Bei Obamas wird das Gemüse aufgegessen

First Lady Michelle Obama führt ihre Töchter an kurzer Leine. Um sie zu schützen.

Von Peter Hossli

obama_dncStatt dem Vater zuzuhören, blödelte Sasha auf dem Stuhl rum. Forsch wies die Mutter sie an, wie Schwester Malia ruhig zu sitzen. Die alltäglich Szene einer normalen Familie fingen am Parteitag der Demokraten letzte Woche unzählige Fernsehkameras ein. Auf dem Po­dium sprach Präsident Barack Obama (51) über Staatsschulden. Töchter Malia (14) und Sasha (11) hörten zu. Und Mami Michelle ­Obama (48) achtete darauf, dass sich ihre Mädchen artig aufführten.

Das tun sie meist. Die Kinder des Präsidenten gelten als gut erzogen, ihre Noten sind hervorragend. Malia spielt Tennis. Sasha spricht Mandarin. Seit Januar 2009 wohnen sie im Weis­sen Haus – nie fielen sie peinlich auf.

Selbstverständlich ist das nicht. Das Leben im Zentrum der Macht präge Kinder, sagt Curtis Roosevelt (82). Er lebte in den Dreissigerjahren mit Grossvater und US-Präsident Franklin D. Roosevelt im Weis­sen Haus. «Jeder, der dort lebt oder arbeitet, wird in eine surreale Welt versetzt.» Alles, was Kinder dort tun, werde beobachtet. Dabei bewerben sich doch die Väter und nie die Kinder fürs hohe Amt.

Kindern aber lauern die Paparazzi auf. Die Welt kennt ihre Freunde, weiss, wo sie zur Schule gehen, was sie essen, wie oft sie turnen. Das Familiengefüge gerät oft aus den Fugen. Denn die First Lady ist nicht mehr nur Mutter. Sie ist zuerst die Mutter der ganzen Nation.

Nicht so Michelle Obama. «Mein wichtigster Titel ist jener der ‹Mutter›», betonte sie am Parteitag.

Mit Hingabe und Strenge erfüllt sie die Aufgabe, berichtet die «New York Times», gestützt auf Aussagen von Angestellten im Weissen Haus. Viele würden ihre eigenen Kinder am liebsten bei der First Lady abliefern. Denn sie verlangt von Malia und Sasha, was Kindern zwar guttäte, Eltern aber selten fordern:

• Gehen Sasha und Malia auf einen Schulausflug, schreiben sie darüber einen Aufsatz, selbst wenn es ihre Lehrer nicht verlangen.

• Der Fernseher läuft nur am Wochenende. Malia hat zwar ein Mobiltelefon. Benutzen darf sie es samstags und sonntags. Der Computer surrt unter der Woche bloss, um Hausaufgaben zu erledigen.

• Malia und Sasha gehen zwei Sportarten nach. Eine wählten sie, die andere bestimmte die Mutter. «Sie sollen sich so in einer Disziplin verbessern, die sie nicht sehr mögen», sagte Michelle Obama.

• Das Gemüse muss aufgegessen werden. Bleibt es auf dem Teller liegen, ist die Küche bis zur nächsten richtigen Mahlzeit geschlossen.

first_familySo sollen die beiden Mädchen geerdet bleiben. Zumal sich zuvor viele Kinder im Weissen Haus unwohlfühlten. Einige begehrten auf. So gingen Fotos der Trinkgelage der Zwillingstöchter von George W. Bush um die Welt. Andere erlebten Traumas. Rührend war das Bild von John F. Kennedy Jr., wie er 1963 im Oval Office unter das Pult des Vater kroch. Kurz darauf salutierte er an dessen Beerdigung. Chelsea Clinton litt, weil sie wilde Locken hatte und eine Zahnspange trug. Der konservative Radiotalker Rush Limbaugh schimpfte sie «den Hund im Weissen Haus». Amy Carter las bei einem Empfang ein Buch. Die Presse zerpflückte sie.

Vor solcher Schmach bewahren die Obamas ihre Töchter. Statt auf Wahlkampftour verbrachten sie den Sommer im Lager, wie viele Amerikaner ihres Alters. Bewusst bewarb sich Obama als Vater kleiner Kinder fürs Präsidentenamt. Sie passten sich leichter ungewöhnlichen Umgebungen an, glaubt er.

Wird Obama aber im November wiedergewählt, verbringen Malia und Sasha ihre Teenagerjahre im Weissen Haus. Mit Pickeln, der ersten Liebe – und reichlich Zoff mit ihren Alten.