Geschenktipps vom Geheimagenten 007

Auch im neusten Film «Tomorrow Never Dies» rettet James Bond die Welt. Viel wichtiger ist aber, welche Markenartikel er mit welchem Erfolg anpreist.

Von Peter Hossli

Wer beabsichtigt, heldenhaft die Welt zu retten, kauft mit Vorteil markenbewusst. Zielstrebig hantiert etwa Geheimagent James Bond mit Artikeln, die jetzt, rechtzeitig aufs Weihnachtsgeschäft, in jedem anständigen Warenhaus aufliegen.

Mit einem Handy, gefertigt von Ericsson, gekleidet in einen schicken Massanzug von Brioni, entspannt von einer Flasche kräftigen Smirnoff-Wodkas, weist er alles und jeden in die Schranken: atomare Sprengkörper, machthungrige Medienmoguln, deutsche Bodyguards.

Am Schluss des neusten Bond-Films «Tomorrow Never Dies», ab nächster Woche überall in den Kinos, präsentiert sich die einst bedrohte Welt wieder als sicherer Ort. Natürlich, weil 007 die Bartstoppeln mit einem Nassrasierer von Wilkinson stutzt, die Sinne mit Klängen aus Bang-&-Olufsen-Lautsprechern erheitert, gut sichtbar einen klotzigen, rund 150 000 Franken teuren BMW 750iL bei Avis mietet und durch Hamburg lenkt, mit einem Töff selben Herstellers in Vietnams Ho-Chi-Minh-Stadt Terroristen enteilt und mit einer Omega-Armbanduhr eine Handgranate fernzündet.

Bond, einst angetreten, im Dienst ihrer Majestät den Kommunismus einzudämmen, hausiert im Dienste der Konsumgüterindustrie, ist zugleich Autoverkäufer und Elektrowarenhändler.

Die Lizenz zum Töten trägt er zwar noch. Hauptsächlich vergibt er aber Lizenzen zum Werben. Neun weltweit bekannte Markenartikel rückte «Tomorrow Never Dies»-Regisseur Roger Spottiswoode in bestes Licht. Mehrere hundert national und international operierende Firmen verzieren ihre Produkte mit dem Bond-Logo. In der Schweiz etwa grinst James Bond den Kaffeetrinkern von 40 Millionen Kaffeerahmdeckeli ins Gesicht.

Für die Bond-Macher ein ausgezeichnetes Geschäft. «Tomorrow Never Dies» kostete sie rund 155 Millionen Franken. Ein Drittel bezahlten jene Firmen, mit deren Produkten Bond-Darsteller Pierce Brosnan im Film Serienkiller um- und Bond-Girls flachlegt oder Tresore öffnet.

Zusätzlich zu den Barüberweisungen übernehmen diese «Schlüsselpartner» den grössten Teil des Bond-Werbeetats.

«Cross promotion» heisst derzeit das Zauberwort der Unterhaltungsindustrie. Dabei erzielen alle beteiligten Partner einen enormen Werbenutzen – ohne dass Geld fliesst. Das geht so: Der Fertiger von Konsumartikeln kreiert – und bezahlt – TV- und Radiospots, Zeitungsanzeigen oder Angebote im Internet. Darin werden seine im Film gezeigten Produkte in Verbindung mit James Bond oder dem Agentenmimen Brosnan gezeigt.

Statt ein Auto in der Toskana oder auf finnischem Schnee abzulichten, verwenden die bayrischen Autobauer BMW in ihren Werbespots Szenen aus «Tomorrow Never Dies». Perfekte Synergien: Die Filmer liefern Kreativität und Inhalte, die Werbewirtschaft Geld und Vermarktungsstrategien.

«Enorm gestiegen» seien die Preise seit dem weltweiten Erfolg des letzten Bondfilms «GoldenEye», sagt der Chef der grössten Schweizer Filmmarketing-Firma Take Two Publicity, Martin Stucki. Der Film spielte im Kino 350 Millionen Dollar ein, Bond-Rekord.

