“Ich bin kein Tänzer, ich bin Realist”

Der Schweizer Wirtschaftsminister Johann Schneider-Ammann ist auf Besuch in Brasilien. Was er über Fussball denkt, und welche Hoffnungen er für die Schweizer Nationalmannschaft hegt.

Interview: Peter Hossli Fotos: Bruno Fernandes da Silva

schneider_brazilHerr Bundesrat, wir reden im Land des Fussballs. Auf welcher Position spielten Sie als Knabe?
Johann Schneider-Ammann: Bei den Junioren des FC Kolibri und des FC Sumiswald war ich Flügelstürmer.

Dann schiessen Sie lieber Tore als sie zu verhindern.
Klar, ich mache gerne die Goals. Aber um zu gewinnen, braucht es die Absicherung nach hinten und den Druck nach vorn. Entscheidend ist immer das Team.

Sie spielen nicht mehr aktiv. Was bedeutet Ihnen Fussball heute?
Ich bin ein Fussballliebhaber. Gerne schaue ich mir in Ruhe ein Champions-League-Spiel an. Einmal pro Jahr schaffe ich es ins Stadion an ein Spiel. Für mich ist das sehr erholsam.

Welches ist Ihr Team?
Eine heikle Frage für einen Bundesrat. Seit ich ein Bub bin, sind die Berner Young Boys mein Team. Als kleiner Schnoderi erhielt ich ein gelbes Leibchen, auf das ich stolz war.

Und im grossen Fussball?
Ich mag den FC Barcelona.

Die ganze Welt schaut Fussball. Warum?
Es ist ein Sport mit klaren Regeln, die alle verstehen. Er verbindet über kulturelle und sprachliche Barrieren hinweg. Fussball ermöglicht es, weltweit das Verständnis zu fördern.

Für viele ist Fussball ein Ersatz.
Solange er verbindet, ist das nicht schlimm. Fanatiker-Auswüchse muss man aber zurückdämmen, Fussball darf kein Kampfersatz werden.

Die Schweizer Nati spielt hier in Brasilia ihr erstes Spiel gegen Ecua­dor. Ihre Prognose?
Wir müssen gewinnen, wir wollen gewinnen, wir werden gewinnen.

Und wie weit kommt die Schweiz?
Die Schweiz und Brasilien werden das Finale bestreiten.

Sie sind ein Optimist. Weltmeister wird die Schweiz nicht …
Aber, Herr Hossli! Wer nicht daran glaubt, muss nicht nach Brasilien reisen.

hossli_schneider_brazilIch bin nur realistisch. Wie kann die Schweiz trotzdem von der WM profitieren?
Es gibt einzelne Firmen, die direkt profitieren. Aber für die grössere Schweizer Volkswirtschaft hat die WM keinen direkten Einfluss.

Der Anpfiff für die Weltmeisterschaft ist in rund zwei Monaten. Ist Brasilien bereit?
Wenn ich das hier frage, erhalte ich stets die gleiche Antwort: Ja, wir sind bereit. Brasilien hat es immer geschafft, Grossanlässe durchzuführen. Das schafft das Land auch jetzt wieder. Es überlässt nichts dem Zufall.

Sie waren schon oft in Brasilien. Ihr Eindruck?
Das Land ist absolut faszinierend, es ist riesig, und es arbeitet sich aus der Armut heraus. Es hat gewaltige Fortschritte gemacht. Zudem entwickelt sich Brasilien demokratisch. Noch muss es sich wirtschaftlich mehr öffnen.

Was bringt Brasilien der Schweizer Wirtschaft?
Schweizer Firmen liefern Bestandteile für die brasilianische Autoindustrie. Brasilianische Dienstleister suchen Technologie, welche die Schweiz bietet. Umgekehrt sind für die Schweiz ausgewählte landwirt­schaft­liche Produkte interessant.

Sie sind vier Tage in Brasilien. Wie viele Gespräche führen Sie?
Am Donnerstag traf ich drei ­Minister, dazu weitere Persönlichkeiten, am Freitag war es eine weitere Handvoll, heute Samstag nochmals. Es kommt insgesamt zu rund einem Dutzend Treffen.

Diese Begegnungen sind kurz. Was bringt das überhaupt?
Kontakte, Informationen und Einflussnahme. So haben wir den Wunsch geäussert, in der Diskussion um ein mögliches Freihandelsabkommen mit Brasilien einen Schritt weiterzukommen.

Wie gross sind die Chancen?
Ich bin nicht allzu euphorisch. Viel hängt davon ab, was andere tun. Kommt das Freihandelsabkommen EU-USA zustande, gäbe das einen enormen Schub für den freien Handel. Das würde die Brasilianer in Bewegung setzen. Läuft das Domino, wären auch wir unter Zugzwang.

Sie haben die Verhandlungen mit Russland über ein Freihandelsabkommen abgesagt.
Falsch. Wir haben die Verhandlungsrunde, die ab dem 8. April hätte starten sollen, um Wochen oder Monate verschoben.

Wann nehmen Sie diese wieder auf?
Das hängt davon ab, wie die Diskussion um die Ukraine sich entwickelt, und ob sich die Lage stabilisiert.

Grossprojekte wie die kommende Fussball-Weltmeisterschaft sind für Schwellenländer oft problematisch. Es bleibt wenig zurück. Was halten Sie davon?
Es gibt diesen Ländern eine globale Sichtbarkeit. Sie können zeigen, dass sie in der Lage sind, ein solches Projekt durchzuführen. Brasilien investiert viel in den Verkehr und in Hotels. Davon bleibt viel übrig. Anerkannte Klubs erhalten wunderbare Stadien. Sicher gibt es Projekte, die übertrieben sind.

Zum Fussball in Brasilien gehört der Samba. Wie gut tanzen Sie?
Ich bin kein Tänzer, in keiner Beziehung.

Auch kein Traumtänzer?
Nein, ich bin ein Realist.