Ich gegen Wir

Tief gespaltenes Amerika: Donald Trump sieht sich als Messias, der die USA allein retten muss. Hillary Clinton ist hoffnungsvoll und fordert Teamwork. Der Wahlausgang ist offen.

Von Peter Hossli und Stefan Falke (Fotos)

trumpBeide Daumen streckt ­Donald Trump (70) in die Höhe, schneidet Grimassen. Hinter ihm in Clevelands Basketball-Arena stehen Sternenbanner. «Ich mache Amerika sicherer», verspricht er. «Ich mache Amerika besser.»

Die Woche danach in Philadelphia. Hillary Clinton (68) steht im weissen Hosenanzug auf der Bühne. Etwas unterkühlt schildert sie, wie die Gründerväter vor 240 Jahren gegen die Briten rebellierten. Heute müsse Amerika erneut zusammenstehen. Denn: «Gemeinsam sind wir stärker.»

Die Szenen zeigen den Kern dieser Wahl. Es geht um: Ich gegen Wir. Trump gegen Clinton.
Zur One-Man-Show geriet der Parteikonvent der Republikaner in Cleveland. Trump führte seine Familie vor, seine Freunde, war jeden Abend auf der Bühne zu sehen, gab den Heilsbringer. Die Parteiprominenz aber fehlte.

Anders in Philadelphia, wo die Demokraten tagten. Die Präsidenten Bill Clinton (69) und Barack Obama (54) sprachen, ein dritter, Jimmy Carter (91), meldete sich per Video. Hollywood-Stars traten auf, Generäle, Frauen. Sängerin Katy Perry (31) machte Mut, wählen zu gehen.

Fest steht nach den Partei-Partys die Ausrichtung der Kandidaten. Mit «Law and Order» will Trump ins Weisse Haus einziehen.

hillary_posterEr zeichnet ein Amerika, das zerfällt, bedroht von inneren und äusseren Feinden. Eine Mauer soll das Land schützen.

Clintons Botschaft ist optimistischer. Sie beschreibt ein Land der Chancen. Niemand könne allein etwas bewirken, nicht sie, nicht Trump. Bauen will sie ein Zelt für Amerikaner wie Einwanderer. «Stronger together», so ihr Motto, «Zusammen stärker sein». Ein «Ich» ist bei ihr kaum zu hören.

Angst prallt in diesen Wahlen auf Zuversicht, bei völlig offenem Ausgang. Die Entscheidung fällt in wenigen Wechsel-Staaten, die mal republikanisch, mal demokratisch wählen. Gibt es bis 8.November weitere Terroranschläge, greift wohl Trumps «Law-and-Order»-Verheissung. Zudem hat er den Frust weisser Männer im Rostgürtel erkannt. Sie bangen um ihre Jobs. Mancher Obama-Wähler in Ohio etwa sagt, er wechsle nun zu Trump.

Hillary Clinton ist nicht mehr in Topform. Sie und Gatte Bill wirken wie Figuren aus einer vergangenen Zeit. Amerika aber sehnt sich ständig nach Neuem.

Enorm der Hass, der Hillary entgegenschlägt – nicht nur von Republikanern. Wutentbrannt dreschen die Anhänger des linken Demokraten Bernie Sanders (74) auf sie ein.

trump_gunAuch Trump ist nicht populär. Republikanern ist es wichtiger, Clinton zu verhindern als Trump zu wählen. Fromme im Bibelgürtel misstrauen ihm, ebenso Konservative, die Steuern senken wollen. Ohne Rückhalt in der Partei ist eine Wahl aber nur mit Mühe zu gewinnen.

Ausschlaggebend wird das Team sein, das die Wähler mobilisiert. Viele sehen bei Trump nur einen Mittelstürmer ohne Mannschaft. Clinton aber ist bestens aufgestellt. Meisterhaft lenkt Trump dafür die Medien. Konstant bringt er sich ins Gespräch, oft mit unverschämten Aussagen. So forderte er Russland auf, Clintons E-Mails zu hacken. Statt über die Rede Bill Clintons zu berichten, ging es nur noch um ihn – Trump.

Die Schlammschlacht dürfte bis zum Wahltag weitergehen. Clinton schildert Trump als cholerisch, labil, gefährlich. Trump stempelt Hillary zur Verbrecherin. Ins Zuchthaus, nicht ins Weisse Haus gehöre sie. Wahrlich ein schwacher Jahrgang.