Um bei «Tomorrow Never Dies» dabei zu sein, mussten Autobauer, Handy-Fertiger oder Champagner-Firmen rund 50 Prozent mehr aufwerfen als bei «GoldenEye». Wer wie viel bezahlte, bleibt ein Geheimnis. Allein für indirekte Werbung geben die Bond-Partner aber weit über hundert Millionen Dollar aus.

Wer so viel zahlt, hat auch was zu sagen. Gerne sind die Firmen bereit, die massgeschneiderten Geschichten mitzuschreiben. Liegt eine erste, grobe Drehbuchidee auf dem Tisch, schalten sich die Werber ein. Autoren und Ingenieure werkeln dann an produktegerechten Szenen und filmgerechten Produkten.

Mit oft verblüffenden Resultaten: Unter Wasser kommt im neuen Bond eine wasserdichte Uhr zur Geltung. Ein Mobiltelefon, das ein Auto fernsteuern kann, strotzt vor Innovation. Ein BMW, dessen platte Reifen sich selbst aufblasen, verspricht Fahrvergnügen.

Eine Geschichte, in der sich Figuren entwickeln oder Überraschungen möglich sind, wird nicht erzählt. Hier jagen sich kühn inszenierte Werbesequenzen.

Dramaturgie, bestimmt durch den Produkteeinsatz. «Man kann schon Einfluss nehmen», sagt dazu die Pressesprecherin von Omega. «Genau abgestimmt» worden sei das Drehbuch auf einen möglichst perfekten Einsatz der BMW-Luxuskarosse, sagt der Marketingleiter von BMW Schweiz.

Auf Kosten der Spannung. «Viel zu lange», sei die Verfolgungsjagd durch Saigon ausgefallen, sagt der Zürcher Filmwissenschaftler Beat Käslin. Kaum Zufall: In Südvietnam fährt Bond auf einem gut sichtbaren BMW-Motorrad. «Für die Entwicklung der Geschichte macht die Überlänge solcher Szenen überhaupt keinen Sinn», sagt Experte Käslin. Nur die Töfffans wirds freuen.

Die Zusammenarbeit von Konsum- und Unterhaltungsindustrie funktioniert perfekt, zur Zufriedenheit aller. Zwar murren die Künstler des Filmgewerbes, doch sie wissen: ohne Werbegeld multinationaler Firmen keine Populärkultur. Die Multis wissen: ohne Populärkultur keine globalen Werbeflächen.

Die Bilderfabrikanten brauchen das Geld der Industrie dringend. Nimmersatte Stars, teure Spezialeffekte und horrende Marketing-Budgets haben in Hollywood in den neunziger Jahren eine gewaltige Kostenspirale ausgelöst. 60 Millionen Dollar verschlingt heute ein durchschnittlicher Film, mehr als doppelt so viel wie noch vor zehn Jahren. Zwanzig Filme pro Jahr kosten mehr als 100 Millionen Dollar. Eben gelangte in den USA das Untergangsdrama «Titanic» in die Kinos, mit einem Budget von 285 Millionen Dollar der teuerste Film aller Zeiten. «Ein Ende der Kostenspirale ist nicht absehbar», schrieb unlängst das Branchenblatt «Variety».

Selbst mittelmässige Schauspieler verlangen heute Gagen in Millionenhöhe. Topstars wie Arnold Schwarzenegger, Tom Cruise oder Harrison Ford kassieren 25 Millionen Dollar pro Auftritt, plus Gewinnbeteiligung. Die Kreativen hinter der Kamera – Regisseure, Drehbuchautoren, selbst Komponisten – lassen sich ihre Arbeit fürstlicher als früher entlöhnen: Pro Skript müssen schon mal drei Millionen Dollar bezahlt werden, ein zweitklassiger Regisseur kassiert oft mehr als zwei Millionen Dollar für einen Film.

