Gutzwiller und der Jolie-Test – was läuft da?

FDP-Ständerat Felix Gutzwiller weibelt im Parlament für den US-Konzern Myriad. Er hat zu ihm enge Verbindungen und kassiert Honorare.

Von Peter Hossli

Oberste Pflicht eines Arztes ist das Wohl der Patienten. Arzt und Zürcher Ständerat Felix Gutzwiller (65) weibelt zusätzlich für das Wohl eines US-Konzerns – im Bundeshaus zu Bern.

Am 21. Juni reichte Gutzwiller in der kleinen Kammer eine Interpellation ein. Wissen will er vom Bundesrat, ob es nicht im Inte­resse der Patienten wäre, wenn Krankenkassen künftig Gentests zahlten, die Firmen im Ausland durchführen.

Die suggestiv gestellte Frage deckt sich mit den Anliegen der US-Firma Myriad Genetics mit Sitz in Salt Lake City. Zu ihr hat Gutzwiller enge Verbindungen – und er kassierte Honorare.

Gutzwillers Vorstoss beginnt mit einer schönen Frau. US-Schauspielerin Angelina Jolie habe sich ihre Brüste vorsorglich abnehmen lassen. Ein Gentest zeigte: Jolie trägt ein stark erhöhtes Risiko, an Brustkrebs zu erkranken. Den Test führte Myriad durch. Die Firma ist auf diesem Gebiet führend.

SonntagsBlick enthüllte im Mai, dass Schweizerinnen wie Jolie ihr Blut in Salt Lake City testen lassen. Und dass Krankenkassen den Test zahlen – obwohl ihn Genetiker am Kantonsspital Aarau und am Universitätsspital in Genf ebenfalls anbieten. Solche Zahlungen aber sind verboten.

Infolge wies das Bundesamt für Gesundheit (BAG) die Krankenkassen an, Schweizer Gesetze einzuhalten und im Ausland durchgeführte Tests nicht zu berappen.

Der FDP-Politiker kontert das BAG per Interpellation. Sie liest sich wie eine Myriad-Werbebroschüre. Neben Schweizer Labors würden «auch ausländische Firmen» den Brustkrebstest anbieten, so Gutzwiller. Was er nicht sagt: Myriad ist fast der einzige Anbieter.

Patientinnen hätten «grosse Vorteile» bei Tests im Ausland, schreibt Gutzwiller: Die Qualität sei hoch, die Interpretation der Ergebnisse basiere «auf einem sehr breiten Mengengerüst» an Daten. Schweizer Labors könnten nicht mithalten. «Deshalb sind die Resultate ausländischer Anbieter viel genauer und aussagekräftiger.»

Gutzwiller verschweigt, was Genetiker weltweit zur Weissglut treibt: Seit 2006 teilt Myriad seine Datenbank nicht mehr. «Myriad behindert die Forschung, wenn sie Daten nicht öffentlich macht», sagt Andreas Huber, Laborleiter und Chefarzt Zentrum für Labormedizin im Kantonsspital Aarau. «Wenn Herr Gutzwiller so viel an Qualität liegt, hätte er sich bei uns erkundigen können – das tat er nicht.»

Stattdessen verteidigt der liberale Ständerat mit Myriads Positionen ein Quasimonopol des US-Konzerns. So teilt er dem Bundesrat mit, bei ausländischen Tests «liegen die Resultate schneller vor».

Myriad hat ein Resultat nach 14 Tagen. «Wir brauchen im Schnitt 19 Tage», sagt Huber, «und nicht wie von Myriad behauptet sechs Monate.» Ohnehin sei Zeit nicht entscheidend. «Der Test untersucht die Wahrscheinlichkeit, ob ein bestimmter Krebs in 10, 20 oder 30 Jahren auftreten könnte.»

Eine erste SonntagsBlick-Anfrage beantwortet Gutzwiller telefonisch und spricht auf Band. Zu Myriad hätte er «keine finanziellen oder sonstige Verbindungen».

Das stimmt nicht.

