Frédéric Fekkai

Ein Schnitt beim New-Yorker Star-Coiffeur Frédéric Fekkai kostet 450 Franken. Er ist der Haarabschneider der Schönen und Reichen.

Von Peter Hossli (Text) und Yvon Baumann (Foto)

fekkai_1.gifEin Coiffeur, ein französischer, stürzte Amerika in einen Konflikt. Nach dem Wahlsieg ihres Mannes liess sich Präsidentengattin Hillary Clinton, lustvolle Feministin und Hoffnungsträgerin der Linken, im New-Yorker Hotel «Waldorf Astoria» eine neue Frisur schneiden. An der Schere hantierte ein gewisser Frédéric Fekkai aus Aix-en-Provence, den nach gescheitertem Jurastudium bloss die dreijährige Coiffeurlehre vor dem beruflichen Nichts bewahrte.

An jenem nasskalten Vormittag im Mai 1993 blieb vom vertrauten Äussern Frau Clintons kaum etwas übrig. Coiffeur Fekkai formte aus der smarten, aber etwas zotteligen 68erin eine austauschbare und allwettertaugliche Vorzeigefrau mit kinnlangem Pagenschnitt.

Amerika reagierte gespalten.

Mrs. Clinton, gescheit und berufstätig, verleugne sich mit dem neuen Haarschnitt, mäkelten die Progressiven. Jetzt habe sie den Status einer veritablen First Lady erlangt, jubelten dagegen Konservative, die Frau Clinton endlich gezähmt sahen.

Frédéric Fekkai hatte es – dank präsidialem Auftrag – zum prominentesten Coiffeur Amerikas gebracht.

Fekkais Frisierkunst nehmen heute allein in seinem New-Yorker Geschäft täglich 600 Kundinnen und Kunden in Anspruch. Aus dem Haareschneider ist eine V.I.P. geworden: Auf High-Society-Partys ein gern gesehener Gast, parliert der solariumgebräunte Schönling, der in jüngeren Jahren als Model arbeitete, mit Madonna oder Richard Gere über vegetarische Menüs oder unterdrückte Mönche in Tibet. Im letzten März wurde Fekkai zum Schönheitsverantwortlichen der Oscar-Verleihung in Hollywood berufen.

Den Interviewtermin verschläft Fekkai, 39, um zwei Stunden. Als er kommt, ist er gereizt. Die Frage, wie es ein Coiffeur zum Star bringe, erzürnt ihn. «Ich bin kein Coiffeur.» Lieber sieht er sich als «Gestalter», noch lieber als «Schönheitschirurg mit Schere statt Skalpell».

Zeit zum Klatsch, seit jeher wichtigste Beschäftigung eines kommunen Barbiers, hat Fekkai nach eigenen Aussagen keine. Gelegentliche Einladungen für erotische Schäferstündchen, spätestens seit Warren Beattys Kinoklassiker «Shampoo» angeblich obligat, weist der Familienvater zurück. «Wenn ich arbeite, muss ich mich voll und ganz aufs Schneiden konzentrieren», sagt Fekkai, der täglich über zwanzig Kundinnen bedient. Kein Smalltalk, dafür Präzisionsarbeit.

Fekkai ist längst nicht mehr der einzige Star-Coiffeur in New York. «Aber ich war der erste», trotzt er.

Figaro Fekkai kam 1982 nach New York, wo er dem französischen Stilisten Bruno Dessange half, einen Salon aufzubauen. «Dann blieb ich, weil es mir hier so gut gefiel.» 1989 machte sich Fekkai selbstständig und nistete sich zusammen mit der renommierten britischen Haarfärberin Constance Hartnett im Nobelwarenhaus Bergdorf Goodman an der 5th Avenue ein. Sein «stil provençal» – Fekkai: «so natürlich wie möglich» – lockte innert Kürze prominente Kundinnen und Kunden an («wir haben 20 Prozent Männer»). Durch die Schauspielerinnen Meg Ryan, Courtney Cox sowie durch John F. Kennedy jr. blieb Fekkai im Gespräch.

Friseure, schrieben die «New York Times», würden heute behandelt wie einst die profiliertesten Designer Italiens und Frankreichs. Galten sie vor wenigen Jahren noch als Bestandteil der Dienstleis-tungsindustrie, spannen sie heute mit den «nouveaux riches» zusammen: mit Aktienhändlern, Häusermaklern oder Zigarrenimporteuren. In Hollywood ists inzwischen schick, einen Friseur auf der eigenen Glamour-Party dabei zu haben.

Geschnitten, gefärbt, gefönt, enthaart und gezupft wird bei Fekkai seit 1996 auf fünf Etagen in New Yorks Nobelquartier, Ecke 57. Strasse und Madison Avenue. Nike und Tiffany’s sind die Nachbarn.

Wer den Palast der Eitelkeit betritt, nach mehrwöchiger Wartefrist, legt zuerst Deux-pièces und Prada-Schuhe ab – und geht zur Dusche. Die heisst «Salon d’eau». Mit Handtüchern in Rosa oder Pastellbraun – Fekkai: «die Gewürzefarben der Provence» – wird der Körper getrocknet, dann in einen weissen Bademantel gehüllt. Nur im «garantiert keimfreien» Patientenmäntelchen dürfen sich die Schönheitslüsternen unter die Hand des Coiffeurs begeben. «Unsere Kundinnen tragen meist teure Kleider», sagt die Etagenchefin des dritten Stocks. «Kommts zur Verunreinigung, müssten wir die hohen Kosten tragen.» Darum ist Mantel bei allen Pflicht.

