US-Anwälte prüfen Klage gegen Lufthansa

Opferanwälte gehen in Stellung. Sie wollen zeigen, dass neben dem Copiloten auch die Lufthansa schuld ist am Tod von 150 Menschen.

Von Peter Hossli

4u9525Sein Büro liegt hoch oben im Himmel, in einem Wolkenkratzer in New York. «Flugunfall-Anwalt» ist sein Beruf. Er hat Lunte gerochen. «Ja, wir prüfen eine Klage gegen Lufthansa», sagt Brian Alexander, Partner der Kanzlei Kreindler & Kreindler. «Wie bei anderen US-Kanzleien laufen bei uns die Vorbereitungen.»

Noch hat er keine Angehö­rigen der Opfer von Germanwings-Flug 9525 als Klienten gewinnen können. Aber: «Das ist zu diesem Zeitpunkt normal», sagt Alexander. «Die Klagen folgen nach der Trauer.»

Er muss es wissen. Seine Kanzlei ist weltweit führend bei Forderungen nach Unfällen mit Flugzeugen. Stürzt eine Piper ab oder verschwindet eine Boeing im Chinesischen Meer – schnell sind Anwälte von Krein­dler & Kreindler zur Stelle. Sie
suchen Schuldige, denen sie möglichst hohe Zahlungen an die Opfer abringen: vor Gericht oder in Vergleichen. Die Anwälte selbst kassieren 30 Prozent.

Am 24. März sperrte Copilot Andreas Lubitz (†  27) den Piloten aus dem Cockpit von Flug 4U 9525 aus, unterwegs von Barcelona nach Düsseldorf. Lubitz flog den Airbus absichtlich in die französischen Alpen. Er riss 149 Menschen mit in den Tod. Wer trägt die Schuld? Nur Lubitz? Oder hätte Germanwings-Mutter Lufthansa Warnsignale lesen und handeln müssen? Hätte Lubitz fliegen dürfen? Er, der 2009 wegen Depressionen die Pilotenausbildung unterbrechen musste und in psychotherapeutischer Behandlung war. Die Ärzte attestierten bei ihm erhöhte Selbstmordgefahr.

Nach der Behandlung erhielt Lubitz den Pilotenschein. Germanwings heuerte ihn an – mit dem Vermerk, er müsse sich «besonders regelhaft» medizinischen Tests stellen. Im Zeugnis finden sich Hinweise auf Depressionen. Treten diese erneut auf, darf er nie mehr fliegen.

Trifft die Airline bei einem Crash keine Schuld, ist die Schadenssumme bei 140 000 Euro pro Opfer gedeckelt. Bei Fahrlässigkeit entfällt die Obergrenze. Zwei Stränge verfolgt Alexander, um der Lufthansa die Verletzung der Sorgfalt zu belegen:

• Hat die Airline wissentlich einen Piloten ins Cockpit gesetzt, dessen mentale Verfassung die Passagiere gefährdete?

• Führte die Lufthansa die in den USA übliche Zwei-Personen-Regel pro Cockpit nicht ein, um Geld zu sparen? Die Regel erhöht klar die Sicherheit.

An Bord waren drei Amerikaner. Sie dürften in den USA klagen. Laut «Spiegel» prüft der Berliner Anwalt Elmar Giemulla, für deutsche Opfer vor US-Gericht zu ziehen. Anwalt Ale­xander hält dies für möglich, da Lubitz an einer Lufthansa-Schule in Arizona das Fliegen lernte.

Ohnehin können theoretisch alle Angehörigen in den USA klagen – wegen eines Piraten­gesetzes. Um Schiffe auf hoher See zu schützen, verabschiedete Amerika 1789 den Alien Tort Claims Act. Das Gesetz erlaubt es, ausländische Firmen und Personen für Vergehen im Ausland vor US-Gerichte zu zerren.

«Derzeit geht es darum, den Angehörigen möglichst schnell zu helfen», sagt eine Lufthansa-Sprecherin. Pro Opfer hat der Konzern 50 000 Euro gesprochen, «als Vorschuss auf weitergehende Schadenersatzansprüche», so Lufthansa. «Natürlich wird Germanwings Schadenersatzverpflichtungen nachkommen», sagt sie. «Wir gehen davon aus, dass alle wesentlichen Ansprüche im Rahmen der gesetzlichen Haftpflicht der Germanwings ausreichend versichert sind.»