Suzanne Vega: Das Leben ist düster

Die US-Folksängerin Suzanne Vega hat genug vom Singen. Stattdessen will sie in Zukunft Bücher schreiben.

Von Peter Hossli (Text) und Yvon Baumann (Fotos)

suzanne_vega.gifWer Lieder schreibt und auf eine Compact Disc presst, nagt am Trübsinn der Welt. Gegen Krieg, gegen Inzest, gegen Armut, für die Liebe oder für den Frieden müssen Sänger singen.

US-Folksängerin Suzanne Vega, deren Plattenfirma letzte Woche die Best- of-Kollektion «Tried & True» in Europa auf den Markt brachte, mag nicht mehr an allem nagen. Und sie mag ihr Schweigen zu Kosovo oder zum Krieg in den zerfallenen Innenstädten Amerikas niemandem mehr erklären. Songs, sagt die blässliche 39-Jährige im New Yorker Büro ihrer PR-Agentur, seien für sie vorerst passé.

Deshalb entspreche die jetzt veröffentlichte CD einem «dringend nötigen Zwischenhalt», bei dem wohl die Plattenfirma nochmals kräftig verdienen werde. «Finanziell habe ich nichts davon», sagt Vega. Ein bisschen Geld wird sie bloss machen, wenn etliche Radiostationen die beiden neuen Songs «Book & Cover» und «Rosemary» häufig spielen.

Statt zu musizieren will Vega jetzt mehr schreiben, ganze Sätze formulieren, mit Abschnitten und Satzzeichen jonglieren, «Gedanken nachhaltiger entwickeln». Regelrecht verleidet sei ihr die Kürze der Songtexte. Mit gedruckter, längerer Prosa könne sie ihre Meinungen «präziser ausdrücken und Bedürfnisse besser anmelden», ist Vega überzeugt. «Als Schriftstellerin wird man ernst genommen. Als Musikerin nicht.»

vega_hossliSchon als Kind habe sie die vielen Bücher ihres Stiefvaters stets den Platten ihrer Schulkameraden vorgezogen. Ob und wann sie nochmals eine CD mit neuen Songs fertigt, darüber mag Suzanne Vega «jetzt gar nicht spekulieren».

Ein Buch mit Essays, Gedichten, Kurzgeschichten und Tagebucheinträgen gibt sie deshalb nächstes Frühjahr heraus. Zuerst in Englisch, dann in den Sprachen, in denen ihr die meisten zuhören, Deutsch und Französisch. Denn die Amerikanerin weiss: In Europa hat sie ein Publikum. Zu Hause in New York dümpelt sie seit einigen Jahren weit hinten in den Charts.

Die finsteren Seiten des Lebens will die Vokalistin in ihrem Buch beleuchten, traurige Geschichten mit einem Schuss Zynismus erheitern. Wie in ihren Liedern suche sie erneut im Persönlichen das Politische. Aber die Liebe könne sie nicht erfassen, «es gibt keine passenden Worte dafür». Die Erde ersticke an der abgedroschenen und längst zersungenen Phrase «I love you».

Bevor sie neue Begriffe dafür finde, will die fragile Bardin die Finger von der verflixten Sache lassen. Mit der Liebe bekundet die Mutter der vierjährigen Tochter Ruby und Ehefrau von Musikproduzent Mitchell Froom im richtigen Leben sowieso reichlich Mühe.

Die kleine Ruby nehme ihr viel Zeit und Energie. «Man kann lange den Feminismus preisen», sagt Vega, «wenns ums reale Füttern geht, halte ich und nicht der Papa die Brust hin.» Als unbehaglich empfindet sie zudem die Rolle als Ehefrau. Das sei «der schwierigste Part meines Lebens», beklagt sich Vega.

Eine Frau mitten in der Midlifecrisis.

Denn Fakt ist: Ihre Plattenfirma PolyGram gibt das Vega-Best-of-Album raus, weil die letzten CDs floppten. Der Star spielt zu wenig ein.

Und: Mutter- und Eheglück, in der Platte «Nine Objects of Desire» 1996 noch besungen, bröckeln. Weil ihr die rauen Gepflogenheiten im männerdominierten Musikbusiness «regelrecht stinken», mag sie dort nicht mehr mittun.

Dabei war Suzanne Vega, die bei puertoricanischen Pflegeeltern in East Harlem aufwuchs, in den späten Achtzigern Symbolfigur gleich mehrerer Trends. Sie leitete die Renaissance der Folkmusik ein, als sie mit ihrer Gitarre durchs Greenwich Village in New York tingelte. Zum selben Zeitpunkt wie die schwarze Tracy Chapman sang sie sich die tiefen Spuren der Reagan-Yuppie-Jahre von der Seele.

Herhalten musste der Popstar schliesslich für ein Modephänomen, mit dem die Musikindustrie Anfang der Neunziger kräftig abkassierte: bleiche, scheinbar unberührte und stille Frauen-figuren, die die lauten Disco-Queens ablösen sollten.

Für den flippigen Kleiderfabrikanten Gap streckte sie ihren schmalen Körper als Model ins Bild. Zwischenzeitlich wurde Vega zur echten Ikone, später, als zwei unbekannte Bands ihre beiden Hits «Luka» und «Tom’s Diner» als Cover-Versionen um die Welt trugen, gar zum Star.

Zu viel für eine zurückgezogen lebende Künstlerin, die sagt: «Reden fällt mir schwer.» Sie träumte davon, dereinst Texte wie Lou Reed oder Bob Dylan zu schreiben. Mit anderen Musikerinnen las Vega die bitterbösen Geschichten von US-Schriftsteller Raymond Carver und hoffte, ähnlich markant zu singen. Sie wollte den Irrsinn beschreiben, der in jeder Familie, in jeder kleinen Gemeinschaft steckt, vom Stadtleben berichten und Kinderfantasien nacherzählen.

Statt sich um «dämliche Marketingstrategien» oder «mir aufgedrängte Images» zu kümmern, bastelte Vega stets an ihrer etwas spröden Musik herum. 1992 half ihr Produzent Mitchell Froom, die Gitarre elektronisch zu reduzieren. So entstand «99.9°», das Album, das die Kritik in den Himmel lobte, Vegas Fans aber irritierte. Kaufen mochten es nur wenige.

Produzent und Musikerin heirateten. Zwei Jahre darauf kam Ruby zur Welt.
Die Schwangerschaft habe sie etwas von ihrer düsteren Grundstimmung befreit. «Plötzlich erhielt mein bubenhafter, dünner Körper überall angenehme Rundungen», sagt sie. Mit hörbaren Folgen: Bei «Nine Objects of Desire» schwang gar ein bisschen Erotik mit.

Jetzt ist sie wieder schlank. Nur, beklagt sich Vega, über Politik könne heute niemand mehr singen. Die sei, im Gegensatz zu den Eighties, zum reinen Medienspektakel ohne richtige Inhalte verkommen. «Soll ich etwa ein Lied über Zigarren im Oval Office schreiben?»