Monica Lewinsky ist schuld

Wie kam es zur jetzigen Flüchtlingskrise? Am Anfang stand die Affäre von Bill Clinton mit einer Praktikantin.

Von Peter Hossli

Um die Gegenwart zu verstehen, muss man die Vergangenheit kennen. Die aktuelle Flüchtlings­krise begann mit einer Pizza, gefolgt von Oralsex.

Vor 20 Jahren, im November 1995, war die US-Regierung zahlungsunfähig. Praktikanten ersetzten das Personal, selbst im Weissen Haus. Präsident Bill Clinton hatte Hunger. Praktikantin Monica Lewinsky, damals 21-jährig, brachte ihm eine Pizza ins Oval Office.

Es war der Anfang einer Affäre, welche die Welt veränderte. Nachdem sie 1998 aufgeflogen war, beschäftigten sich die USA zwei Jahre nur mit Zigarren und der Frage, was Sex sei. Und Clinton hatte keine Zeit, sich mit Terrorfürst Osama Bin Laden und den Taliban in Afghanistan zu befassen.

Der damalige Vizepräsident Al Gore, ein kluger und besonnener Mann, galt als sicherer Erbe Clintons. Zumal die beiden die USA durch ­einen wirtschaftlichen Boom führten. Und der begnadete Wahlkämpfer Bill Clinton für Al Gore werben würde.

Doch Gore verzichtete bewusst darauf, mied Clinton wie Graf Dracula das Tageslicht – wegen Lewinsky. Zuletzt unterlag Gore wegen 537 Stimmen in Florida und verpasste den Einzug ins Weisse Haus. Weil Clinton ihm nicht helfen durfte.

Am 20. Januar 2001 wurde George W. Bush ins Präsidentenamt eingeführt. Er ignoriert Warnungen seiner Geheimdienste, Bin Laden plane einen Angriff auf die USA.

Am 11. September 2001 entführten 19 islamische Terroristen vier amerikanische Flug­zeuge. Damit zerstörten sie das World Trade Center in New York und beschädigten das Pentagon in Washington. Fast 3000 Menschen starben. Präsident Bush reagierte mit einem Angriff auf die Taliban in Afghanistan. Gleichzeitig bereitete er eine Invasion in den Irak vor – obwohl das Zweistromland nichts mit 9/11 zu tun hatte. Bushs Argument: Iraks Diktator Saddam Hussein besitze chemische und biologische Waffen. Eine Lüge.

Ohne Mandat der Uno und somit illegal griffen die USA den Irak an. Das löste einen Dominoeffekt aus. An dessen Ende steht die heutige Flüchtlingskrise.

Wäre Gore damals Präsident gewesen, hätte er nach 9/11 die Taliban wohl auch angegriffen. Auf eine Invasion in den Irak hätte er aber vermutlich verzichtet.

Bush aber umgab sich mit Leuten, die geradezu besessen waren von Saddams Sturz, etwa Verteidigungsminister Donald Rumsfeld und Vizepräsident Dick Cheney. Er selbst wollte die Ehre seines Vaters retten. Präsident George H. W. Bush führte bereits 1991 Krieg gegen Saddam, liess ihn aber im Amt.

Der US-Angriff erfolgte im März 2003. Im April rissen amerikanische Infanteristen in Bagdad die Saddam-Statue vom Sockel. Am 1. Mai 2003 hielt Bush Jr. auf dem Flugzeugträger USS Abraham Lincoln eine Sieges­rede, hinter ihm ein Transparent mit der Aufschrift «Mission Accomplished», Auftrag erfüllt.

Ein Hohn. Nach Bushs Rede zerfiel der Irak. Bagdad wurde zur gefährlichsten Stadt der Welt. Sunniten und Schiiten bekriegten sich. Die USA inhaftierten Offiziere der irakischen Armee im Camp Bucca im Süden. Diese trafen dort auf den Islamisten Abu Bakr ­al-Baghdadi. Gemeinsam rekrutierten sie im Gefängnis Kämpfer und entwickelten die Vision des Islamischen Staats (IS). Von den Amerikanern unbemerkt entstand eine brutale Terrorbande.

Rund 2000 Milliarden Franken kostete der Irakkrieg. In den USA gilt er als Desaster. Als Senatorin stimmte Hillary Clinton für den Krieg. Deshalb unterlag sie bei den Präsidentschaftswahlen 2008 Barack Obama. Ein Jahr darauf erhielt der den Friedensnobelpreis, was ihn aber lähmte. Nur zögerlich reagierte Obama auf den Arabischen Frühling. Seine Politik hinterliess nach dem Sturz von Muammar al-Gaddafi in Libyen ein Chaos. Fortan nutzten Schlepper Libyen als Transitland für Flüchtlinge.

Bis heute gelang es Obama nicht, den Bürgerkrieg in Syrien zu beenden, bis heute lässt er sich vom syrischen Diktator Bashar al-Assad zum Narren halten. Und das Nachbarland Irak zerfällt weiter, seit Obama die amerikanischen Truppen Ende 2011 abgezogen hat.

Rasant breitet sich derweil der IS aus. Heute kontrolliert die Bande weite Teile im westlichen Irak und hat sich in Syrien festgesetzt. Die Folge: Vier Millionen Iraker sind auf der Flucht, dazu fast zwölf Millionen Syrer. Die meisten bleiben in ihrer Heimat, fünf Millionen fanden Zuflucht in Jordanien, der Türkei und im Libanon. Rund eine Million Flüchtlinge wird dieses Jahr in Europa ankommen. Die meisten sind Syrer und Iraker.

Bloss 100 000 Flüchtlinge nehmen die USA auf, obwohl der Irakkrieg treibender Faktor der Krise war. Den hätte es kaum gegeben, hätte Clinton 1995 nicht mit Lewinsky angebandelt. Die Praktikantin hätte ihm besser den Marsch geblasen.