Ein Ossi packts im Westen

Der ehemalige Rapper Jaye Müller macht mit JFax eine neue Musik: Sein virtuelles Büro hat einen Marktwert von 400 MiIlionen Dollar.

Von Peter Hossli

Einen vierhundertfachen Millionär stellt man sich in der Regel elegant, etwas selbstherrlich und eher etwas älter vor.

Nicht so Jaye Müller, 26, ein ostdeutscher Musiker, der in New York den amerikanischen Traum nicht nur träumt: Seit zwei Jahren betreibt Ex-Rapper Müller von Manhattan aus die lukrative, weltweit tätige Internetfirma JFax.com.

Deren Wirken gründet auf einer so simplen wie überzeugenden Idee: Faxe und Telefonanrufe werden in E-Mails umgewandelt und via Internet dem Empfänger weltweit nachgeschickt.

In der Ecke von Müllers düsterem Büro im East Village, dem südöstlichen Stadtteil Manhattans, steht ein Rollbrett. An der Wand hängen vergilbte DDR-Poster. «Friedensaufgebot der FDJ» oder «Für den Frieden lernen und arbeiten» propagieren darauf fette Buchstaben. Schwarzrotgold zeigen einige Zirkel und Hammer sowie den ehemaligen SED-Chef Erich Honecker.

Blond und ungewaschen lässt der Jungunternehmer das strähnige Haar auf den hageren Nacken fallen. Die dünnen Beine hüllt er in zerrissene Jeans. Nirgendwo Glamour. Er ähnelt dem allzu kitschig geratenen Klischee vom gescheiterten und schüchternen Rockstar aus dem Osten, spricht aber eloquent wie ein hoch bezahlter Topmanager, dem Wallstreet-Investoren täglich die Türe einrennen.

«Genau das machen die», sagt Müller. Multinationale Firmen wie AT&T, Microsoft oder Time Warner hätten gerne ein Stück JFax. «Alle Grossen der Kommunikationsbranche haben uns schon mindestens einmal ein Übernahmeangebot unterbreitet», sagt der redselige Twen Müller. Bevor sich AT&T und TCI letzten Monat zum Kommunikationsriesen zusammenschlossen, sprachen sie bei Müller vor. Sie wollten ihn ins Gesamtpaket einbinden. Doch Müller winkte ab. Vorerst.

Auf 400 Millionen Dollar wird der Marktwert von JFax geschätzt. Das amerikanische Wirtschaftsmagazin «For- tune» zählt die Firma zu den derzeit begehrtesten Internetunternehmungen. Ginge JFax an die Börse, würden deren Wertpapiere wohl für über eine Milliarde Dollar verkauft.

Dabei startete der smarte Ossi JFax.com aus purem Eigensinn. Der Musiker nervte sich über abhanden geratene Nachrichten. Als er 1994 durch England und später durch die USA tourte, verpassten ihn etliche Fernkopien und Telefongespräche. Seine Sekretärin war zeitweilig am Rande des Nervenzusammenbruchs, weil sie zum Missfallen Müllers Konzertveranstaltern oder Journalisten ständig Faxnummern von Hotels hinterliess, die der Musiker längst verlassen hatte.

«Zuverlässig kamen nur E-Mails an», sagt Müller. Darauf liess er ein Programm entwickeln, das Faxe und Stimmen in E-Mails umwandelte. Im Juni 1996 gründete er in New York JFax.com.

Seither betreibt Müller für eine geheim gehaltene Anzahl Kunden weltweit virtuelle Büros. Wer will, kann in Amsterdam, Sydney oder Zürich eine lokale Nummer mit Fax und Telefonbeantworter unterhalten. Innert zehn Minuten werden die dorthin geschickten Faxe und Nachrichten in digitale Dokumente umgewandelt und an jede gewünschte E-Mail-Adresse versandt. Der Empfänger kann die Fernkopien drucken oder auf der Festplatte papierlos ablegen. Die gesprochene Nachricht – maximal zwei Minuten – geben die Lautsprecher des Computers wieder. Monatlich 12,5 Dollar ersetzen in derzeit 48 Städten die Sekretärin.

75 Festangestellte bedienen Kleinunternehmen und Einzelpersonen. Ein Hauptkunde sei die US-Regierung. Für Armee und Justizdepartement spediert JFax Nachrichten.

Im vergangenen Jahr schloss der Manager einträgliche Partnerschaftsverträge mit dem weltweit grössten Internetprovider America Online, mit der am häufigsten auf- gesuchten Internetgemeinde Yahoo! und dem E-Mail- Programm-Hersteller Eudora. America Online und Yahoo! platzieren nun das JFax-Logo exklusiv auf ihren Sites. Als Gegenwert trat Müller einen Aktienanteil seiner Firma ab.

Denn: Er möchte etwas weniger arbeiten und eine Platte aufnehmen. «Jetzt kann ichs mir ja leisten.»