Von Peter Hossli
Christo und Jeanne-Claude verpacken die öffentliche Welt: Berlin bekam den Reichstag eingekleidet. In Paris geriet der Pont Neuf unter Tücher. Entlang von Reisfeldern und Hügeln in Japan und Kalifornien flatterten Sonnenschirme. Und bei Basel verhüllte das bulgarisch-französische Künstlerpaar 161 Bäume mit grauem Polyester.
Erfolg war den Verpackern sicher. Das Publikum kam in Scharen. Die Presse berichtete meist grossflächig und kritiklos.
Jetzt regt sich unüberwindbarer Widerstand. In New-York, seit 1961 Wahlheimat von Christo und Jeanne-Claude.
Die beiden planen, die 43 Kilometer Gehwege des Central Park mit elftausend 4,5 Meter hohen und bis zu 8,5 Meter breiten Stahltoren sowie frei hängenden Nylonfahnen einzukleiden. Das Projekt «The Gates», erstmals 1980 eingegeben, soll das nächste Grossunterfangen des Künstlerpaars werden. Vorgesehen ist, die Tore während vierzehn Herbsttagen im Central Park aufzustellen. «Es würde zum Farbenwechsel der Blätter passen», sagt Jeanne-Claude.
Vielen New-Yorkern passt das nicht. Sie möchten sich den letzten Flecken Natur, welcher der Metropole geblieben ist, nicht nehmen lassen. Der Park an sich sei genug schön, sagt der Vorsteher der Central Park Conservancy, Ira Millstein. «Er braucht keine gelben Fahnen.»
Bereits zweimal lehnte das städtische Departement für öffentliche Parkanlagen das Projekt ab. Begründung: Es würde den historisch bedeutenden Park «sys-tematisch und vollständig verändern».
Ein Artikel in den «New York Times», in dem sich Christo letzte Woche über das schleppende Bewilligungsverfahren beschwerte, löste harsche Reaktionen aus. Ein Künstler nannte ihn «Hofberichterstattung». Ein Leserbriefschreiber schlug vor, die Verpackungsartisten mögen das Stadthaus, nicht den Park einkleiden. «Wenn das Paar wirklich Aufmerksamkeit will», sagt Henry J. Stern, Chef aller New-Yorker Parkanlagen, «soll es den Trump Tower einkleiden.»
New-York fürchtet das Chaos. Gegen acht Millionen Menschen dürften die Installation besuchen, schätzt James Warner, ein Sprecher der städtischen Parkanlagen. «Eine gigantische Masse, die unmöglich zu bewältigen ist», sagt er.
Bewohner der Upper East und der Upper West Side haben Widerstandsorganisationen formiert. Sie glauben, das Projekt würde den Kindern Spielplätze und den Hunden Auslaufanlagen wegnehmen. Ausserdem werde «The Gates» zum Präzedenzfall für Nachahmer. Die lärmgeplagten New-Yorker wollen kein wöchentlich stattfindendes Tohuwabohu im einzigen Ruhepol der Metropole.
Umweltschützer befürchten, Humus und Wurzeln im Park würden wegen den in den Boden getriebenen Rohren Schäden davontragen. Die Polizei sei kaum in der Lage, die vielen Zuschauer vor Unfällen zu schützen und das zu erwartende Verkehrsaufkommen zu regeln.
Christo und Jeanne-Claude versprechen Sicherheit für Pflanzen und Menschen. «The Gates» werde Tag und Nacht von 2000 Mitarbeitern überwacht. Biologen garantierten den artgerechten Umgang mit Pflanzen und Böden.
Trotzdem winkt der Parksprecher ab. ««The Gates» wird nie aufgestellt», sagt Warner. «Christo und Jeanne-Claude scheinen die unantastbare Einmaligkeit des Parks nicht begreifen zu wollen.»
Kunstschaffende zweifeln zudem den künstlerischen Gehalt der Installation an. «New-Yorker», sagt die Filmerin Holly Fischer, «haben einen guten Geschmack.»