Warten auf den Mann mit dem Geldkoffer

Mit einer Schweizer Bankkarte kann man Athen mehr Geld ziehen als die Griechen.

Von Peter Hossli (Text) und Pascal Mora (Fotos)

athen_kofferDienstag früh, kurz nach acht. Eingezwängt zwischen Strassencafé und Bürogebäude steht ein gelber Geldautomat an der Papadjamantopoulou, einer Nebenstrasse in der griechischen Hauptstadt Athen. Wir versuchen, beim Automaten der Piraeus Bank Euro abzuheben. Vergeblich. Die Maschine ist leer.

Vor dem Automaten bildet sich eine Gruppe. Niemand lacht, die Augen der Athener wirken verbissen.

Nichts von griechischer Fröhlichkeit. «Es ist ein täglicher Kampf ums Überleben», sagt Melpo Theodoropoulou, eine 50-jährige Werberin.

«Unser Land geht gerade unter, und in Europa scheint das keinen wirklich zu kümmern.»

Just dann hält ein weisser Mercedes-Kastenwagen, die Fenster vergittert. Ein buckliger Mann steigt aus, trägt schusssichere Weste, in der Hand hält er eine rote Blechschachtel. Es ist frisches Geld. Vier solcher Schachteln bringt er in 30 Minuten in den Automaten.

hossli_athenDer Wachmann Petros Theodosopoulos (43) beobachtet ihn, eine Hand am Funkgerät. Er spricht perfekt Deutsch, wuchs bis 18 in Düsseldorf auf. «Wir gehören zu Europa, wir wollen den Euro behalten», sagt der Wachmann.

Er lebt mit weniger als 1000 Euro im Monat mit Frau und Kind. Und weiss: «Wir stehen vor dem Staatsbankrott.» Warum ist es so weit gekommen? «Ich weiss es nicht, das ist sehr kompliziert.» Am Sonntag will er Ja stimmen zu neuen Sparmassnahmen. «Ich will keinen Grexit.»

Nach einer halben Stunde ist der Geldautomat wieder offen. Die ersten beiden Kunden versuchen vergeblich, Geld zu ziehen – und verwerfen die Hände. Eine Frau mit gelber Piraeus-Karte schafft es. Sie strahlt, zeigt ihre 50-Euro-Note.

Und der Ausländer aus der Schweiz? Der hat keine Mühe, 100 Euro rauszulassen – also mehr als das Limit von 60 Euro pro Tag. Schliesslich stützen die Euro der Ausländer den Tourismus.