Gar nichts für Männer

Von Peter Hossli

Stuart Weitzman ähnelt mehr einem adrett gekleideten Universitätsprofessor als dem erfolgreichsten Schuhmacher Amerikas. Höchstpersönlich stellt der 59-Jährige, der ein 150-Millionen-Dollar-Unternehmen führt, an diesem kühlen Donnerstag im New Yorker Warenhaus Bloomingdale’s seine Frühlingskreationen vor und hilft manch betuchter Upper-East-Side-Lady in Pumps oder Sandalen. «Ich liebe die Frauen», sagt er. «Alle Frauen.»

Aus Liebe zu den Frauen fertigt der Mann Schuhe und nicht Roben. 99 Prozent der Kleider, die dürre Modells allwöchentlich in bunten Modepostillen vorführen, würden kommune Frauen quälen und nicht mal zu deren Vorteil. Schöne Füsse hätte jede Frau, sagt Weitzman. Für die kreiere er angenehme und gut aussehende Schuhe. «Der Schuh ist eines der wenigen Kleidungsstücke, das zum Sexsymbol taugt, ohne sexistisch zu sein», sagt der seit 33 Jahren mit derselben Frau verheiratete Top-Designer. Nächste Woche eröffnet der selbst ernannte Schuh-Fetischist in persona sein erstes Geschäft in Europa, eine exklusive Boutique in Zürich. Zu haben sind darin dessen alljährlich rund 300 verschiedenen, meist luxuriösen Schöpfungen.

In die Schweiz expandiert der Edelschuster, weil «das Land weltoffen und begütert» sei, sagt Weitzman. «Wir verkaufen kostspielige Produkte. Viele Zürcherinnen können sich das leisten.» Weit wichtiger: Er benötigt dringend eine neue Schweizer Verkaufsstätte. Jahrelang vertrieb das alteingesessene Schuhhaus Bally die amerikanischen Schuhe, «sehr erfolgreich», sagt der Designer. Mit dessen neuem US-Besitzer, der Texas Pacific, konnte er sich nicht einigen.

Selbst Veganerinnen werden bei Weitzman glücklich

Hip und gleichzeitig klassisch, beschreibt das Magazin «Elle» Weitzmans Schuhwerk. Verschrieben hat er sich dem hochanständigen und eher braven Prinzip: Funktion vor Form. «Ein Schuh ist nur dann schön, wenn er so gut sitzt, wie er ausschaut.» Schliesslich will keine Frau für 1200 Dollar das Schuhpaar Blasen an den Füssen kriegen. Denen beugt der Chef mit dem Einsatz neuartiger, verträglicher Materialien vor.

Auch Veganerinnen, die selbst an ihrem Beinende strikt auf Tierisches, also Leder oder Fell, verzichten, finden beim netten Maestro entsprechende Kreationen – aus Bambus, Teflon, Kork, Plastik, Gore-Tex oder 24-karätigem Gold. Über Design redet er knapp. «Alles, was verkauft wird, ist Design», sagt er. Echte Innovation geschehe ohnehin eher bei der Technologie und dem Material als den Entwürfen. «Statt Mode gibts bloss noch Trends, die rasch verwelken.»

Eine Zugstunde von Manhattan entfernt bewohnt Stuart Weitzman im beschaulichen Nobeldorf Greenwich, Connecticut, ein 11-Zimmer-Haus. Man findet ihn im Telefonbuch. Die Familie – ein Idyll. Um die Hand von Gattin Jane hielt er einst mit einem eigenhändig fabrizierten Paar Schuhe an. Die zwei erwachsenen Töchter rüsten sich fürs elterliche Geschäft. Das laufe dank Börsenboom und Internet-Millionärsschwemme derzeit bestens. «Es sind blendende Zeiten, Luxus-Unternehmer zu sein.»

Weitzman Inc. – 1986 gegründet – ist ein Riese geworden. Innert zehn Jahren verzehnfachte sich dessen Umsatz. Rund 1100 Angestellte fertigen in zehn spanischen Fabriken jährlich zwei Millionen Paar Schuhe. Unlängst kamen Handtaschen hinzu. Die erlesene Ware vertreibt er in 45 Ländern, meist in exquisiten Kaufhäusern. Läden betreibt er in den USA, Kuala Lumpur, Dubai und nun in Zürich.

Um die Füsse der Kinogöttinnen weibelte Weitzman sechs Tage

Dazu das Internet. Die Web-Site stuartweitzman.com wurde eben vom amerikanischen Schuhverkäuferverband zur besten Schuh-Site Amerikas erkoren. Kundinnen finden Informationen über Schnitte und Material. Der Mausklick erledigt den Einkauf. Konkurrenz fürchtet Weitzman nicht. «Der grösste Konkurrent ist der Gatte, der seiner Frau bestellt, sie solle kein zusätzliches Paar kaufen.»

Der Patron gestaltet und vermarktet vor allem. Vergangene Woche feierte sich Hollywood und vergab Oscars. Für Modeschöpfer ein zentrales Ereignis. Alle bangen, welcher Star wohl was trägt. Stuart Weitzman weibelte sechs Tage um die Füsse der Kinogöttinnen. «Nichts bringt mehr Öffentlichkeit als ein Star, der unsere Schuhe an der Oscar-Show trägt.» Umsatz sei mit Prominenz zwar nicht viel zu machen. Aber: «Die Medien vermeldens.» Schon etlichen Stars zog er Sandaletten und Slings an. Glamourkönigin Elizabeth Taylor und Popperin Paula Abdul heirateten sogar darin. «Sie behielt die Schuhe, er das Haus», vermutete er, nachdem Abduls Ehe mit Schauspieler Emilo Estevez scheiterte. Kim Basinger holte in Weitzman-Pumps aus Satin ihren Oscar für die Rolle in «L.A. Confidential» ab. Lorraine Bracco brachte etliche Paare auf das Set des Films «Goodfellas». Regisseur Martin Scorsese gefielen die dazugehörigen Schachteln; er setzte sie gleich in Szene: Finstere Film-Mafiosi transportieren darin grüne Drogendollars. Derzeit ringt Julia Roberts im Film «Erin Brockovich» als allein erziehende Mutter in dessen Sandalen um Gerechtigkeit.

Und die Herren? Abgesehen von den eigenen, kümmert er sich nicht um Männerfüsse. «Ein Mann kauft im besten Fall drei Paar Schuhe pro Jahr, eine Frau will jährlich fünfzehn.» Rechne.