Hollywoods Vietnam-Feldzug

Vor 20 Jahren fiel Saigon. Seither versucht der US-Film zu schönen, was die Medien verschuldet haben sollen: die Niederlage.

Von Peter Hossli

Die Sequenz ist ein Kunstwerk der Moderne, eine Ikonensammlung der Popkultur: Grün-schwarze Huey-Helikopter attackieren, virtuos choreografiert zu Wagners Walküre, ein Dorf im nord vietnamesischen Dschungel. Robert Duvall, eine kubanische Zigarre rauchend, seine Glatze unter einem breiten Südstaatenhut versteckend, beordert eine Gruppe G.I.s zum Wellenritt auf dem Surfbrett. Hinter der Küstenlinie explodieren Bomben, verbrennen Dörfer, schreien Kinder. Auf der Tonspur setzt Mick Jagger zu einer Rockhymne an. – Faszinierend-beängstigende Ästhetik des Todes, inszeniert von Francis Ford Coppola.

Vier Jahre nach Kriegsende schuf er mit «Apocalypse Now» den eindringlichsten aller Vietnamfilme. Ihm folgten bis heute immer neue Bilderstreifen, in denen der Krieg in Südostasien wiederholt geführt wird. Ohne dass ihn die USA je explizit verlieren würden.

Eine ganze Nation versucht so, jenes Ereignis zu überwinden, das sie wie kein anderes in tiefe Selbstzweifel gestürzt hat. Mit den geschönten Vietnamfilmen lässt sich die nie akzeptierte historische Realität fortdauernd verdrängen. Die Fiktion tritt an Stelle der Geschichte.

Bereits zwischen 1968 und 1975 war der Vietnamkrieg ein visuelles Grossereignis, ein tragisches Seriendrama, das während Tausenden von Nächten über die Fernsehschirme flimmerte. Nachrichtenbilder mit sterbenden All-American-Boys drangen abgrundtief ins amerikanische Bewusstsein.

Keinen Krieg zuvor und keinen danach konnte man dank dem Fernsehen derart direkt und derart ungeschminkt verfolgen. Die Militärs schoben denn auch den Medien die Schuld für die bittere Niederlage zu.

Im Kino sollte dies anders werden. Die vier bekanntesten Vietnamfilme – «The Deer Hunter» (1978), «Apocalypse Now» (1979), «Platoon» (1986) und «Full Metal Jacket» (1987) – entstanden Jahre nach dem Abzug der amerikanischen Soldaten aus Vietnam. Furchtlos durften darin titanenhafte Märchenfiguren mit logistischer und beratender Unterstützung der US-Armee den Krieg nochmals führen – und zumindest das Gesicht wahren.

Die Gegner der USA kommen darin kaum vor. Im Zentrum stehen die 50 000 toten Amerikaner, nie allerdings die zwei Millionen Vietnamesinnen und Vietnamesen, die ebenfalls ums Leben kamen.

Sind vietnamesische Menschen dennoch auf der Leinwand zu sehen, so sind es meist Frauen: Exotisch gezeichnete Asiatinnen, reduziert auf ihre sexuellen Reize, bezirzen amerikanische Soldaten, locken sie in Hinterhöfe und erdolchen sie. Vietnamesinnen tragen, wie in «Platoon» von Oliver Stone, Bomben in startende Hubschrauber. Scharfschützinnen erschiessen, wie in «Full Metal Jacket» von Stanley Kubrick, amerikanische Soldaten aus dem Hinterhalt.

Die Feminisierung des Feindes ist eine geradezu hysterische Reaktion der geschockten amerikanischen Männer- Psyche. Sie hat es nie verkraftet, dass die physisch klei neren und technisch unter legenen Vietnamesen die hypermaskulinen, hypertechnologisierten Amerikaner militärisch besiegen konnten.

Unlängst wurde das Hollywood-Drama «Forrest Gump», welches die Ereignisse in Südostasien einmal mehr banalisiert, mehrfach mit Oscars dekoriert.

Auf der Leinwand wird der Vietnamkrieg – trotz der behutsamen Annäherung der beiden direktbeteiligten Länder – nie wirklich ein Ende finden.