“Wir bringen die Rennen zu den Menschen”

Zwei Spanier stehen hinter der Formel E. Co­-Gründer Alberto Longo über das Spekta­kel ohne Benzingeruch – und warum ihm der Schweizer E­ Prix beson­ders am Herzen liegt.

Interview: Peter Hossli

Señor Longo, ein Autorennen, bei dem es auf der Tribüne nicht nach Benzin riecht, kann nicht aufregend sein!
Alberto Longo: Niemand geht wegen dem Geruch an eine Rennstrecke!

Formel-E-Rennen sind leise, Autos stinken nicht. Ist ein Spektakel ohne Benzingeruch überhaupt möglich?
Die Formel E ist spektakulär. Es gibt mehr und gefährlichere Überholma­növer als in jeder anderen Rennserie. Meist bleibt bis zum Schluss offen, wer ein Rennen gewinnt. Zudem rasen E­-Boliden mitten durch die Städte, was zusätzlich für Spektakel sorgt.
Die Karosserien aller Autos sind gleich …

… ein E-Prix wird nicht primär im Windkanal entschieden?
Wir wollten verhindern, dass die Aerodynamik den Weltmeistertitel vergibt. Da alle Autos äusserlich gleich gebaut sind, entscheidet die Qualität des Fahrers über Sieg und Niederlage.

Wann ist ein Formel-E-Fahrer ein guter Rennfahrer?
Er braucht gute Hände und Füsse, vor allem aber einen kühlen Kopf. Zu­ weilen muss er gegen seinen Instinkt handeln und die Geschwindigkeit drosseln, statt anzugreifen. Beachten muss er die Batterie. Statt stets voll anzugreifen, spart er zwischendurch Strom, nimmt den Fuss vom Gas, um im entscheidenden Moment noch genug Strom zu haben, um aufzudre­hen. Die Formel E gewinnen die klu­gen Fahrer, nicht die guten Techniker.

Selbst der Papst mag die Serie. Warum wollte Franziskus Sie und Co-Gründer Alejandro Agag treffen?
Das Gegenteil war der Fall. Wir wollten den Papst treffen, diesen aussergewöhnlichen Menschen zwi­schen Himmel und Erde. Er hat uns zutiefst beeindruckt. Für den Papst ist Umweltschutz jedoch ein zentrales Anliegen. Er ist sehr besorgt um den Zustand der Erde. Ihm gefällt der nachhaltige Ansatz der Formel E.

Vom päpstlichen Segen allein können Sie nicht leben. Was zieht die finanzkräftigen Sponsoren zur Formel E?
Ähnliches wie den Papst. Unser Pro­dukt ist attraktiv, ein junger Sport, den Familien mögen, grün und zu­ gleich urban. Wir bringen die Rennen zu den Menschen, statt die Menschen zu den Rennen zu holen.

Der E-Mobilität gehört die Zukunft…
…es ist keine Frage, ob dereinst alle Autos mit Strom fahren, sondern nur wann, in fünf, zehn oder 30 Jahren. Der Weg geht nur in eine Richtung.

Wann überholen Sie die Formel 1?
Solche Vergleiche mag ich nicht. Wir sind noch ein Baby, erst vier Jahre alt und froh, einen grossen Bruder wie die Formel 1 zu haben. Die Formel E ist ein Pionier und hat vermutlich ein breiteres Zielpublikum als die Formel 1. Die wichtigen Autokonzerne sind bei uns dabei. Das zieht Top­-Fahrer an.

Autohersteller nutzen die Formel 1, um die Technik weiterzuentwickeln. Kann die Formel E das Gleiche für die Elektromobilität bieten?
Wir sind die einzige Plattform für elektrische Autos, um Rennen auszu­tragen. Alle wichtigen Autohersteller nutzen sie rege, um sich auf diesem Gebiet ständig weiterzuentwickeln.

Wie wählen Sie die Städte aus, in den Sie Rennen durchführen?
Zum einen wollen wir in den wichtigen Metropolen der Welt auftreten, in New York, Paris, Rom und Hongkong. Zudem prüfen wir, wie gewissenhaft eine Stadt mit Nachhaltigkeit umgeht. Zuletzt ist es wichtig, den Anlass finanziell solide durchzuführen.

Warum fahren Sie mitten in Städten statt auf bestehenden Rundkursen?
Für uns war das von Anfang an zent­ral. Alle 42 Rennen haben wir in Städ­ten durchgeführt, da sind wir einzig­artig. Als wir vor vier Jahren anfingen, schienen Elektromobile insbesondere für das urbane Leben geeignet. Die Batterien waren noch zu wenig leis­tungsfähig für lange Strecken. Das hat sich mittlerweile geändert.

Am 10. Juni findet erstmals ein E-Prix in der Stadt Zürich statt.
Es ist ein sehr wichtiges Rennen, das erste in der Schweiz seit über 60 Jah­ren. Das passt zu unserer Absicht, ein Pionier zu sein. Unsere DNA ist schweizerisch. In unseren Adern fliesst Schweizer Blut. Mit ABB als Titel­ sponsor sowie Julius Bär, Tag Heuer und Modis haben wir etliche Schwei­zer Konzerne als Partner an Bord.

Woher rührt das Schweizer Interesse?
In der Schweiz wird viel Wert gelegt auf Nachhaltigkeit, sie ist ein moder­nes Land, unsere Sponsoren wollen wie wir Pioniere sein – und echte Werte schaffen. Werte, die sie mit der Formel E verbinden.

Das heisst, Sie nehmen Zürich fix in den Rennkalender auf?
Wir haben mit dem Zürcher Veranstal­ter einen langfristigen Vertrag. Geht es nach mir, würde ich gerne 25 weitere Formel­-E­Rennen in Zürich durchführen. Ob das gelingt, hängt von den Behörden ab. Zuerst möch­ten wir eine tolle Veranstaltung durchführen, um den Stadtrat zu überzeu­gen, weitere Bewilligungen zu erteilen.

Wie gross ist das jährliche Budget Ihrer Organisation?
Darüber reden wir nicht öffentlich. Wir wachsen aber ständig. Derzeit haben wir 110 Angestellte, Ende Jahr werden es bereits 140 Personen sein, die für uns arbeiten.

Fahren Sie selbst ein Elektromobil?
Meine Frau fährt eines, das Familien­auto ist noch von Benzin betrieben. Wir haben fünf Kinder und brauchen ein Auto mit sieben Plätzen. Sobald aber BMW das neue siebenplätzige Elektromobil anbietet, kaufe ich es.

Sie sind studierter Jurist. Wie kamen Sie zum Autorennen?
Bis ins Jahr 2000 hatte ich nie ein Autorennen gesehen, ich arbeitete auf einer Bank. Dann nahm mich mein Cousin Alejandro Agag mit an ein Formel­1­Rennen. Das hat mich sofort gepackt. In den vergangenen 17 Jah­ ren habe ich mich dann mit Auto­ rennen befasst. Nicht zuletzt, weil ich merkte: Das ist ein gutes Geschäft.