Von Peter Hossli
Er spielte Moses, Cäsar, Ben-Hur, Buffalo Bill und Michelangelo. Kein anderer Mime verkörperte heldenhafter die grossen Figuren des US-Kinos. Charlton Heston, 73, ist der Inbegriff des siegreichen Amerika. 1924 als Charles Carter in der Nähe von Chicago geboren, startete er seine Leinwandkarriere 1941. Während des Zweiten Weltkriegs diente er in der Armee. 1946 begann Heston als Model, später war er stets erste Wahl, wenn es darum ging, historische oder gar biblische Figuren zu besetzen. Er gab Jefferson, Johannes den Täufer oder Richelieu. Am bekanntesten blieb seine stark homoerotisch gezeichnete Rolle als Ben-Hur. Heston ist Mitglied der Republikanischen Partei und gilt als sehr konservativ.
Mister Heston, letzte Woche wurden sie Präsident der National Rifle Association (NRA), der ultrakonservativen Waffenlobby Amerikas.
Charlton Heston: Das ist falsch. Ich bin Vizepräsident der NRA geworden.
Gut. Die NRA verherrlicht Schusswaffen und setzt sich dafür ein, dass jeder Amerikaner eine Pistole oder ein Gewehr auf sich tragen darf. Warum machen Sie sich dafür stark?
Heston: Die NRA kämpft für das Einhalten der Bürgerrechte. Lange bevor es zum guten Ton eines Hollywoodschauspielers gehörte, habe ich mich für solche Vereinigungen eingesetzt. Ich diente drei Präsidenten und habe für verschiedene Abteilungen der US-Armee gearbeitet.
Die NRA ist wegen ihrer konservativen Ausrichtung sehr umstritten.
Heston: Nicht in den USA. Hier glauben alle daran, Waffentragen sei ein Grundrecht. Die weisen Männer, die vor über zweihundert Jahren unser Land gegründet hatten, brachten mit der US-Verfassung und der Bill of Rights zwei wunderbare Schriftstücke hervor. Die Aufgabe der Bill of Rights besteht einzig und allein darin, Privatbürger vor Eingriffen der Regierung zu schützen. Der zweite Artikel garantiert den Anspruch auf eine Waffe.
Waffen erzeugen doch Gewalt. Die Republikanische Partei, der Sie angehören, bekämpft Gewalt vehement.
Heston: Was? Die Republikanische Partei bekämpft Gewalt?
Während seiner Präsidentschaftskandidatur klagte Bob Dole Hollywood an, die Filmindustrie verherrliche Gewalt zu sehr. Er bezichtigte die Medien der Schuld an der Gewalt auf der Strasse. Ohne Waffen gibt es keine Gewalt.
Heston: Das glauben Sie wirklich?
Ich gehe davon aus.
Heston: Es ist falsch. Die grösste Käufergruppe von Handfeuerwaffen sind allein stehende Frauen. Wissen Sie warum? Allein stehende Frauen wollen nicht überfallen werden. Mit einer Waffe im Haus fühlen sie sich sicher. Seit der Waffenverkauf wieder angestiegen ist, sinkt die Kriminalitätsrate rapide.
Wenn jeder ein Waffe trägt, gibt es demnach keine Verbrechen mehr.
Heston: Es wird immer Menschen geben, die mit Waffen Schaden anrichten. Diese Leute gehören ins Gefängnis.
Bis 1964 unterstützten Sie die demokratische Partei. Seither gelten Sie als konservativer Republikaner. Warum haben Sie sich verändert?
Heston: Ich habe mich nicht verändert. Die demokratische Partei hat sich verändert. Sie ist scharf nach links abgedriftet – ohne mich um Erlaubnis zu fragen. John F. Kennedy würde heute nicht mehr als Präsidentschaftskandidat aufgestellt werden. Seine forsche Aussenpolitik wäre den Demokraten zu resolut.
Sie sind Mitglied von verschiedenen politischen Organisationen. Warum gilt Ihre Stimme im öffentlichen Leben der USA als unantastbar?
Heston: Ich habe Moses gespielt. Seither werde ich respektiert. Zusätzlich habe ich viele Freunde im Weissen Haus.
Jetzt spielen Sie eine Nebenrolle in Kenneth Branaghs vierstündigem Shakespeare-Film «Hamlet». Warum?
Heston: Man soll nie eine Chance auslassen, für den Gentleman Walzer zu tanzen. Shakespeare ist der beste Drehbuchautor aller Zeiten. Für ihn würde ich jederzeit auf die Bühne steigen oder vor eine Filmkamera treten.
Waren Sie nicht enttäuscht, als Branagh Ihnen bloss die Rolle des Königs im Theaterstück anbot?
Heston: Anfänglich schon. Ich sagte ihm: «Der König im Theaterstück ist eine zu kleine Rolle für mich.» Worauf der Regisseur antwortete: «Ich drehe den vollständigen «Hamlet». Dein Part ist gross genug.» Dann sagte ich zu.
Shakespeare erlebte eine Renaissance im Kino. Warum?
Heston: Die Produzenten wissen, dass jeder Schauspieler bereit ist, ohne Gage Shakespeare zu spielen.
Der US-Schauspieler Al Pacino ging in seinem Film «Looking for Richard» äusserst spielerisch mit dem Drama «Richard III.» um. Ist das zulässig?
Heston: Pacino hätte sich auf das Theaterstück konzentrieren sollen. Stattdessen drehte er eine Art Dokumentation.
Pacino wollte Shakespeare unters Volk bringen.
Heston: Wenn er das sagt, ist das seine Sache. Er verunglimpfte Shakespeare.
Was halten Sie denn von Baz Luhrmanns «Romeo + Juliet», eine MTV-artige Annäherung an Shakespeare?
Heston: Der Film ist annehmbar. Ich halte es aber für einen Fehler, die Geschichte von Verona nach Miami zu verlegen. Man merkte den jungen Schauspielern an, dass sie nie zuvor Shakespeare-Verse vorgesprochen haben.
Gore Vidal, einer der Drehbuchautoren von «Ben-Hur», sagte, er habe damals die Filmfreundschaft zwischen Ben-Hur und Messala als eine homosexuelle Beziehung dargestellt.
Heston: Trauriger, alter Gore. Er kann es nicht lassen. Warum sagte er das nicht, als er das Drehbuch einreichte?
Er wollte wohl nicht, dass Sie es erfahren.
Heston: Wir lasen damals das Drehbuch. Und niemand hatte das Gefühl, hier sei eine homosexuelle Geschichte verpackt. Ich kenne Gore Vidal. Er ist kein sehr angenehmer Mann.
Hat ein Schauspieler einmal den «Hamlet» gemacht, ist er meistens auf dem Höhepunkt seiner Karriere. Was folgt bei Ihnen noch?
Heston: Diesen Sommer drehe ich einen Western.
Auf richtigen Pferden werden Sie dann wohl nicht mehr sitzen?
Heston: Warum? Vor zwei Jahren habe ich die Hüften gebrochen. Heute spiele ich schon wieder Tennis. Ich bin ein starker Mann.