Reich mit Trump oder Clinton?

Hillary Clinton will die Steuern der Mittelklasse senken, Donald Trump jene der Superreichen. Aber sonst sind die Wirtschaftsprogramme der beiden Präsidentschaftskandidaten überraschend ähnlich.

Von Peter Hossli (Text) und Stefan Falke (Fotos)

wirtschaft«It’s the economy, stupid – es geht um die Wirtschaft, Blödmann!», lautete 1992 der Wahlkampf-Slogan von Bill Clinton (70). Er zog damit 1993 ins Weisse Haus ein. In seinen acht Amtsjahren wurden in den USA 22 Millionen private Jobs geschaffen.

Ähnliches erwarten die Amerikaner vom Präsidenten, den sie am Dienstag wählen. Seit nunmehr neun Jahren stottert die US-Konjunktur. Zwar wächst die Wirtschaft nach der Rezession von 2008 endlich wieder, aber sie tut es langsam. Nicht nur Amerikanern bereitet das Sorgen. Die USA sind immer noch die Wirtschaft-Lokomotive der Welt. Neunzig Prozent der Finanztransaktionen werden in US-Dollar abgewickelt. Für die Schweiz sind die USA neben der EU der wichtigste Absatzmarkt. Was würde ein Wahlsieg von Donald Trump (70) oder von Hillary Clinton (69) für die Wirtschaft bedeuten? Das sind ihre Pläne.

Handel

Nichts prägte den Wahlkampf mehr als das Thema Freihandel. Der Republikaner Trump besetzt linke Positionen, möchte auf Güter aus Mexiko und China Zölle zwischen 35 und 45 Prozent erheben. Er stellt sich gegen freien Handel mit Kanada und Mexiko (Nafta) und das geplante Transpazifische Freihandelsabkommen TTIP. Trump könnte einen Handelskrieg lostreten, fürchten Ökonomen. Für die US-Industrie könnten Güter knapp werden. Clinton war anfänglich für freien Handel. Nach den Erfolgen ihres demokratischen Gegners Bernie Sanders (75) stellte sie sich nun gegen TTIP. Egal, wer Präsident wird: Die USA isolieren sich.

Steuern

Trump möchte die Erbschaftssteuer abschaffen und die Unternehmenssteuern auf 15 Prozent senken. Superreiche sollen nicht mehr wie heute 39 Prozent, sondern maximal 33 Prozent ihres Einkommens dem Fiskus abliefern. Die Einnahmen des Staats würden um rund 5,9 Billionen Dollar schrumpfen. Das soll die private Wirtschaft anheizen. Absurd: Arme würden weiterhin nach dem jetzigen System besteuert und müssten unter Trumps Plan mehr zahlen. Clinton will die Reichen stärker zur Kasse bitten und die Kapitalgewinnsteuer erhöhen. Globale US-Konzerne sollen Gewinne nicht mehr unversteuert ins Ausland schaffen können. Für die Mittelklasse sieht sie Steuerkürzungen vor, für Firmen Erhöhungen.

Schulden

Die Finanzkrise und darauf folgende Stimulierungsprogramme rissen ein Loch in die Haushaltkasse. Die Schulden machen rund 75 Prozent des Bruttoinlandprodukts aus. Was Trump will, ist unklar. Einmal sagte er, dank Wachstum höhere Steuereinnahmen würden das Schuldenproblem allein lösen. Ein anderes Mal will er Schulden abbauen. Da dies aber nur mit Steuererhöhungen ginge, kam er davon wieder ab. Wie bereits ihr Mann möchte Clinton den Staatshaushalt ausgleichen und die Schuldenlast verringern. Das Geld soll von den Reichen kommen. Zuweilen kritisieren Ökonomen, ohne neue Schulden lasse sich Clintons Infrastrukturprogramm nicht finanzieren.

Zuwanderung

Amerika bleibt Sehnsuchtsland. 42 Millionen der 330 Millionen Einwohner kamen ausserhalb der USA zur Welt. Ein Viertel von ihnen lebt illegal in den USA. Trump möchte zehn Millionen illegale Einwanderer deportieren und eine Mauer entlang der südlichen Grenze bauen. Was hiesse: In Kalifornien, Arizona und Texas stünde die Landwirtschaft still, und niemand würde dort Häuser und Büros reinigen. Clinton würde als Präsidentin eine neue Behörde für Immigranten schaffen und möglichst vielen helfen, US-Bürger zu werden.

Infrastruktur

Amerika bröckelt. Strassen, Brücken und Flughäfen sind in schlechtem Zustand. Barack Obama (55) versprach, die Infrastruktur zu verbessern – passiert ist wenig. Trump wie Clinton wollen das ändern. Zumal die Zinsen niedrig sind und sich das derzeit gut finanzieren liesse. Trump will eine Billion Dollar ausgeben, um Wassersysteme, das Stromnetz, Flughäfen und Autobahnen zu sanieren. Wie er das trotz Steuerkürzungen zahlen will, ist rätselhalft. Bereits in den ersten 100 Tagen ihrer Amtszeit beabsichtigt Clinton, vom US-Kongress 275 Milliarden Dollar für die Infrastruktur einzufordern.

Geldpolitik

Die US-Notenbank (Fed) ist in ihrer Geldpolitik frei. Trotzdem hört sie auf das Weisse Haus. Republikaner kritisieren Fed-Chefin Janet Yellen (70) wegen der tiefen Zinsen. Zu Recht fürchten sie eine Inflation. Trump gibt sich widersprüchlich. Vor einem Jahr sagte er, Yellen würde aus politischen Gründen die Steuern nicht senken. Im Mai widersprach er sich: «Ich bin ein Tiefzins-Typ.» Yellen mache «keinen schlechten Job». Clinton scheint die Unabhängigkeit der Notenbank zu ehren und äussert sich nicht zur Zinspolitik. Aber sie möchte mehr staatliche Kontrolle über die Fed.

Mindestlohn

Seit 2009 liegt der Mindestlohn in den USA bei 7.25 Dollar pro Stunde. «Damit kann keiner leben», sagt Trump. Er möchte den Mindestlohn auf zehn Dollar die Stunde heben und liegt damit nicht weit unter Clinton. Sie steht für zwölf Dollar.

Was das bedeutet

Für das Portemonnaie wäre Clinton besser, berechneten Analysten der Agentur Moody’s. In ihrer ersten Amtsperiode würde die Wirtschaft im Schnitt um 2,7 Prozent wachsen. Rund 10,4 Millionen Amerikaner fänden einen neuen Job. Trumps isolationistische Haltung würde die USA bereits ein Jahr nach dessen Amtsantritt in eine Rezession treiben, sagt Moody’s Chefökonom Mark Zandi. Konsumgüter würden teurer. Und allein wegen Trumps Haltung zur Immigration würde die US-Wirtschaft jährlich um 623 Milliarden Dollar schrumpfen.