WEF Inside

Am Weltwirtschaftsforum in Davos gibt es Tausende kleiner Geschichten. Eine kleine Auswahl.

Von Peter Hossli und Guido Schätti

goreUnermüdlich
Seit Jahren reist Al Gore (66) ans WEF und warnt vor dem Klimawandel. Dieses Jahr verbreitete der ehemalige US-Vizepräsident Zuversicht: «Der Vatikan will das erste CO2-neutrale Land der Welt werden. Die Chancen stehen gut: Es ist klein und hat Gott auf seiner Seite.»

hollande_wefHeuchlerisch
US-Aussenminister John Kerry (71) und Frankreichs Präsident François Hollande traten vereint gegen islamistischen Terrorismus an, für Freiheit und Frauenrechte. Gleichzeitig erwiesen sie dem eben verstorbenen König Abdullah (†90) von Saudi-Arabien ihre Ehre. Saudi-Arabien peitscht Regimekritiker aus, köpft Homosexuelle und finanziert Moscheen, die als Brutstätten des Terrors gelten.

orcelAufbrausend
Zu Fuss gehen für ­einen guten Zweck. Das war das Motto der UBS während des WEF. 1000 Forumsteilnehmer erhielten elektronische Bänder, die ihre Schritte massen. Je mehr Kilometer sie abspulten, desto mehr Fahrräder schickt die UBS nach Afrika. Dadurch wurden die Autoschlangen in Davos zwar nicht kürzer, die Manager taten aber etwas für ihre Linie. Den UBS-internen Rekord stellte ­Investment-Bank-Chef Andrea Orcel auf (51, Bild) auf. Er spulte an einem einzigen Tag 17 Kilometer ab. Der Italiener war so schnell unterwegs, dass die elektronischen Zähler seine Leistung erst gar nicht registrierten. Was Orcel zu wütenden Protesten veranlasste. Beruhigen liess er sich erst, als schliesslich doch noch die richtige Zahl erschien.

andrewRabiat
Der englische Prinz Andrew (54) gibt seit Jahren am WEF ­einen Empfang. Nun hat ihn ein Sexskandal negativ in die Schlagzeilen gebracht. Umso nervöser agierte seine Entourage. Die Schweizer Polizistin, die ihn bewachte, schlug dem SonntagsBlick-Fotografen die Kamera aus den Händen. Es sei ihr Auftrag, Fotos zu verhindern, verteidigte sie sich. Ein Foto gab es trotzdem.

libyenMutig
Ali Tarhouni (63) führte die Revolution gegen den libyschen Diktator Muammar al-Gaddafi (1942–2011) an, war zwischenzeitlich libyscher Premierminister. Nun leitet er den Ausschuss, der die neue libysche Verfassung schreiben soll. In Davos suchte er Geld, um das Projekt zu finanzieren. Zwar sei Libyen eines der reichsten Länder der Welt, aber es falle ausei­nander. Schon sieben Bombenanschläge überlebte er. Oft hat er keinen Strom für Computer. Mitglieder des Ausschusses schmuggelt er über die Grenze.

bettelErfrischend
Die besten Gespräche am WEF gibt es im Shuttlebus zwischen Davos und Klosters. Fünf sich zuvor fremde Personen palavern, tauschen Visitenkarten aus – und gehen am Schluss der Fahrt wieder auseinander. Der liberale ­Premierminister von Luxemburg ­Xavier Bettel (41) erzählte, wie er in seinem ersten Amtsjahr Kirche und Staat trennte und die Ehe für Homosexuelle einführte – und dass er sich viel zu dick findet. Das hielt ihn aber nicht davon ab, in Davos ein Wiener Schnitzel zu verspeisen.

summersEinsilbig
Ja, die Europäische Zentralbank (EZB) liegt nicht ganz falsch, wenn sie die grosse Kanone ausfährt. Nein, die wirklichen Probleme werden damit gelöst. Europa braucht strukturelle Reformen. Diese drei Sätze gaben gefühlte 99 Prozent der WEF-Teilnehmer von sich, wenn sie um ihre Meinung zur EZB-Politik gebeten wurden. Je länger die Veranstaltung dauerte, desto mehr glichen sich die Kommentare an. Zu den ganz wenigen, die sich eine abweichende Meinung leisteten, gehörte US-Ökonom Larry Summers (60): Er outete sich als frenetischer Befürworter von geldpolitischen Lockerungsübungen und forderte gleich noch eine Fiskalunion obendrauf.

schmidtBescheiden
Normalerweise überbieten sich Manager in Superlativen, wenn es darum geht, die epochalen Leistungen des eigenen Unternehmens hervorzustreichen. Google-Präsident Eric Schmidt (59) tat genau das Gegenteil: Beim Internetgiganten dauere es manchmal sehr lange, bis neue Erfindungen endlich marktreif seien. Die Veränderungen, die damit einhergingen, seien nicht grösser als in früheren Zeiten. Die Tiefstapelei hatte einen profanen Hintergrund: Europäische Politiker und Behörden wollen der Datenkrake Google die Arme abschlagen. Da kann ein wenig Bescheidenheit nicht schaden. Ganz hielt Schmidt die neue Rolle aber nicht durch, zuweilen schlich sich Übermut ein. Das hörte sich so an: «Mit Breitband-Anschlüssen lösen wir alle Probleme der Welt.»

Glamourfrei
Früher gaben sich Superstars wie Mick Jagger (71) und Bono (54) in Davos die Klinke in die Hand. Seit ein paar Jahren verzichtet das WEF, ganz grosse Stars nach Davos zu locken. Kommen darf nur, wer wirklich Gutes tut. Glaubhaft schien daher das Gerücht, Regisseurin und Uno-Sonderbotschafterin Angelina Jolie (39) treffe sich in Davos mit Microsoft-Gründer Bill Gates (59). Bis Redak­tionsschluss blieb es beim Gerücht.