Mission Brüssel

Wirtschaftsminister Johann Schneider-Ammann reist zur Europäischen Union – und wirbt für die Interessen der Schweiz.

Von Peter Hossli (Text) und Pascal Mora (Fotos)

Der Tag des Bundesrats beginnt in der Nacht. Dienstag, vier Uhr morgens: Wirtschaftsminister Johann-Schneider Ammann (63) erwacht in Langenthal BE. Ein Chauffeur fährt ihn im dunklen Audi 8 zum Flughafen Bern-Belp. Sieben Mitarbeiter warten beim Tor 2, dem Eingang der Schweizer Flugwaffe. Sie betreibt den Bundesrats-Jet, die dreistrahlige Falcon 900EX Baujahr 2008. Einst flog damit Fürst Albert II. (57) von Monaco. Der Bund kaufte ihn 2013 für 35 Millionen Franken.

Am Himmel funkeln Sterne. Es ist noch dunkel, als der Wirtschaftsminister um 5.51 Uhr vor dem Flugzeug hält – eine Minute später als geplant. Pilot Hauptmann Reto Köpfli (45) begrüsst ihn. Er wird den Bundesrat nach Brüssel fliegen. Er trägt die Ausgangsuniform – üblich, wenn Magistraten dabei sind. «Brauchen wir den Mantel?», fragt Schneider-Ammann – und lässt den Mantel in Bern. Pass- und Sicherheitskontrollen sind nicht nötig. Der Bundesrat steigt als letzter in den Jet, geht durch den Gang, wünscht jedem einen guten Morgen. «Willkommen an Bord», grüsst Pilot Köpfli. «Der Flug dauert eine Stunde.»

Schneider-Ammann sitzt vorne rechts, ihm gegenüber seine persönliche Mitarbeiterin. Um 5.57 Uhr schliessen sich die Türen. Der Jet hebt ab.

Für jeden Passagier liegen Datteln bereit, dazu ein Glas frisch gepresster Orangensaft. Kaum ist der Jet in der Luft, serviert die Flugbegleiterin das reichhaltige Frühstück: Käse, Hobelfleisch, gedörrte Aprikosen und Baumnüsse. Der Bundesrat isst – und bereitet die Treffen vor. Worte wie «Schweiz», «Bilaterale», «Euro», «Zielsetzung», «Referendum» fallen.

Auf einer Reiseflughöhe von 6858 Metern redet Schneider-Ammann über seine Absichten in Brüssel. Sagt, er werde sich für das Forschungsprogramm Horizon 2020 einsetzen. «Die Schweiz soll wieder volles Mitglied werden.» Und er werde einen «weiteren Stein im Mosaik mit der EU» legen. Es geht um die Quadratur des Kreises: die Sicherung der bilateralen Verträge mit der EU trotz der SVP-Initiative. «Es gibt einen Zeitdruck, aber wir dürfen nicht aus der Defensive verhandeln.»

Er sehe sich nicht als Bittsteller, sagt er selbstbewusst, «sondern als Vertreter eines Wissenschaftsstandorts, der absolut spitze ist.» Die Schweiz sei für die EU wichtig. «Ich höre oft: ‹We need you.› Wir brauchen euch.» Er wirkt frisch. Um vier Uhr aufzustehen mache ihm nichts aus. «Das tun viele andere Schweizer auch.» Er sei «hungrig auf diese Gespräche».

Um sieben Uhr setzt die Falcon in Brüssel auf, noch immer ist Nacht. Der Schweizer Botschafter bei der EU, Roberto Balzaretti (50), holt den Magistraten mit dem Range Rover auf dem Rollfeld ab. Um 7.05 Uhr ist der Range Rover bereits wieder unterwegs. Der Verkehr rollt flüssig. Es reicht sogar für eine kurze Tour durch die Stadt.

Um 7.37 Uhr hält der Geländewagen in der Garage des EU-Ratsgebäudes. Es folgt ein Sitzungsmarathon. Schneider-Ammann trifft Minister von EU und Efta, hat persönliche Gespräche. Um zehn Uhr bespricht er sich mit dem Team in einem Café. «Es wird zur Kenntnis genommen, dass wir Rezepte haben für wirtschaftliches Wachstum, dass wir gut unterwegs sind.» Der Bundesrat meint ganz cool: «Das steigert das Interesse an uns.»

Er redet über das Gespräch mit dem deutschen Finanzminister Wolfgang Schäuble (73). «Er hat von sich aus gesagt, das Verhältnis zwischen der Schweiz und Deutschland sei heute entspannter.» Und es ging um Fussball. Werden die beiden nächstes Jahr Amtskollegen? Wechselt er ins Finanzdepartement? Er lacht. «Das war keine Schnupper-Tour!» Nach dem 9. Dezember gebe es einen neuen Bundesrat. Aber: «Ich habe weder Grund noch Absicht, zu wechseln.»

Fünfzehn Minuten dauert die Pause, dann geht er zur EUKommission, an Baustellen vorbeigelotst von Botschafter Balzaretti. Schneider-Ammann fährt mit dem Lift in den neunten Stock zur EU-Kommission, wo er einen Ausblick hat auf Brüssel mitsamt Atomium. Dort trifft er den Forschungs-Kommissar der EU. Ein finnischer Vizepräsident sagt ihm, er habe in Grindelwald ein Haus gemietet. «Es freut mich, dass er ins Berner Oberland kommt.»

Um 13 Uhr fährt er vor der Schweizer Mission vor. Es bleiben 30 Minuten für ein Sandwich. Pünktlich um 13.30 Uhr beginnt die Pressekonferenz.

Schneider-Ammann hat fünf beschriebene Zettel vor sich, wiederholt das Schweizer Ziel. «Die EU muss wissen, dass wir den bilateralen Weg sichern und Artikel 121a umsetzen wollen.» Aber macht die EU mit? «Die EU wird das Prinzip der Personenfreizügigkeit nicht aufgeben.» Er betone stets, dass es Kompromisse brauche, «um ein neu geregeltes Verhältnis sicherzustellen.» Er redet, ohne viel sagen zu dürfen, gibt sich aber optimistisch: «Im Hintergrund läuft viel.» Und: «Es wird bis zur letzten Nacht verhandelt, dann kommen die Karten auf den Tisch, wird Ja und Nein gesagt.»

Kurz vor 15 Uhr hebt die Falcon in Brüssel ab. Der Heimflug dauert 45 Minuten. Es gibt Fruchtspiesschen, Luxemburgerli und Espresso. Schneider-Ammann liest Akten.

Um 15.55 Uhr setzt der Jet in Belp auf. Im Audi fährt der Bundesrat nach Bern. Um 16.26 Uhr kommt er im Büro an – und bereitet die nächste Sitzung vor.