Myriad bezahlte Gutzwiller zwei Honorare, sagt Schweiz-Chefin von Myriad, Fani Kalaitsidis. «Herr Gutzwiller hat im Rahmen unserer Eröffnungsfeier eine Aufwandsentschädigung von 1000 Franken erhalten» – für einen Vortrag letzten April. Für einen Workshop im September zahlte Myriad 2000 Franken an Gutzwiller, so Kalaitsidis. Damit konfrontiert, bestätigt der Ständerat die Zahlung. Allerdings betont er: «Die Honorare von Myriad entsprechen der üblichen Höhe für solche Auftritte mit Vortrag.»

Als Myriad den Europa-Sitz nach Zürich verlegte, wollte er sich für die neue Firma einsetzen. Seine Interpellation sei «keine Lobbyarbeit für Myriad», so Gutzwiller. «Es geht mir allein um das Wohl der und Patienten – und um günstigere Tarife für die Prämienzahler.»

Deshalb habe er «die Interpellation im Konditionalis abgefasst – der Bundesrat muss zur wichtigen Frage Stellung nehmen, ob es nicht besser wäre, das Territorialprinzip grundsätzlich zu flexibilisieren oder aufzuheben». Wer den Text des Ständerats liest, findet bei der Einschätzung ausländischer Gentests keine Möglichkeitsform. Bereits im Titel bezeichnet er sie als «qualitativ hochwertig» – eine Aussage ohne Konditionalis. Gutzwiller gibt zu: «Myriad sollte die Datenbank öffentlich machen,das ist allerdings ein Thema für viele biomedizinische Firmen.»

Seine Verbindungen zu Myriad sind vielfältig. So trat er in der «Schweizer Illustrierten» als Befürworter für präventive Gentests auf. Ein Kasten dazu endet mit dem Hinweis: «Mehr Infos beim Arzt und unter myriad.com.» Myriad vertreibt den Artikel als PDF über seine Website.

Flammend plädiert Gutzwiller in der «Schweizerischen Ärztezeitung» für die Zahlung von Tests im Ausland. Der Titel: «Gentests in der Schweiz: Es besteht Handlungsbedarf.» Gutzwiller betont, dass «im Zusammenhang mit diesem Artikel keine Interessenbindungen bestehen» – nennt aber vier Myriad-Angestellte als Experten. «Solche Interessenkonflikte sind heikel», sagt der Aa­rauer Huber. So einen Konflikt streitet Gutzwiller ab: «Es gibt keine problematische Beziehung zwischen mir und Myriad.»

Transparent gibt er an, seit 2003 im Verwaltungsrat der US-Firma Osiris Therapeutics zu sitzen. 2006 stiess Jay Moyes in den Osiris-Verwaltungsrat. Er war bis 2007 Finanzchef von Myriad. Gründer und Hauptinvestor von Osiris ist der Zürcher Financier Peter Friedli – einer der ersten Investoren bei Myriad. Gutzwiller: «Weder mit Herrn Moyes noch mit Herrn Friedli habe ich je über die Interpellation geredet – das hat ja auch gar nichts miteinander zu tun.»

Brustkrebs-Test ab sofort günstiger
Der Brustkrebstest, den Angelina Jolie (38, Bild) machte, kostet in der Schweiz offiziell 7641 Franken. Wickelt ihn die US-Firma Myriad ab, beträgt der Preis 4500 Franken. Ab sofort verlangt das Kantonsspital Aarau nur noch 4301 Franken. Dennoch setzt Helsana weiterhin auf Myriad. Es gebe «keinen vergleichbaren Test in der Schweiz, was die Qualität, den Preis und die Schnelligkeit betrifft», sagt Sprecherin Claudia Wyss. Das sei «halt- und substanzlos», kontert Genetiker Andreas Huber vom Kantonsspital Aarau: «Unsere Tests sind bezüglich Preis wie Schnelligkeit jenem von Myriad gleichwertig. Seit 2004 hat Myriad zum Test nichts wissenschaftlich publiziert, auch nichts zur Qualität.» Sollte sich die Situation in der Schweiz ändern, sagt Helsana-Sprecherin Wyss, «haben wir auch keinen Grund mehr, uns übers Ausland auszuhelfen.»