Die Atmosphäre bei Fekkai ist freundlich, abgeklärt, professionell, weder lustvoll noch lustlos. «How are you?», begrüsst der Assistent die betuchte Kundschaft, die meist zwischen 40 und 50 Jahre alt ist. Dann gibts, nach Wahl, Diet Coke mit Zitrone, Perrier oder Apfelsaft. Aschenbecher hats, natürlich, keine.

Auf Wunsch stehen fünf Privaträume zur Verfügung. Die beansprucht die Prominenz. George Hamilton etwa, einst Frauenschwarm, heute kaum mehr beschäftigter Altschauspieler, lasse sich ausschliesslich hinter verschlossenen Türen frisieren. Auch Aktrice Meryl Streep will den hoch dotierten Coiffeur ganz für sich allein. Kein Problem. An der 57. Strasse ist man ums Wohl und die Privatsphäre der berühmten Kundschaft bemüht. Denn: Die bringt Ruhm und Prestige sowie reichlich Gratiswerbung in Form von Artikeln in Hochglanz-Gazetten wie «Vogue» oder «Vanity Fair.»

Um einen Star zufriedenzustellen, steht Morgenmuffel Fekkai schon mal um sechs Uhr auf. Sigourney Weaver komme jeweils um sieben zum Frisieren, lange vor dem Stammpublikum. Fotografen erhalten nie Zutritt ohne Begleitung. Dafür sorgt im Parterre ein kräftiger und kompromissloser Türsteher.

Ein etwa siebenjähriger Bub, gehüllt in weisses Tuch, betritt den Raum, gefolgt von seiner wohlgenährten Gouvernante. Das korpulente Kindermädchen begleitet den Sprössling zum Coiffeurstuhl, der grosse Ähnlichkeit mit einem Zahnarztsessel hat. Fekkai begrüsst das Kind und setzt am Scheitel an. «Einige Kundinnen mögen uns so sehr», sagt Fekkai später, «sie vertrauen mir selbst ihre Kinder an.»

Die trendige Frisur für den Sprössling kostet an die 400 Franken.

Rund 450 Franken zahlt man für den Schnitt, wenn der Maestro selbst Hand anlegt. Bei den zahlreichen Assistenten ists etwas billiger.

Allerdings, wer hier verkehrt, für den ist Geld selten ein Problem. Und der will meist nicht nur einen neuen Haarschnitt, sondern Schönheit im Multipack.

Cheffärberin Constance Hartnett macht ihren Job für 450 Franken. Lästige Körperhaare entfernen Fekkais Assistentinnen verglichen mit der Konkurrenz ziemlich kostengünstig: 90 Franken blättert man pro Bein hin. Für 50 Franken verschwinden die Haare in der Bikinigegend, für 40 Franken jene unter den Achseln. Teurer ist der Rücken. Wen dort wuchernde Haare stören, legt mindestens 100 Franken fürs Epilieren hin. Spezielle Arrangements, etwa ein Hochzeitspaket, welches das Bleichen oder Entfernen unerwünschter Körperhaare plus einen neuen Haarschnitt beinhaltet, ist ab 500 Franken zu haben.

Weniger als 1000 Franken pro Besuch lässt kaum ein Besucher zurück. Bezahlt wird per Kreditkarte. Das Trinkgeld stecken die Kundinnen diskret in kleine weisse Couverts, die versehen mit dem Namen des Empfängers, in einem Briefschlitz neben der Kasse verschwinden.

«Schönheit», sagt Fekkai, «macht Menschen glücklich.» Dass die Welt besessen ist von Schönheit, sei doch «grossartig». Denn: «Wer schön ist, ist frei.»

Fekkai ist so frei, dass er expandiert. Im Herbst vergangenen Jahres eröffnete er einen Salon in Beverley Hills, dem Luxushügel am Rande von Los Angeles. Eine Woche pro Monat verbringt er seither an der Westküste, wäscht, fönt und koloriert dort im Akkord Models und Aktricen. Zusätzliche Boutiquen mit Fekkai-Produkten – Handtaschen, Sonnenbrillen und Kosmetika – betreibt er in Dallas und Houston, Texas, sowie in Miami, Florida. 1999 möchte er einen Laden in London, später einen in Paris eröffnen.

Geht es um die Firma Frédéric Fekkai Beauté, ist der Figaro noch wortkarger als sonst. Längst hält nämlich der Kosmetik- und Moderiese Chanel die Aktienmehrheit am einst unabhängigen Unternehmen. Darüber mag der Coiffeur nicht sprechen. «Ich schneide lieber Haare, als mich um geschäftliche Dinge zu kümmern.»

Einzig über die geplante Expansion ins heimatliche Europa und die eben lancierte Kosmetiklinie will Fekkai reden. Unbescheiden sagt er: «Ich werde die Welt prägen wie einst Giorgio Armani.»