“Mir schien Maze schneller als Gisin”

Nach dem Ex-Aequo-Sieg in der Frauen-Abfahrt wollen viele wissen, wer schneller war: Dominique Gisin oder Tina Maze. Der Mann, der es wissen könnte, darf es nicht: Zeitmesser Peter Hürzeler.

Telefoninterview: Peter Hossli

huerzelerPeter Hürzeler (75) fing 1969 beim Schweizer Uhrenhersteller Omega an. In Sotschi ist er zum 17. Mal an Olympischen Spielen als Zeitmesser dabei.

Herr Hürzeler, wie genau können Sie bei einer Abfahrt die Zeit messen?
Peter Hürzeler: Mit neuen Geräten bis auf eine Millionstel-Sekunde.

Sie messen aber nur auf Hundertstel. Warum so ungenau?
Weil es der Ski-Verband so will. Vor jedem Rennen prüfen FIS-Leute, ob die Geräte wirklich so eingestellt sind, dass sie nur Hundertstel messen. Wir könnten viel genauer sein.

Warum tun Sie es nicht einfach?
Da haben wir nichts zu sagen. Beim Langlauf dürfen wir sogar nur Zehntelsekunden messen. Um Tausendstel geht es beim Rodeln.

Mal ehrlich: Wer war schneller in der Frauen-Abfahrt – Dominique Gisin oder Tina Maze?
Das weiss von uns niemand.

Kaum zu glauben. Sie wissen es doch, dürfen es aber nicht sagen.
Ganz sicher nicht! Unsere Geräte haben bei der Abfahrt keine Tausendstel angezeigt. Es ist unmöglich, das Rennen erneut zu messen.

Tatsächlich nicht?
Vielleicht wäre es möglich, die Läufe der beiden Siegerinnen in Super-Slow-Motion zu messen.

Mussten Sie irgendwelche Beweise vernichten?
Es gab nie Beweise.

Sind Sie sehr frustriert, die Siegerin nicht ermittelt zu haben?
Nein, es ist toll, wenn zwei Fahrerinnen nach 2,7 Kilometern in der gleichen Hundertstel ankommen.

Eine Fahrerin war aber schneller!
Oh ja! Um es zu wissen, hätten wir die Tausendstel messen müssen.

Sie geben sich gelassen. Warum will niemand wissen, wer die Abfahrt wirklich gewonnen hat?
Das wollen alle wissen! Mich riefen über 50 Leute an, sogar aus Amerika.

Wer fragt am hartnäckigsten?
Das slowenische Fernsehen. Bis ich  eine Gegenfrage stellte: «Was, wenn die Schweizerin gewonnen hat? Wollt ihr es dann auch wissen?» Seither fragen sie nicht mehr.

Dann war Gisin also schneller?
Ein Schweizer Sieg wäre mir lieber. Als ich das Rennen sah, schien mir jedoch Maze etwas schneller. Es überraschte mich, als sie gleichauf mit Gisin war.

Werden wir irgendwann wissen, wer schneller war?
Das glaube ich nicht.

Ein Schweizer Zeitmesser könnte Schweizer Athleten doch helfen.
Ohne uns hätte die Schweiz im Eishockey nicht gegen Lettland gewonnen.

Eishockey wird durch Tore entschieden, nicht mit der Zeit!
Erstmals stoppen wir die Uhr durch den Pfiff des Schiedsrichters. Früher geschah das von Hand. Auf diese Weise gewinnen wir pro Match eine ganze Minute Spielzeit. Gegen Lettland schoss die Schweiz ihr Tor 7,9 Sekunden vor Schluss. Bei der alten Methode wäre das Spiel längst vorbei gewesen.