Interview: Peter Hossli
Mister Stoll, Sie gehören zu den erbittertsten Internet-Kritikern. Was ist so schlecht am Netz?
Clifford Stoll: Ich mag Computer. Ich verachte bloss die Kultur der Computer. Wer nicht surft, wird gesagt, sei kein lebensfähiger Mensch. Das Datennetz wird als Werkzeug des Fortschritts bezeichnet. Nur wer vernetzt sei, habe noch eine Zukunft. Das ist eine Lüge.
Die US-Wirtschaft boomt doch, weil die Amerikaner das Netz so mühelos nutzen können.
Stoll: Falsch. Die US-Wirtschaft war robust lange vor dem Internet.
Heute ist das Netz für den Erfolg der US-Wirtschaft aber unabdingbar.
Stoll: Es werden dort kaum Geschäfte abgewickelt, geschweige denn angeregt.
Web-Theoretiker sagen: Mit Internet werde man schnell reich.
Stoll: Es gibt niemanden, der in absehbarer Zukunft mit Internet auch nur einen Bruchteil dessen verdient, was er investiert. Tausende von Firmen verkaufen im Netz Dinge, die niemand will. Was man braucht, kauft man im Lebensmittelgeschäft. Autos kann man nicht per Modem auf die Festplatte laden.
Informationen gibts zu kaufen.
Stoll: Nur wenige Leute sind bereit, auch dafür etwas zu zahlen. Die meisten sagen sich: «Ich habe viel zu viele Informationen. Ich will weniger.»
Mit Informationen hat man Zugang zur Welt. Das verschafft Gehör.
Stoll: Das Internet ist ein Ort, wo Millionen von Menschen laut um sich schreien, aber niemand zuhört. Eine Kakofonie. Das Internet verhindert Demokratie. Statt mit Nachbarn über Probleme im Dorf zu sprechen, vergeuden die Leute ihre Zeit im Netz, um mit Fremden Banalitäten auszustauschen.
Dafür erweitert das Internet den Wissenshorizont.
Stoll: Wissen? Im Internet existieren nur Daten, Bites und Bytes und Zahlen. Es braucht richtige Lehrer, damit aus Daten Informationen und Wissen werden.
Dann können Lehrer mit Hilfe des Internets unterrichten?
Stoll: Sie lehren: «Lese keine Bücher, gehe nicht in Bibliotheken, frage keinen Freund. Aber: Höre auf die Maschine, denke nicht.» Nur einfältige Lehrer setzen das Netz ein. Es ist schmerzvoll, im Internet zu lesen. Nach drei Seiten klickt man auf eines der vielen Bildchen. Das Web ist eine Einöde banaler Unterhaltung.
Dafür spare ich Geld.
Stoll: Wirklich? Unser Gespräch am Telefon kostet Sie etwa 20 Dollar. Wenn Sie mir ein E-Mail schreiben müssten, dass ich Ihnen beantworte, so arbeiten wir je eine Stunde daran. Das wäre teurer. Mit E-Mail spart man die Auslagen für Papier und Briefmarken. Dafür brauchts einen Computer, ein Modem, eine Telefonleitung, ein Netzkonto. Rechnen Sie.
Wie sieht die Zukunft aus?
Stoll: Das Internet wird noch mehr Zeit vergeuden und traditionelle Wirtschaftsformen zerstören. Es isoliert. Nichts ist einsamer als ein Bildschirm. Das Internet der Zukunft ist wie das Fernsehen von heute: Kaugummi für das Hirn.
Clifford Stoll, 47, ist Astrophysiker und Autor des Buches «Die Wüste Internet – Geisterfahrten auf der Datenautobahn». Stoll war einer der Pioniere des Internets. Er lebt in Oakland, Kalifornien.