Streit um das Cover-Girl

Das neue US-Magazin «Talk» hat in New York Probleme. Bürgermeister Giuliani befürchtet Wahlhilfe für seine Senats-Rivalin Hillary Clinton.

Von Peter Hossli

Furios fuchtelte Rudolph W. Giuliani vergangene Woche in seinem Büro mit den Händen. Eben hatte der Bürgermeister von New York Unbill vernommen. Das Antlitz von Präsidentengattin Hillary Rodham Clinton, teilte ihm ein Berater mit, würde das erste Titelblatt des neuen Zeitgeistmagazins «Talk» zieren.

Ausgerechnet Hillary, die ihm, dem Ur-New-Yorker, den Senatssitz in seinem geliebten Heimatstaat streitig macht.

Nicht mit ihm. Giuliani wies den Vorsteher der Bauabteilung an, die für den 2. August geplante «Talk»-Lancierungs-Party zu stoppen. Er kann das. Das Fest wollte «Talk»-Chefredaktorin Tina Brown in den Hallen des stillgelegten Navy Yard in Brooklyn abhalten, eine Schiffswerft am East River. Die seit 1966 leer stehende, schmuddelige und trendige Fabrik gehört der Stadt. Um dort zu feiern, brauchts die Bewilligung der Behörden.

Die verweigerte Giuliani den Festlustigen – wegen Mrs. Clinton, seiner Rivalin im Senats-Wahlkampf. Die First Lady, war durchgesickert, würde nämlich nicht nur das «Talk»-Cover-Girl sein, sondern auch als Stargast an dieser «Party des Jahres» teilnehmen.

Die Fete sei «rein politisch» angelegt, liess Giuliani seinen Vize Randy L. Levine verlauten, eine als Privatparty getarnte Wahlveranstaltung. «Dafür gibts keine städtischen Gebäude.»

Der Skandal war perfekt. Journalisten sahen ihr Recht auf freie Titelwahl von einem willkürlich agierenden Bürgermeister beschnitten. Von «Mafia-Methoden» war die Rede. Die verkappte Zensur verdeutliche Giulianis Angst vor Hillary Clinton; sie liegt laut neusten Umfragen klar vor ihm. «Das Njet zeugt von Giulianis krasser Paranoia», sagt der «Talk»-Pressesprecher.

Andere vermuten einen PR-Coup, eine Provokation, inszeniert von Harvey Weinstein, Mogul des Filmstudios Miramax und Mitherausgeber von «Talk». Wie kein anderer beherrscht Weinstein die Kunst des «Buzz»: Sich und seine Projekte dauernd ins Gespräch zu bringen. Notfalls mit Skandalen. Weinstein, ein Freund des Präsidentenpaars und langjähriger Förderer der Demokratischen Partei, heize die Stimmung im Senatsrennen mit dem Gerücht ums Clinton-Cover an, sagt Vizebürgermeister Levine. «Die wollen Publicity.»

Tatsächlich braucht «Talk» dringend Aufmerksamkeit. Das Magazin gilt als ehrgeizigste Print-Neugründung der USA seit Jahren. Mit einem Startkapital von hundert Millionen Dollar muss die flamboyante Ex-Chefin von «New- Yorker» und «Vanity Fair», Tina Brown, zehnmal jährlich journalistische Geschichten finden, die nicht nur den Nerv der Zeit treffen. Sie sollen darüber hinaus als Drehbuchvorlagen taugen. Mit solchen Synergien hofft Disney-Tochter Miramax, künftig die Kosten für packende Kinostoffe zu senken.

Die Filme dürften übrigens auf dem jetzt gesperrten Navy Yard gedreht werden – mit Hilfe des erzürnten Bürgermeisters. Vor wenigen Wochen liess sich Giuliani mit Weinstein und Schauspieler Robert De Niro vor besagter Werft ablichten. Er unterstützt ein aufwändiges, 150 Millionen Dollar teures Projekt von De Niro und Weinstein, dort bald ein grosses Filmstudio zu errichten.