Noch stärker gestiegen sind die Marketing-Kosten. Immer mehr Filme buhlen um die Aufmerksamkeit des schwindenden Publikums. Im vergangenen Sommer liefen in den USA rund 110 Spielfilme an, im Weihnachtsmonat Dezember werden es noch einmal 100 sein. Um sich erst Gehör zu verschaffen, lautet in Hollywood die Faustregel, muss nochmals dieselbe Summe fürs Marketing aufgebracht werden, die der Film bereits gekostet hat. Verschlang die Produktion von «Tomorrow Never Dies» rund 100 Millionen Dollar, dürften die Werber zusätzliche 100 Millionen ausgeben.

Hier springt die Industrie ein. Mit Merchandising-Artikeln erhöhen Firmen, die ihre Produkte in Filmen lukrativ platzieren, den Gesamtumsatz. Gut verkäuflich sind etwa Plüschpuppen des Trickfilmriesen Disney. Mit kombinierten Werbekampagnen entlastet die Industrie die horrenden Marketing-Kosten für einen Film. Schätzungsweise 50 Millionen Franken lässt sich Autogigant BMW die Werbekampagne für das Bond-Auto und den Bond-Töff kosten. Die bayrischen Motorenbauer werben mit Filmausschnitten, was beiden Partnern hilft: Der Film kommt zu Gratiswerbung, Auto und Töff werden von einem Millionenpublikum im Kino und in TV-Spots beachtet.

Den bis anhin aufwendigsten Cross-promotion-Vertrag schlossen letzten Winter «Star Wars»-Schöpfer George Lucas und Pepsi. Rund zwei Milliarden Werbedollar wirft Getränkehändler Pepsi in den nächsten drei Jahren auf, um die «Star Wars»-Serie zu bewerben.

Gerne legen die Partner den Premieren-Termin eines Films fest. Öfter richtet er sich nach den voll gestopften Marketing-Kalendern der Unternehmungen. Passt eine Kampagne nicht ins Jahreskonzept einer Firma, wird ein Start schon mal verlegt. Bei Bond ist das etwas anders. Hier richtet sich der Filmstart nach den Konsumgewohnheiten der Kinogänger. Omega, Ericsson, Smirnoff oder Kleiderfabrikant Brioni zeigten besonderes Interesse, «Tomorrow Never Dies» kurz vor Weihnachten zu starten. Dann sitzt das Geld lockerer, ist jeder froh, in TV-Spots oder im Kino originelle Geschenkideen zu entdecken. Die meisten Bond-Kampagnen beginnen bereits mehrere Wochen vor dem Filmstart, früh genug, damit die von Bond genutzten Produkte den Weg unter den Christbaum finden.

Weihnachten ist überall das Fest des Gebens, selbst an Orten, wo das Christkind nicht kommt. Die Welt funktioniert und denkt global, auch in der Kulturindustrie. Amerikanische Populärkultur – Film, Rock ‘n’ Roll, Comicfiguren – gelangt dank Satellitentechnik, Internet und Werbung von Hollywood und New York bis in die höchsten Hochebenen der Anden. Überall transportieren fiktive Helden wie James Bond oder Disneys Herkules sowie reale Halbgötter wie Michael Jackson positive Lebensgefühle, die zum Verkauf anregen.

Diese Globalisierung ruft nach globalen Lancierungs-Strategien. Da alle Informationen überall gleichzeitig zugänglich sind, Werbeagenturen nicht nur nationale, sondern globale Kampagnen starten, erzielt am meisten Umsatz, wer überall gleichzeitig im Markt präsent ist.

Mit «Tomorrow Never Dies» gelangt erstmals ein Film weltweit zum selben Zeitpunkt in die Kinos. Von Dietikon bis Buenos Aires, von Paris, Texas, bis Bamako, Mali. Mehr als 4500 Kopien rattern ab nächster Woche durch die Projektoren. Weltrekord. In der Schweiz spielen ein Viertel aller Kinos den Film. 101 Kopien im Einsatz. Schweizer Rekord.