«Die Situation ist untragbar»

Sonntagsblick bat Fifa-Präsident Sepp Blatter um ein Interview zu den prekären Arbeitsbedingungen in Katar – die Fifa lehnte ab. Danach schriftlich ­eingereichte Fragen beantwortete die Fifa mit Aussagen, die Blatter in den letzten Tagen zu Katar gemacht hat.

Von Peter Hossli

blatterHerr Blatter, Amnesty International klagt, Bauten in Katar würden unter Sklaverei-ähnlichen Bedingungen errichtet. Was tun Sie dagegen?
Sepp Blatter: Die Fifa ist natürlich besorgt über die Zustände in Katar. Wirtschaft und Politik müssen mithelfen, die untrag­bare Situation zu verbessern. Wir müssen in Katar rasch, konsequent und nachhaltig die Kern­arbeitsnormen der Internationalen Arbeitsorganisation einführen. Besonderes Augenmerk gilt den erforderlichen Inspektionen.

Was tut die Fifa konkret?
Die Fifa ist bereit, mit allen zuständigen Stellen und Behörden zusammenzuarbeiten, um die Probleme zu bekämpfen und ­sicherzustellen, dass der Schutz der Gastarbeiter weiterhin ganz oben auf der Tagesordnung steht.

Was müsste sich in Katar ändern?
Katar muss sich diesem Problem ­annehmen, und ich bin überzeugt, dass Katar die Situation sehr ernst nimmt. Es wurden bereits geeignete Massnahmen eingeleitet. Die ­Arbeitsgesetze werden überarbeitet, und diese Überarbeitung hat bereits begonnen.

Wie wichtig ist für die Fifa die Einhaltung der Menschenrechte?
Allein die Diskussion über Katar zeigt, wie wichtig der Fussball sein kann, um Öffentlichkeit zu erzeugen und dadurch Veränderungen anzustossen. Letztlich kann es nur eine Lösung geben, nämlich gemeinsam mit Katar und der Fifa zum Wohle der WM zusammenzuarbeiten. Auf der einen Seite der Fussball und auf der anderen das Wohl des Landes.

Wie kann die Fifa die Regierung von Katar dazu bringen, damit sich die Situation verbessert?
Viele Leute sind hier verantwortlich – auch Firmen aus Europa, speziell Deutschland und Frankreich. Auch europäische Politiker und Regierungen sollten ihre Meinung äussern. Es ist zu einfach, alles auf die Verantwortung der Fifa zu schieben. Wir dürfen nicht vergessen, dass grosse europäische Unternehmen dort arbeiten, und diese sind für ihre Arbeiter verantwortlich. Man darf nicht vergessen, dass zum Beispiel Frankreich und Deutschland, Länder die in Europa federführend sind, Druck gemacht ­haben, dass dieses Turnier in Katar stattfindet.

Amnesty International erwartet von der Fifa einen konkreten Plan zur Verbesserung der Situation. Bis wann können Sie einen solchen vorlegen?
Wir werden die Entwicklung bis im März beobachten. Dann werde ich dem Exekutivkomitee wieder rapportieren. Ich werde dem Komitee schon an der Sitzung in Brasilien am 4./5. Dezember über die Diskussionen berichten, die wir hatten.

Bis zur WM 2022 geht es noch lang. Amnesty International befürchtet, die Fifa verdränge derzeit das Problem. Die Turniere in Brasilien und Russland hätten vorerst Priorität.
Wir stehen in engem Kontakt mit Amnesty International. Ich bin nach Katar gereist, um die andere Seite der Geschichte zu hören. Katar hat einen Zehn-Punkte-Plan entwickelt, um die Situation im Land zu kontrollieren. Die WM ist erst in neun Jahren, doch die Probleme müssen jetzt angegangen werden. Wir sind nicht für die Gesetze verantwortlich, aber wir sind sehr ­zufrieden damit, dass sie ergänzt und angepasst werden. Ich freue mich, dass die WM in diesem Land ein Katalysator für andere Länder sein kann, wenn es um die Organisation von Sportveranstaltungen und die Verbesserung der sozialen Situation geht. Auch das gehört zum Vermächtnis.