht trotz – des Einsatzes von Dünger länger.
Wie steht es mit der Energiebilanz Ihrer Agrarindustrie? Wollen Sie weiterhin Äpfel und Hühnchen rund um die Welt verschiffen?
Huber: Die Landwirtschaft ist ein weitaus größeres Problem als der Energiekonsum. Für jeden Hektar Land, den wir besiedeln, braucht man sechs Hektar Agrarfläche, aber nur 0,6 Hektar Land zur Energiegewinnung.
Trotzdem verschlingt der Transport riesige Mengen an Energie.
Huber: Deshalb ist das Stadtleben die umweltfreundlichste Lebensform. Lebensmittel können in großen Mengen in die City transportiert werden. Am besten bringt man Nahrung von der Fabrikfarm direkt nach New York. An beiden Orten wird wenig Land verbraucht. Die Alternative wären zehn Millionen New Yorker auf Kleinstbauernhöfen. Fatal. Man bräuchte die zehnfache Fläche. Die Intuition der Umweltschützer, Landleben sei grün, ist falsch.
Stadtleben soll umweltfreundlich sein? Und wenn man Abgase und Dauerstress hasst?
Huber: Das mag Ihre persönliche Ansicht sein. Doch was ist gut für die Erde? Großstadtleben. Es braucht wenig Land. New Yorker leben im Durchschnitt übrigens länger als Bewohner in Alaska. Warum? Weil sie reicher sind. Reichtum hat einen größeren Einfluss auf die Lebenserwartung als Stress.
Aber Reichtum bedeutet Wirtschaftswachstum – und das schadet in den Augen vieler Ökonomiekritiker der Umwelt.
Huber: Ein weiteres Hirngespinst der Umweltschützer. Wirtschaftliches Wachstum tut der Umwelt gut. Grüne denken, wirtschaftliches Wachstum bedeute geografische Ausdehnung. Das stimmte bis 1920. Inzwischen wächst die Wirtschaft, die Ausdehnung geht zurück. Wären alle reich, würde die Weltbevölkerung bei sechs, nicht bei neun Milliarden stoppen. Alle würden dieselben Techniken verwenden. Wir würden ein Viertel der landwirtschaftlichen Fläche brauchen. Wir könnten den Regenwald aufforsten und die Sahara begrünen. Die Reichen, nicht die Armen lösen die Probleme.
Doch ausgerechnet die reichen Amerikaner verschwenden derzeit die Energiereserven und Ressourcen des Planeten.
Huber: Wir leben in einem großen Land. Niemand muss mir sagen, dass die USA die größten Verbraucher von fossilen Brennstoffen sind. Das weiß ich. Gleichzeitig schlucken unsere Wälder jedoch am meisten Kohlendioxid.
Stichwort Kohlendioxid: Wie wollen Sie dem Treibhauseffekt begegnen?
Huber: Es wurde in den Neunzigern ein bisschen wärmer. Der Kohlendioxidgehalt in der Luft ist angestiegen. Wir wissen aber nicht, ob das zusammenhängt. Nordamerika schluckt inzwischen mehr Kohlendioxid, als es ausstößt. Unsere Luft ist sauberer als 1950. Das liegt am Wald, den wir dank produktiverer Landwirtschaft gewonnen haben. Die bessere Luft verdanken wir der Veränderung unserer Gesellschaft. 84 Prozent leben heute urban, 1920 waren es erst 10 Prozent. Diese Verschiebung war nur möglich dank Öl und Kernenergie.
Sie halten also auch die Verbrennung von Erdöl sowie die Spaltung von Atomen für grün?
Huber: Beides verbraucht kaum Land. Die Wasserkraft ist das letzte Überbleibsel einer Energiegewinnung, die große Flächen benötigt. Zum Glück haben Öl und Kernkraft das Holz abgelöst.
Mit so fatalen Folgen wie Tschernobyl …
Huber: Der Unfall der Exxon Valdez war ebenfalls schrecklich. Wenn es knallt, ist das immer schlimm. Wenn es nicht knallt, sind Öl und
Kernkraft jedoch extrem frugal.
Einen GAU fürchten Sie nicht?
Huber: Alternativenergien verschmutzen die Luft ebenfalls und tragen ein Restrisiko. Nehmen wir an, die Nuklearenergie bleibt unfallfrei und wird trotzdem nicht genutzt: Der Schaden für die Umwelt wäre kolossal groß.
Vergessen Sie nicht die strahlenden Abfälle?
Huber: Ein triviales Thema. Das Volumen ist minimal. Krankenhäuser erzeugen mehr nukleare Abfälle als Kraftwerke. Kranke Umweltschützer verzichten kaum auf Röntgenbilder. Die Felsformationen, die seit 300 Millionen Jahren stabil sind, werden das noch ein paar zehntausend Jahre bleiben. Wenn wir vor dreißig Jahren voll auf nukleare Energie gesetzt hätten, wäre der Verbrauch von fossilen Brennstoffen vierzigmal geringer ausgefallen.
Es gibt ja Alternativen, Solarenergie und Energiesparen zum Beispiel.
Huber: Solarenergie sieht sauber aus, verschlingt aber riesige Flächen. Man müsste das Zwanzigfache einsparen, um bei gleicher Nutzungsfläche auf Sonne umzusteigen. Geht nicht.
Dennoch können Sie kaum bestreiten, dass Solarenergie umweltfreundlich ist.
Huber: Die Leute denken emotional. Rauch einer Kohlefabrik ist sichtbar, der Abfall bei der Herstellung von Solarzellen nicht.
Von nachhaltiger Nutzung und Recycling halten Sie wohl auch nichts?
Huber: Recycling hat meist gegenteilige Folgen. Städtischer Abfall lässt sich mit wenig Aufwand an einem einzigen Ort verbrennen oder vergraben. Wer recycelt, investiert viel Energie zum Sortieren und Transportieren. Das lohnt sich selten.
Und warum wird trotzdem recycelt?
Huber: Damit wir uns gut fühlen.