Hillarys “Wir” siegt über Trumps “Ich”

Die Königsdisziplin des politischen Streits ist das TV-Duell. Die Kandidaten kämpfen vor Millionen Wählern. Wir haben zugehört – und Punkte gezählt.

Von Peter Hossli (Text) und Priska Wallimann (Infografik)

Viel ist gesagt und geschrieben worden über Trumps Amerika. Über die Supermacht, die der Demagoge mit komischem Haar und obszöner Zunge in ein dekadentes Reich verwandle: Gold-Fassaden und törichte Gesetzesvorschläge. Mit seiner Hetze umgarne er ein dummes Volk mit populistischem Gehabe. Sogar das F-Wort fiel: faschistoid.

Nun, es kommt wohl anders. Zwar schien für Donald Trump (70) das Weisse Haus vor wenigen Wochen greifbar nahe. Als Hillary Clinton (68) in die letzte Phase des Wahlkampfs strauchelte und am 11. September nicht mehr ohne Hilfe aufrecht gehen konnte.

duell1

Dann aber folgte der wahre Test: Dreimal neunzig Minuten lang standen sich die Kandidaten gegenüber, ihre Duelle weltweit live am Fernsehen und online übertragen. Mimik gegen Mimik. Verstand gegen Verstand. Charakter gegen Charakter. Charme gegen Charme. Es sind die olympischen Spiele der Politik. Nur wer da wirklich gut ist, kann bestehen.

Trump ging unter. Er hatte nicht den Hauch einer Chance. Scheiterte, wie vor ihm noch nie ein Spitzenkandidat gescheitert war. Ein kurzer, giftiger Kommentar von Hillary reicht – «Putin will eine Marionette als Präsidenten» –, und schon verliert er die Fassung. Rasch merkte Amerika: Dieser Mann mag vielleicht auf Twitter zu unterhalten. Aber am G20-Gipfel mitreden? Eher nicht!

Zumal er sich auf die wohl wichtigsten 270 Minuten seiner Karriere nicht vorbereitete. Weder Gestik noch Temperament hatte er im Griff.

Das Wenige, was er über den Gang der Wirtschaft oder die Konflikte im Nahen Osten weiss, konnte er nicht in einfache Sätze fassen. Als Trump im dritten Duell sagte, «niemand respektiert Frauen mehr als ich», lachte das Publikum. Er errötete kurz. Weil er sich zur Lachnummer gemacht hatte.

Endet Trumps Wahlkampf so, wie er einst begann? Menschen aus seinem Umfeld glauben, er kandidiere nur aus Trotz; weil Präsident Barack Obama (54) beim Korrespondenten-Dinner 2012 im Weissen Haus so bissig über ihn feixte.

duell2_900

Anders ging Hillary Clinton die TV-Duelle an: wie eine Streberin. Sie bereitete sich vor, studierte ihren Gegner, legte sich eine Strategie zurecht. Sicher, sie hatte schwache Momente. Etwa als sie zur Clinton-Stiftung befragt wurde.

Insgesamt aber walzte sie über Trump hinweg – mit Humor, Intelligenz, gewinnender Selbstsicherheit, sogar mit Charme.
Sie sagt häufiger «wir» als er. Er gewinnt beim «ich». Gemeinsam sei Amerika stark, lautet ihr Slogan. Seiner: «Ich mache Amerika wieder grossartig.» Ich.

Bände erzählen einzelne Worte, die in den drei TV-Duellen fallen: Trump verspricht viel, sagt häufig «ich werde», redet vom «Land», das er umbaue. Was fehlt? Konkretes: Ideen, Vorschläge, Relevanz. Zwar startet Trump das erste und zweite Duell besonnen. Bis Clinton ihm eine Falle stellt. Er verliert die Nerven, taumelt.

Trumps wichtigste Aussage kommt im dritten TV-Duell. Nein, er könne nicht zusichern, dass er das Resultat der Wahlen annehmen werde. Das US-System aus seiner Sicht? «Betrügerisch!»

Ein Novum in Amerika: Der Kandidat einer staatstragenden Partei zieht eine Demokratie durch den Dreck, die seit 240 Jahren ein Vorbild für die Welt ist.

duell3

Sie wird es bleiben. Das System, das die amerikanischen Gründerväter 1776 ausgeheckt hatten, funktioniert. Explizit fürchteten sie sich vor einem Demagogen wie Trump. Vor einem, der Rassismus verbreitet, eine Religion ausgrenzen will, sich als König sieht. Sie bauten Sicherungen ein. Und sie setzten auf den Streit mit Worten. Nun greift beides. Nach den TV-Duellen führt Clinton klar. Trump dürfte eine Fuss­note der Geschichte sein.