Akte Arafat immer mysteriöser

Schweizer Radiologen suchen weiterhin nach radioaktivem Gift im Gewebe von Yassir Arafat.

Von Peter Hossli

Wie starb Yassir Arafat († 75)? Erlag der Palästinenserführer dem Gift Polonium 210? War es Mord?

Diese Fragen hätten Radiologen des Universitätsspitals Lausanne bis Ende Mai klären sollen. Letzten Herbst störten sie Arafats Grabesruhe, entnahmen in Ramallah dem Leichnam winzige Gewebeproben und überführten sie zur Analyse in die Schweiz. Noch wisse niemand, ob radioaktives Gift in Arafats sterblichen Überresten nachweisbar sei, sagt jetzt Spitalsprecher Darcy Christen. «Die Untersuchungen sind so komplex, sie dauern viel länger, als wir gedacht haben.»

Was den Fall Arafat noch mysteriöser macht: Er ist wie fast alles im Nahen Osten politisch explosiv. Palästinenser hoffen auf Polonium in seiner Leiche, um Erzfeind Is­rael des Mordes zu bezichtigen. Israel weist jeden Verdacht von sich.

Der Krimi begann mit einem Blick in Arafats Unterhose. Dort fanden Radiologen geringe Spuren von Polonium 210, ein geruchloses, radioaktiv strahlendes, silbern glänzendes Gift. Dringt das Nuklid in den menschlichen Körper ein, zerfrisst es Nieren, Leber und Milz. Tödlich ist schon eine Dosis von 0,1 Mikrogramm.

«Polonium 210 lässt sich nur sehr schlecht nachweisen», sagt ETH-Physiker Hans-­Arno Synal. Die Halbwertszeit beträgt 138 Tage. Arafat starb am 11. November 2004. Bis heute hätte sich die damals aufgenommene Menge Polonium «um das 7,2-Millionen-Fache verringert», so Synal. Eine tödliche Strahlen­dosis von 0,1 Mikrogramm enthalte 287 Billionen Atome. Davon wären heute höchstens noch 40 Millionen übrig, verteilt im ganzen Körper. Nachweise solch geringer Spuren sind zwar möglich, erfordern jedoch sehr lange Messzeiten.

Demnach ist die verbliebene Menge des Gifts zu gering, um sie jemals festzustellen, es dauert alles viel länger als gedacht, oder es gab nie einen Giftmord.

Ob es je bekannt wird? «Über die Ver­öffentlichung der Ergebnisse entscheidet der Kunde», so Spitalsprecher Christen. Also die palästinensische Autonomiebehörde. Finden die Schweizer kein Polonium, hüllt sie sich wohl eher in Schweigen.