Mister Boni

Was sind gerechte Boni? Das weiss der Sohn eines Zucker-Fabrikanten.

Von Peter Hossli (Text) und Sabine Wunderlin (Fotos)

Geld geht uns alle an. Wir hecheln ihm nach, himmeln es an, verteufeln es. Für Stephan Hostettler (46) ist es eine Sache guter Verhandlungen. Für Banker und Bosse legt er Boni fest, gestaltet für über 220 Firmen Gehaltsmodelle.

Das sei einfach, solange Eigentümer patriarchalisch führten, den emsigsten Mitarbeitern an Silvester Couverts mit Barem überreichten. Ist der Chef aber nicht mehr der Besitzer, sind Kader beteiligt, ist ein Konzern global aufgestellt – dann braucht es Hostettler. «Ist Geld mit Leistung verknüpft, werden Vergütungsmodelle anspruchsvoll.»

Er sitzt im Konferenzraum seines Büros im Zürcher Seefeld, trinkt Kaffee. Seit 2002 führt Hostettler eine Beratungsfirma, heute mit Ablegern in Genf, Frankfurt und Amsterdam. Er isst zwei Stück Toblerone – und erklärt die Faszination für Gehälter mit seiner Herkunft.

Beim Znacht bekam der Junge mit, wie Unternehmer ticken. Seine Familie stellt Zuckersirup und Caramel her. Als sie einst einen Geschäftsführer für den Vater suchte, wurde ihm bewusst, «wie wichtig Vergütung ist». Fragen standen nun im Raum, die ihn noch heute umtreiben: Wie viel zahlen wir? Wie gewichtigen wir den Erfolg? Wie hoch soll eine Beteiligung sein? «Löhne werden dann zentral, wenn eigenes Geld sie begleichen soll.»

Daher lautet sein Leitmotiv: «Gehaltsmodelle müssen den Interessen der Aktionäre entsprechen.»

Vielen Aktionären missfiel das Boni-Modell der UBS. Bloss 60 Prozent bejahten es letztes Jahr. Es war eine Ohrfeige. Hostettler begann mit der UBS-Spitze, das Modell zu überarbeiten. Am Dienstag stellte es CEO Sergio Ermotti vor.

Das neue System sei einfacher, sagt Hostettler – und langfristiger angelegt. «Vor der Finanzkrise erhielten Manager das meiste Geld sofort, heute warten sie oft Jahre.»

Neu zahlt die UBS maximal 20 Prozent der Boni in bar aus, aber keinem mehr als eine Million Franken, halb so viel wie vor Jahresfrist. 40 Prozent sind Aktien, die der Geschäftsleitung in drei bis fünf Jahren zugänglich sind. Längere Fristen kennen nur die Deutsche Bank und Goldman Sachs. Den Rest der Boni erhalten die Banker als Fünfjahresbonds. Sie verfallen, falls die UBS ihre Kapitalquote unterschreitet.

«Indem die UBS das System offenlegt, schafft sie Transparenz, das ist heute wichtig», sagt Hostettler. Ein Seitenhieb an die Credit Suisse, die ihr Modell noch nicht preisgab.

Wie geht er vor? Zuerst trifft er den Verwaltungsrat des Kunden, bei privaten Firmen den Eigentümer. Er versucht zu begreifen, wo ein Konzern steht, wo die Rivalen. Er hört sich intern um, wie Gehälter ankommen. Ist eine Firma kotiert, will er wissen, wie die Börse die Boni aufnimmt – wie die Stimmrechtsvertreter. Zuletzt klärt der Ökonom ab, was Manager früher erhielten, wie viel es heute ist.

Aus all dem entwickelt er Varianten, rechnet sie durch, prüft steuerliche und rechtliche Fragen. Auf fünf Kontinenten etwa muss das UBS-Modell greifen. Sechs bis neun Monate tüftelt sein Team am System eines globalen Konzerns.

Verändert haben sich die Ansprüche. Vor zehn Jahren genügten Bonus und Lohn. Heute fordern Aktio­näre und Manager langfristige Beteiligungen. Manager, weil sie die Früchte ihrer Arbeit ernten wollen. Aktionäre, weil Misserfolg fehlbare Manager etwas kosten soll.

Gibt es gerechte Boni? «Alle haben eine andere Meinung, was ein gerechtes Gehalt ist», so Hostettler. Nicht nur die Höhe zähle. Regress-Klauseln seien manchem wichtiger. «Boni dürfen hoch sein, wenn man sie bei Fehltritten und Misserfolgen rasch wieder zurückholen kann.»

Was ist hoch? «Gehälter hängen davon ab, wo eine Firma steht, ob sie wächst, welche Erträge sie erwirtschaftet», sagt Hostettler. Breit gestreut zwischen 0 und 50 Millionen Franken sähen Schweizer die Obergrenze, ergab eine Umfrage. Der meistgenannte Wert sei eine Million. «Oft interessieren sich ausländische Aktionäre weniger für überhöhte Gehälter als Schweizer.» Was pikant ist. Konzerne wie Novartis, die Grossbanken und Nestlé gehören mehrheitlich Ausländern.

Hostettler ist Betriebswirt, lehrt nebenher an der Universität St.Gallen. Er arbeitete bei Banken in Zürich und London, verbrachte fünf Jahre in New York. «In den USA spricht man entspannter über Geld.» Man gönne es einander. «In der Schweiz sind Gehälter Tabu, reden wir verkrampft darüber – was Neid und Missgunst schürt.»

Dann sind Lohnexzesse nicht gefährlich? «Es wird immer über die gleichen 30 geredet.» Nur 300 Personen verdienten in der Schweiz jährlich mehr als drei Millionen Franken. «Viele sind das nicht.»

Hostettler begrüsst die Abzocker-Initiative, obwohl er dagegen stimmt. «Minder war ein Weckruf an die Verwaltungsräte.» Der Ruf: «Schaut genau hin! Nicht jeder ­Eigentümer zahlt beliebig viel!»

Verwaltungsräte seien heute auf der Hut vor gierigen Managern, weisen vier von zehn Anträgen zurück – wegen überrissener Boni. Eine gute Entwicklung, sagt der Familienvater. Zu sehr dürfe das Pendel aber nicht in die andere Richtung schlagen. «Unser System muss offen bleiben.»