Der russische US-Präsident

Angebliche Erpressungs-Memos, hastige Pressekonferenz, Kleinkrieg mit seinen Geheimdiensten: Trump wird den Verdacht nicht los, eine Marionette von Putin zu sein.

Von Peter Hossli

Wahrlich Ungeheuerliches geisterte gestern durch die Medien. Russland soll belastendes Material über den künftigen US-Präsidenten Donald Trump (70) besitzen. Es gebe Videos, die ihn mit russischen Prostituierten zeigten. Spione aus Moskau sollten sich vor den Wahlen mit seinen Beratern getroffen haben. Etliche dubiose Deals hätte Trump in Russland getätigt.

All das steht in einem Papier, das US-Geheimdienste kennen. Letzte Woche informierten sie Trump darüber. Auch US-Medien kannten das Memo. Da es sich aber nicht belegen liess, publizierten sie nichts. Bis gestern das Portal Buzzfeed das Papier ins Internet stellte. Sofort dementierte Moskau. Trump twitterte: «Gefälscht!», verglich die US-Geheimdienste, die das Papier womöglich weitergeleitet hätten, mit «Nazi-Deutschland».

Alles sei erfunden, sagte Trump gestern an einer hastig einberufenen Medienkonferenz. Und er wirkte glaubhaft.
Und doch ist er arg in Rücklage. Über ihm kreist jetzt die Frage: War seine Wahl legitim? Gegnerin Hillary Clinton (69) erhielt immerhin 2,8 Millionen Stimmen mehr als er.

Schlimmer für Trump ist jedoch der Verdacht, Russland könnte ihm zum Sieg verholfen haben. Sicher ist: Russland versuchte, die US-Wahl zugunsten Trumps zu manipulieren. Auf Anordnung des russischen Präsidenten Wladimir Putin (64), sagen US-Geheimdienste.

Trump ist darob nicht etwa schockiert. Er preist Putin als «grossartigen Leader». Er hatte ja Russland ermutigt, Mails von Clinton zu hacken. Gestern gesteht er: «Ja, die Russen haben wohl gehackt.»

Ob ihm dies den Sieg brachte, wird wohl nie klar werden. Haften aber bleibt ein russischer Makel. Was in den USA kaum gut ankommt. Russland und Amerika führten Kalten Krieg, stritten sich um Kuba und das Weltall, boykottierten gegenseitig Olympische Spiele.

«Reich des Bösen» schimpfte Präsident Ronald Reagan die Sowjetunion 1983. Es fiel 1991 auseinander, gebessert hat sich das Verhältnis kaum.

Trump aber brüstet sich mit Putins Zuneigung. «Wenn Putin mich mag, ist das ein Vorteil», sagte er gestern.

Anders sehen das Parteikollegen. Der republikanische Senator Marco Rubio (45) nennt Putin einen «Kriegsverbrecher». Viele irritiert, wie russlandfreundlich Trumps Kabinett sein wird. Zuvorderst Rex Tillerson (64), künftiger Aussenminister.

Als CEO des Ölkonzerns ExxonMobil unterhielt Tillerson enge Bande zu Putin. Gestern bezweifelte er die Wirksamkeit von Sanktionen gegen Russland. ExxonMobil will sie lockern und mehr russisches Öl fördern.

Am Ende hat die Kritik an Trumps Nähe zu Putin eine psychologische Seite. Wer Trump lobt, den liebt er. Wer ihn hinterfragt, den bekleckert er mit Boshaftigkeiten. Zutiefst kränken dürfte den Narzissten, dass er ein US-Präsident von Russlands Gnaden sein soll.