Das grosse Nichts

100 Tage Donald Trump: Der Leistungsausweis ist dünn, Politik wird zur Farce – und doch haben wir alle Donald Trump verinnerlicht. Ein Kommentar.

Von Peter Hossli

Donald Trump (70) ist seit 100 Tagen Präsident der USA. Ein Meilenstein, der keinerlei Bedeutung hat. Und doch ist er seit Wochen bestimmendes Thema.

Was Trumps 100 Tage im Weissen Haus treffend zusammenfasst: Es ist ein grosses Nichts, und alle fachsimpeln darüber.

Abend für Abend debattieren auf amerikanischen Bildschirmen die Experten Trumps 100 Tage. Rückwärts zählen TV-Sender die Minuten und Sekunden bis zum 29. April, dem 100. Amtstag von Präsident Trump.

Als wäre es ein Countdown zu etwas Wichtigem. Als flöge die Apollo 11 erneut zum Mond.

Eine groteske Komödie

Dabei ist in nur 100 Tagen das Amt des US-Präsidenten zur grotesken Farce verkommen.

Sie begann sofort nach dem Amtseid. «That was some weird shit», umschrieb Ex-Präsident George W. Bush (70) am 20. Januar die sonderbare Antrittsrede Trumps, am Tag eins. «Das war schräger Mist.»

Trump redete ganz Amerika madig, nannte das Land ein Trümmerfeld. Seine Vorgänger – vier von ihnen sassen hinter ihm – allesamt Nichtsnutze!

Verdrehte Tatsachen

Am selben Tag behauptete Trump, nie hätten mehr Menschen eine Amtseinführung live in Washington verfolgt. Jeder konnte es sehen: Das stimmte nicht.

Es war die erste eines nie endenden Stroms von Überhöhungen und Verdrehungen. Unter Trump ist die Wahrheit gestorben. Am Laufmeter serviert er Lügen. Im Minutentakt sagt er Sachen, die anderen Politikern das Amt gekostet hätten.

Star einer Trash-TV-Serie

Mit ständig lachhafteren Aussagen – Beispiel: Der 1895 verstorbene Bürgerrechtler Frederick Douglass mache einen «tollen Job» – reizt er das Publikum. Als sei er der Star einer Serie auf Trash-TV.

Trump beleidigt den Premier von Australien. Führt die deutsche Kanzlerin vor. Redet vom «schönsten Stück Schokoladenkuchen» – serviert in seinem Hotel –, während er über einen Raketenangriff spricht. Wobei er das Land verwechselt, das er bombardieren liess.

Wie ein Star lebt er, berappt nicht von Studios in Hollywood, sondern von amerikanischen Steuerzahlern. Der Secret Service muss Frau und Sohn in ihrer Residenz in New York bewachen, während er allein im Weissen Haus wohnt und oft von Washington nach Florida pendelt. Nie war der Schutz eines Präsidenten so teuer wie jetzt.

Dünner Leistungsausweis

Ständig wechselt Trump seine Standpunkte. Mal ist die Nato «obsolet», dann ist sie «nicht mehr obsolet». Erst will er die Mauer an der mexikanisch-amerikanischen Grenze «sofort» bauen, dann «zu einem späteren Zeitpunkt».

China ist ein «schlimmer Währungsmanipulator», bis China «kein Währungsmanipulator» mehr sein soll.

Trump macht, was er seit 20 Jahren macht: den Clown am Bildschirm geben. Als in den 90er-Jahren das Kartenhaus des Immobilientycoons zusammenbrach, fand er in Reality-TV-Shows eine neue Berufung. Noch immer stillt er den Hunger nach neuen Kicks – und bewegt genauso wenig wie als Moderator von «The Apprentice».

Politische Realität ist keine Show, es ist harte Knochenarbeit. Obwohl der Republikaner Trump im Kongress eine republikanische Mehrheit hinter sich hat, hat er in seinen ersten 100 Tagen nur etwas erreicht: Mit Neil Gorsuch (49) besetzte er den freien Sitz am Obersten Gerichtshof.

Kein einziges wichtiges Gesetz brachte er durchs Parlament. Kolossal scheiterte Trump mit der Reform des Gesundheitswesens.

Hunderte von Jobs in der Regierung bleiben unbesetzt, weil Spitzenbeamte nicht für ihn arbeiten wollen. Im Aussenministerium hängen Diplomaten tatenlos in der Cafeteria rum.

Generäle machen mit Bomben Aussenpolitik

Die Aussenpolitik überlässt Trump den Generälen. Scheinbar planlos werfen sie Bomben über Afghanistan ab, greifen syrische Stellungen an, überfallen kurz mal Jemen.

Besonders peinlich: Trump verkündet, der Flugzeugträger USS Carl Vinson kreuze bald vor Nordkorea. Dabei steuerte er in eine andere Richtung.

Am meisten Lärm verursachte Trumps Reisestopp für Bürger aus sieben mehrheitlich muslimischen Ländern. «Verfassungswidrig», urteilten die Gerichte.

Seine Dekrete machen rückgängig, was Vorgänger Barack Obama (55) einführte. So erleichtert Trump den Waffenkauf für psychisch labile Menschen. Das Gefangenenlager Guantanámo auf Kuba soll länger offen bleiben. Schwule und Lesben erhalten weniger Schutz.

Trumps Raubzug

Der grosse Test steht bevor: Mit tieferen Steuern will Trump die Wirtschaft ankurbeln, so dass das Defizit in der Staatskasse langfristig schrumpft. Ob und wie das funktioniert, bezweifeln Ökonomen. Der Vorschlag sei «ein von Trump angeführter Raubüberfall», leitartikelt die «New York Times».

Vorgesehen sind massive Kürzungen für Superreiche wie Trump. Es sei «ein lachhafter Trick einer Gang von Plutokraten, die sich auf Kosten der Zukunft des Landes bereichern wollen».

Trotzdem triumphiert Trump

Trotz allem triumphiert Trump. Der Präsident mit der orangen Haut und dem gelben Haar ist tief in unser Leben eingedrungen. Trumps Sprache ist überall. Selbst seine Gegner reden, twittern und argumentieren wie er. Dies und das und alles soll «great again» werden. Süchtig macht die Droge Donald.

Nirgends in Sicht ist eine Person, die das von Trump losgetretene Ungeheuer besiegen und die Normalität zurück in die amerikanische Politik tragen könnte.

Der anfänglich aufgeflackerte Widerstand? Kommt nicht vom Fleck. Der versprochene Dialog mit den Menschen in Ohio, Michigan oder Pennsylvania, die Trump aus echter Not wählten? Findet nicht statt. Zumal es gemütlicher ist in der liberalen Filterblase in New York und im Silicon Valley, umgeben von fair gehandeltem, biologischem und veganem Olivenöl.