Der zweite General

Das FBI hat im Fall Petraeus eine Untersuchungen gegen einen zweiten amerikanischen General eröffnet.

Von Peter Hossli

Der Skandal um den zurückgetretenen CIA-Direktor David Petraeus (60) zieht weitere Kreise. Mit ­einem zweiten hochrangigen Feldherrn der US-Armee hatte die Rivalin der Geliebten des Generals regen und «potenziell unpassenden» E-Mail-Verkehr.

Deshalb ermittelt die amerikanische Bundespolizei FBI nun gegen General John Allen (58). Er kommandiert die US-Truppen in Afghanistan. Zwischen 20’000 und 30’000 Seiten soll er elektronisch mit Jill Kelley (37) ausgetauscht haben. Das gab US-Verteidigungsminister Leon Panetta (74) am Dienstag bekannt.

Kelley, verheiratet wie Allen, ist jene Frau, welche die Ermittlungen der Liebesaffäre zwischen Petraeus und seiner Biografin Paula Broadwell (40) ausgelöst hatte. Sie lebt in Florida und erhielt letzten Mai ein halbes Dutzend aggressive anonyme E-Mails von Broadwell. Darin wird Kelley beschuldigt, Petraeus «unter dem Tisch» berührt zu haben. Kelley meldete das Cyber-Stalking einem befreundeten FBI-Agenten. Bei den folgenden Ermittlungen stiess die Polizei auf Broadwell – und auf ihre Affäre mit dem CIA-Chef.

Ins Visier geraten nun Kelley und Allen. Tausende Seiten von Mails und Dokumenten hat das FBI dem US-Verteidigungsministerium anvertraut. Das Pentagon will wissen, ob der General geheime Papiere ausgehändigt hatte. Und ob Kelley sie dann allenfalls Broadwell zuspielte.

Denn auf Broadwells Computer fanden die Ermittler etliche empfindliche militärische Daten. Von Petraeus kamen sie nicht. Und das lenkt den Fokus auf Vier-Sterne-General Allen.

Der Grenadier übernahm im Herbst 2011 von Petraeus das Kommando in Afghanistan. Zuletzt stand er vor einem Transfer nach Europa, wo er die US-Truppen hätte übernehmen sollen. Diese Versetzung liegt jetzt auf Eis. Sein Nachfolger in Afgha­nistan aber steht fest. Tritt Allen ab, verlieren die USA in einer Woche ihre beiden bedeutendsten Generäle der letzten zehn Jahre.

Allen bestreitet jegliches Fehlverhalten. Unklar ist, ob er eine sexuelle Beziehung zu Kelley hatte. Klar ist: Kelleys Rolle wirft weitere Frage auf. So stellte das FBI bereits im Sommer jenen Agenten frei, an den es sich ­ursprünglich gewandt hatte. Er sei regelrecht besessen gewesen vom Fall. Zuletzt habe er sogar Fotos an Kelley geschickt, die ihn halbnackt zeigen, schreibt das «Wall Street Journal».

Bekannt geworden sind überdies Details, wie Petraeus und Broadwell ihre elektronischen Spuren verwischten. Sie tauschten ihre Liebesbotschaften über private Gmail-Konten aus. Statt sich Mails zu schicken, legten sie die Nachrichten im Ordner «Entwürfe» ab. Zu diesem hatten beide Zugang.

Sie lernten sich 2006 in Boston kennen. Ihre sexuelle Beziehung begann im November 2011 und endete vor vier Monaten – einvernehmlich.

Razzia bei der Petraeus-Geliebten
Am Montagabend um 20.40 Uhr versammelten sich zehn FBI-Agenten vor dem Haus von Paula Broadwell. Sie ist Autorin einer verherrlichenden Biografie über General und CIA-Direktor David Petraeus. Die beiden hatten eine Affäre, worauf Petraeus zurücktrat. Zuerst fotografierten die Beamten das Haus. Dann öffneten sie es mit einem Schlüssel. Weit nach Mitternacht trugen sie Schachteln und einen Apple-Computer weg. Das FBI will sicherstellen, dass keine Geheimdokumente in falsche Hände geraten. Ein Detail: Als die Affäre am Freitag aufflog, weilten Broadwell und ihr Gatte Scott in einem Bed & Breakfast – im romantischen Wochenende.