SR 111 – Der letzte Kampf von «Raging Bull»

Ex-Box-Champion Jake LaMotta hat beim Swissair-Absturz seinen sohn verloren. Er fordert 125 Millionen Dollar.

Von Peter Hossli

Vor zwei Wochen sank Jake LaMotta in seiner Wohnung in Manhattan in die Knie. Eben hatte der Nachrichtensender CNN vom Absturz einer Swissair-Maschine mit Zielflughafen Genf berichtet. LaMotta, heute 76 und zwischen 1949 und 1951 Boxweltmeister im Mittelgewicht, verlor die Fassung. «Niemand hat überlebt», berichtete CNN.

Im Flugzeug sass LaMottas 49-jähriger Sohn Joseph. Der wollte in der Schweiz die gemeinsam mit dem Vater betriebene Firma bewerben. Seit Jahren verkaufen Jake und Joseph LaMotta in den USA Spaghettisaucen sowie Erinnerungsstücke an die Boxkarriere des einstigen Champs, den alle nur «Raging Bull», den wilden Stier, nannten.

Umfangreichste Klage

Jetzt steigt Jake LaMotta ein letztes Mal in den Ring. Am 9. September, eine Woche nach dem Unglücksflug, reichte sein Anwalt Michel Baumeister in Brooklyn die bis anhin umfangreichste Schadenersatzklage ein. 125 Millionen Dollar will LaMotta von Swissair, deren Partner-Airline Delta und vom Flugzeugbauer Boeing, Besitzerin der MD-11-Konstrukteurin McDonnell Douglas. «Es wurden diverse Sicherheitsmassnahmen unterlassen», sagt Anwalt und Hobbypilot Baumeister, der bereits beim Absturz des TWA-800-Jumbos vor zwei Jahren über zwanzig Angehörige von Opfern vertreten hat. Er wirft der Swissair etwa vor, die Crew sei nicht genügend auf solche Situationen eingestellt gewesen. «Rauch kann man problemlos aus dem Cockpit entfernen», sagt Baumeister. Zudem habe die Fluggesellschaft längst bekannte technische Probleme mit der MD-11 ignoriert.

Auf solche Nachlässigkeit möchte Baumeister, der neben LaMotta dreizehn andere Familien von SR-111-Opfern vertritt, mit hohen Forderungen aufmerksam machen. «Die Medien müssen dranbleiben», sagt Baumeister, «sonst ändern die Fluggesellschaften ihre laschen Wartungsmassnahmen nie.»

LaMotta, der sich selbst nicht äussert, sei in Trauer, sagt Baumeister. Im vergangenen Februar verlor der Exboxer seinen ältesten Sohn an Krebs.

Leben verfilmt

Jake LaMottas Karriere war bewegt. Der Italoamerikaner wuchs in New Yorks Lower East Side auf. Mit acht stand er erstmals im Ring. Zu Ruhm kam er 1943, als LaMotta den damals besten Boxer, Sugar Ray Robinson, bezwang.

Er war ein ausgesprochen schneller und wendiger Kämpfer. 1954 trat LaMotta, längst nicht mehr im Vollbesitz seiner Kräfte, ruhmlos ab. Sein Leben glich nun einer Achterbahn. Binnen Monaten frass er sich 40 Kilogramm an, die Frau lief ihm davon, er verlor Vermögen – und den Respekt der anderen.

In den sechziger Jahren schrieb er einen ersten Teil seiner Autobiografie «Raging Bull». Die verfilmte Regisseur Martin Scorsese 1980 mit Robert DeNiro als Jake LaMotta. «Raging Bull» ist nach Kritikermeinung einer der besten US-Filme überhaupt.