Die Lunge trifft Hillary ins Herz

Verliert Hillary Clinton wegen ihrer Gesundheit die Wahl?

Von Peter Hossli

Alles perlte bisher an Hillary Clinton (68) ab. Dass sie als Aussenministerin geschäftliche E-Mails über private Server abwickelte. Dass sie Staatschefs traf, die grosszügig für die Stiftung ihrer Familie spendeten. Als rechte Verschwörungstheorie galt, dass sie krank sei. Unantastbar schien Clinton ins Weisse Haus zu marschieren.

Das ist nun passé. Clinton ist krank, und alle sehen es. Am Sonntagmorgen torkelte sie in ihr gepanzertes Auto, ohne Hilfe konnte sie nicht mehr gehen. Zuvor hatte sie die Trauerfeier für 9/11-Opfer vorzeitig verlassen.

Nicht die Hitze setzte Clinton zu. Sie leidet an einer Lungenentzündung. Zumindest für ein paar Tage unterbricht sie den Wahlkampf.

Für Clinton ist das eine gefährliche Wende. Ihre Gegner zweifeln ihre Ausdauer seit Monaten an. Nun hat die Welt Hillary in einer Situation gesehen, die kein Politiker erleben will: körperlich fragil.
Es ist eine Entblössung im dümmsten Moment. Der Vorsprung Clintons schrumpft in den Umfragen. Zuletzt wirkte sie dünnhäutig, verlor die Kontrolle, vergriff sich im Ton. So schimpfte sie «die Hälfte von Trumps Anhängern» als «Rassisten, Sexisten und Schwulenhasser». Was viele gemässigte Republikaner erzürnte – und die rechte Partei einte.

Trump reagiert klug auf den Schwächeanfall, verzichtet auf herablassende Tweets – und wünscht seiner Gegnerin stattdessen alles Gute. «Ich hoffe, dass es ihr bald wieder besser geht», sagte Trump gestern auf Fox News.

Gleichzeitig hält er den Gesundheitszustand Clintons im Gespräch. «Etwas wird mit ihr schon los sein», gab sich Trump unwissend. «Aber ich hoffe, sie steigt bald wieder in den Wahlkampf ein und nimmt am TV-Duell teil.» Damit trifft er einen Nerv. Die erste TV-Debatte ist auf den 26. September angesetzt. Bis dann muss Clinton fit sein. Zumal viele Amerikaner sich erst für die Wahlen interessieren, wenn sich die Kandidaten am TV duellieren. Muss Clinton Forfait geben oder schwächelt sie, schwinden ihre Chancen.

Amerika will Starke an der Spitze. Schwäche aber lässt sich heute nicht mehr verbergen. Irgendeine Kamera filmt immer. Anders war das bei Franklin D. Roosevelt (1882–1945). Seine Beine waren steif, mit 39 hatte er Polio. Keine Zeitung zeigte ihn aber im Rollstuhl. Kein Journalist schrieb darüber, obwohl alle es wussten. Er wurde dreimal ins Weisse Haus gewählt. Was heute unmöglich wäre.

Ein neuer Kandidat?
Was passiert, wenn Hillary Clinton zu krank wäre, um Präsidentin zu werden? Könnten die Demokraten mit anderen Kandidaten antreten? Nein, dafür ist es zu spät. Bis Ende August mussten die Parteien ihre Kandidaten in 20 der 50 US-Bundesstaaten registrieren. Ende September ist Anmeldeschluss in 20 weiteren Staaten. Clinton wird auf dem Wahlzettel stehen, zusammen mit Vizekandidat Tim Kaine (58). Wird sie gewählt, kann aber nicht regieren, wird sie am 20. Januar 2017 vereidigt, tritt zurück – und Kaine erbt ihr Amt.

Die Lungenentzündung
Nach Durchfall ist ein Befall der Lungenbläschen weltweit die zweithäufigste Infektionskrankheit. Menschen ab 65 sind eher anfällig. Bei zusätzlichen Belastungen wie Hitze und Stress haben Krankheitserreger leichteres Spiel. Pneumologe Jürg Barandun (58) vom Lungenzentrum Hirslanden: «Das Immunsystem altert mit.» Clinton braucht Antibiotika und 14 Tage Ruhe. Risikopersonen sollten sich impfen lassen. Die einmalige Impfung wirkt lebenslänglich und schützt vor Pneumo-kokken. Fibo Deutsch