Von Peter Hossli
Normalerweise gelangt erlesene Kunst ins New Yorker Guggenheim Museum. Der mondäne Bau an der Fifth Avenue thront nach wie vor als Massstab für artistische Qualität. Kommenden Herbst kann sich darin erstmals ein Modemacher präsentieren: Giorgio Armani, der umtriebige Italiener, wird im Museum von Oktober bis Januar 2001 rund 200 seiner besten Kreationen zeigen.
Armani, der Künstler – ein fabelhafter Grund zum Jubilieren. Nichts dergleichen, mäkelt die US-Kunstwelt. Stelle Armani im Guggenheim aus, kämen sich Geschäft und Kultur in die Quere.
Der Mailänder Modemacher hat dieser Tage in den USA eine heftige Debatte initiiert. Seit kurzem hockt er nämlich als einer der Hauptsponsoren im Beirat des Museums. Schätzungsweise fünf Millionen Dollar legt Armani alljährlich in dessen Schatulle, vorerst während dreier Jahre. Die Armani-Ausstellung bezahlt das Magazin «In Style», seit längerem hochglänzender Werbeträger teurer Armani-Anzeigen.
Diese Verquickung von Kunst und Kommerz sei «fatal» und dem Kunstbetrieb «in hohem Masse abträglich», sagt der renommierte New Yorker Kritiker Mark Cohen. Bestärkt werde erneut ein anhaltender und nicht wünschenswerter Trend: «Zunehmend verwalten private Unternehmen das öffentliche kulturelle Erbe ganzer Generationen», sagt er. Und wenn sich Modedesigner ihren Platz in angesehenen Kulturinstituten mittels Sponsor-Dollar erkauften, sei dies «höchst bedenklich». Die «New York Times» nannte die Verbindung gar ein «ethisches Problem».
In den USA steht privaten Geldgebern traditionell weit weniger Einfluss auf das Programm von Museen zu als etwa in Europa. Künstlerische Freiheit des Kurators gilt als schützenswertes Gut. Stets sauer stösst auf, wenn, wie jetzt bei Armani, dem Geldgeber eine eigene Schau gewidmet wird. Zumal diese Kontroverse vor kurzem einen unrühmlichen Höhepunkt erlebte: Im Brooklyn Museum of Art stellt der britische Werber Charles Saatchi Werke seiner Privatsammlung aus. Kunsthändlern, die direkt an der Preissteigerung der Bilder beteiligt sind, traten als Mäzenen auf. Von Steuern getragene Museen, einst Horte hoher Kultur, verkommen so zu Tummelfeldern der Anleger, befürchten die Gegner.
Angeregt hatte die Armani-Show der deutsche Guggenheim-Direktor Thomas Krens, ein vifer Geschäftsmann, dessen Methoden so umstritten wie erfolgreich sind. 1998 beglückte er etwa US-Töfffans mit einer Motorradshow. BMW zahlte, nie zuvor besuchten mehr Leute das weisse Rondellhaus.
Nun gewann Krens Giorgio Armani als Gönner – und beglückt ihn mit einer lukrativen, werkumfassenden Retrospektive. Als Gegenleistung drückt Guggenheim dessen gestalteten Edelzwirn das erlauchte Kunstsiegel auf und rückt den Maestro auf die Ebene von Picasso oder Matisse.