Thiam kommt nicht an

Seit Sommer hat die Credit Suisse einen neuen Konzernchef. Die neue Strategie steht. Neues Kapital ist bereit. Noch aber muss der neue Chef sein Personal gewinnen.

Von Peter Hossli

thiamDer ivorische Chef der Credit Suisse (CS) grüsste auf Deutsch. Aktionäre der Grossbank segneten ab, was der neue CEO an der ausserordentlichen Generalversammlung beantragte: sechs Milliarden Franken zusätzliches Eigenkapital. Und ein rigoroses Sparprogramm.

Damit hat Tidjane Thiam (53) den nötigen finanziellen Spielraum, um bis 2018 die CS neu aufzustellen: als Schweizer Universalbank mit dezentraler Vermögensverwaltung und verkleinerter Investmentbank. Langweiliger soll die CS werden, dafür profitabler.

Ist der Hoffnungsträger nach holprigem Start also angekommen? Hat der vormalige Chef des britischen Versicherers Prudential den Sprung von der Themse an die Limmat vollzogen, von London nach Zürich?

Mitnichten, tönt es aus den Gassen rund um den Paradeplatz und im Uetlihof, dem CS-Bürokomplex am Fusse des Uetlibergs. «Viele CSler wissen nicht, was er will», sagt eine Person. «Er redet zu selten mit ihnen.»

«Ein neuer Mann an der Spitze verursacht immer eine gewisse Unruhe», sagte Verwaltungsratspräsident Urs Rohner (55) vor Thiams Amtsantritt. «Das wird sich in den kommenden Monaten legen.» Gelegt hat es sich noch nicht. Mancher ist verunsichert und beobachtet, wie Thiam Neue aus England holt. Wie er sich mit Vertrauten umgibt, Alteingesessene aber wenig beachtet. Dass er mit der «Financial Times» spricht, Schweizer Journalisten eher schneidet. Und dass die Neuen das Geschäft mit Versicherungen gut kennen, nicht aber die Bankenwelt. Versicherer geniessen in der Finanzbranche nicht den besten Ruf. Jeder Banker könne eine Versicherung führen, heisst es jeweils. Aber ein Versicherer habe noch nie eine Bank erfolgreich geleitet. Thiam wäre der erste.

Von «einem Aderlass von Top-Leuten» spricht ein einst einflussreicher CS-Vermögensverwalter. «Etwas besorgniserregend ist das schon», sagt ­einer, der bei der ­Alfred-Escher-Bank mal wichtig war.

Das Investment-Banking ist für die CS im Verhältnis zum gesamten Geschäft wichtiger als bei der UBS. Thiams Strategie überzeuge nicht alle Investment-Banker. Laufen die guten weg, sinken im umkämpften Geschäft die Umsätze.

Kunden fragten sich, warum aus Sicht des Verwaltungsrats unter 45 000 Angestellten kein einziger für die CS-Spitze geeignet sei.

Es sei wie Tag und Nacht zwischen Vorgänger Brady Dougan (56) und Thiam, ist zu hören. Der Amerikaner war detailversessen, mischte sich in alles ein. Thiam führe die Bank eher wie ein Präsident – stehe über allem, weit ab von der Front.

Mehr noch als sein Vorgänger ist Thiam aber weltgewandt. Er diente als Minister in der Elfenbeinküste, arbeitete für die Weltbank in den USA. Nun will er der Bank, bei der einst nur Zürcher Protestanten Chefs sein durften, eine globalere Kultur geben. Was an der Themse selbstverständlich war, ist an der Limmat noch gewöhnungsbedürftig.