“Wir schreiben Geschichte”

Bei den US-Demokraten glauben die Frauen an Hillary Clinton

Von Peter Hossli (Text), Stefan Falke (Fotos) und Stephanie Seliner (Video)

nancy_kaplanGut zu Fuss ist Nancy Kaplan (67) nicht mehr. Die pensionierte Professorin aus dem US-Bundesstaat Wisconsin kommt mit dem Rollator ins Wells Fargo Center. Vier Tage lang zwängt sie sich durch enge Gänge. Sie schwitzt, eine Hitzewelle hat Philadelphia im Griff. Und doch möchte Kaplan nirgendwo anders sein. «Hey, wir schreiben Geschichte», sagt sie.

Kaplan ist dabei, wenn Hillary Clinton (68) am Parteikonvent der Demokraten zur ersten US-Präsidentschaftskandidatin gekürt wird. Alles werde sie nun tun, «damit Hillary ins Weisse Haus einzieht». Nicht als First Lady – als Präsidentin. «Amerika ist reif für eine Frau.»

Was ein echter Fortschritt wäre, so Kaplan. Die USA seien weitaus patriarchaler als Europa. Zwar erhielten US-Frauen bereits 1920 das volle Stimm- und Wahlrecht, lange vor den meisten Europäerinnen. Aber eine US-Staatschefin gab es noch nie. Frauen sind im Kongress untervertreten, besetzen bloss 25 Prozent der Parlamentssitze. Zum Nachteil der Frauen wehren sich Politiker etwa gegen Amtszeitbeschränkungen.

amisaLange nach den Frauen erhielten die einst als Sklaven unterjochten Schwarzen sämtliche Bürgerrechte. Und doch zog 2008 mit Barack Obama (54) ein Schwarzer ins Weisse Haus ein – vor der ersten Frau.

«Als Hillary damals gegen Obama verlor, war ich sehr enttäuscht», erzählt Kaplan. Sie ist ein Jahr jünger als Clinton, erlebte die Diskriminierung der Frauen. «Mein Vater musste meine ersten Mietverträge unterschreiben.» An Verhütungsmittel zu kommen oder legal abzutreiben, war schwierig. «Umso aufregender ist es, jetzt eine Frau ins Weisse Haus zu schicken.»

Nie für die Rechte der Frauen kämpfen musste die 20-jährige Asami Kobayashi aus Hawaii. «Klar wäre es gut, einmal eine Präsidentin zu haben – aber nicht jetzt, nicht Clinton.» Sie unterstützt Bernie Sanders (74). Weil er linker sei. Clinton wähle sie nur «als das kleinere Übel neben Trump».

Aus Santa Fe in New Mexiko reiste Denise Lee (33) an. «Hillary versteht besser als jeder Mann, welche Sorgen die Mütter Amerikas jeden Tag haben», sagt die alleinerziehende Mutter von drei Kindern. Sie glaubt zu wissen, warum es so lange dauert, bis eine Frau die USA regiert: «Männer fühlen sich bedroht von uns.»

diggsEs sei eine Schande, dass es noch nie eine Präsidentin gegeben habe, sagt Lula Dualeh (29) aus North Carolina. «Clinton bringt mehr Erfahrung ins Weisse Haus als jeder Mann vor ihr.» Im Vergleich zu ihr sei Trump «ein Witz». Zwei Töchter hat Shauna Diggs (48), eine schwarze Hautärztin aus Detroit. «Sie erlebten, wie ein Schwarzer Präsident wurde, jetzt wird es vielleicht eine Frau – Amerika verändert sich so wie nie zuvor.»

Der Optimismus unter den Frauen in Philadelphia ist gross. «Ich bin absolut sicher, dass Hillary Clinton gewählt wird», sagt Nancy Kaplan. «Und ich werde feiern wie nie zuvor.»