Stürzt China die Welt in die Krise?

Am letzten WEF-Tag ging es um die Konjunktur. Dabei trat CS-Chef Tidjane Thiam in ein Fettnäpfchen.

Von Guido Schätti und Peter Hossli

thiamPanik an den Märkten: mehr als 20 Prozent haben die wichtigsten Börsen seit dem Hoch im letzten Jahr verloren. Statt Euphorie herrscht Depression, statt den Bullen tanzen die Bären. «Das war der schlechteste Start in ein neues Jahr aller Zeiten», sagt CS-Chef Tidjane Thiam (53). Zusammen mit Christine Lagarde (60), der Chefin des Internationalen Währungsfonds (IWF), dem britischen Finanzminister George Osborne (44) und dem japanischen Notenbankchef Haruhiko Kuroda (71) brütete er gestern Vormittag am WEF über die Frage, ob die Turbulenzen an den Börsen der Vorbote einer globalen Krise seien.

Herd der Unsicherheit ist China. Die Anleger fürchten, die Lage im Riesenreich sei weit schlechter als die Regierung zugebe. Der Zerfall des Erdölpreises sei der beste Beweis, dass die chinesische Industrie nur noch auf Sparflamme laufe.

Doch Thiam und Co. schätzen die Lage weniger düster ein, als es die Stimmung an den Märkten vermuten liesse. «Wir glauben nicht an eine harte Landung in China», sagt der CS-Chef. Der Ölpreis sei nicht wegen fehlender Nachfrage so tief, sondern weil die Saudis die Märkte mit billigem Öl fluteten. «Die tiefen Ölpreise sind gut für die Weltwirtschaft, besonders für die USA, Europa und auch für die Konsumenten», so Thiam.

Auch IWF-Chefin Lagarde sieht China nicht vor dem grossen Absturz. 2016 steigt das globale Wachstum gemäss IWF-Prognose von 3,1 auf 3,6 Prozent. Wobei das Wachstum ungleich verteilt sei. Gleichwohl lauerten überall Risiken, nicht nur wirtschaftliche, auch politische: «Wie die Flüchtlingskrise gemeistert wird, entscheidet über das Schicksal von Europa», so Lagarde. Kurzfristig sind die Effekte durch den Zustrom der Million Menschen allein im vergangenen Jahr allerdings positiv: Europas Wirtschaft wächst zusätzlich um 0,2 Prozent. Schweden und Deutschland verzeichnen sogar ein Wachstumsplus von 0,5 Prozent – dank der Flüchtlinge.

Auch an den Finanzmärkten steigen die Gefahren. Nach der Zinserhöhung in den USA fliesst das Geld von den Schwellenländern in den Dollar-Raum zurück. Der japanische Notenbankchef Kuroda fordert deshalb Kapitalkontrollen für China.

Das hört sich dramatisch an. Steht die Welt vor einer neuen Finanzkrise? Kommen die Banken ins Schlingern? Das Finanzsystem sei heute viel sicherer als 2008, beruhigt Thiam. «Es besteht keine Ansteckungsgefahr für die Banken.» Und falls doch, hätten die Geldhäuser genügend dicke Kapitalpolster: «Vier Billionen Dollar an Kapital wurden aufgebaut. Das genügt, um gleichzeitig UBS, Citi und Merrill Lynch aufzufangen.»

Mit der Nennung der UBS machte sich Thiam wohl keine neuen Freunde am Paradeplatz. Die Erzrivalin musste 2008 zwar vom Staat gerettet werden. Heute hat sie aber deutlich mehr Kapital als die CS.