Vereint auf dem langen Trek nach Deutschland

Auf einer griechischen Insel schliessen sich zehn syrische Flüchtlinge zusammen. Und zeigen: Syrer können geeint sein.

Von Peter Hossli

Pünktlich um 14 Uhr hält der Zug im slowenischen Grenzort Sentilj. Hunderte von Flüchtlingen steigen aus: Iraker, Syrer, Afghanen. Männer stossen Rollstühle. Eben erst erwachte Babys wimmern. Alte jammern. Fast alle wirken matt.

Nicht so acht Syrer und zwei Syrerinnen, die zusammen an maskierten Soldaten und Polizisten vorbei ins Durchgangszentrum an der slowenisch-österreichischen Grenze marschieren. Sie wirken fröhlich. «Wir reisen gemeinsam, das hilft», sagt Ahmad (40). Er stammt aus Damaskus und führt die Gruppe an.

Die zehn Syrer auf der Balkanroute kannten sich vor der Flucht nicht. Ihr Schicksal bringt sie zusammen. Sie trafen sich auf der griechischen Insel Kalymnos, nach der ruppigen Bootsfahrt von der Türkei über die Ägäis. Und sie entscheiden sich, vereint nach Deutschland zu reisen. Zumal sie ganz Syrien repräsentieren. Das geschundene Land im Nahen Osten, in dem seit bald fünf Jahren ein Bürgerkrieg tobt. Mittlerweile sind über zwölf Millionen Syrer auf der Flucht, sieben Millionen im eigenen Land, fünf Millionen haben Syrien verlassen. Die meisten flohen in die Türkei.

Der 13-jährige Khaled ging in Hama, im Westen Syriens, zur Schule. Mohammad (43) unterrichtete in Latakia, wo die russische Luftwaffe einen Stützpunkt betreibt. Ahmed hatte zuletzt keine Arbeit in der Hauptstadt Damaskus. Der 15-jährige Schüler Dia stammt aus Homs, der Hochburg im Widerstand gegen den syrischen Präsidenten Baschar al-Assad (50). «Wir beweisen auf der Reise, dass Syrer ganz friedlich zusammenleben könnten», sagt Ahmed.

Per Handy orientiert er sich über die Route. Stets weiss er Bescheid, wo die Busse und Züge abfahren, die Flüchtlinge von Grenze zu Grenze bringen. In Sentilj wird die Gruppe die Nacht verbringen, auf engen Pritschen des slowenischen Zivilschutzes. Am nächsten Morgen geht es weiter nach Österreich.

Die Männer spielen Fussball. Leila (23) schaut zu. Sie ist die heimliche Chefin. Die Buchhalterin stammt aus Latakia, spricht perfekt Englisch. «Ich habe es im Kino gelernt», sagt sie. Sie liebe Filme aus Hollywood. Jetzt will sie nach Karlsruhe, wohin ihr Verlobter vor einem Jahr floh.

Ahmad sieht, dass Leila mit dem Reporter spricht – und will sie stoppen. «Hey, das ist Europa, hier könnt ihr den Frauen nicht mehr sagen, was wir zu tun haben.»

Sie lacht. Und sie weiss: zwar ist die syrische Gruppe schon in zwei Tagen in Deutschland. Die Reise in das neue Leben dauert für alle aber noch viel länger.