Im Auge des Orkans

Säbelrasseln in Korea. Der Süden demonstriert militärische Stärke. Der Norden droht mit Vergeltung. Mittendrin wachen Schweizer Offiziere. Sie sollen den Krieg verhindern – und tun das seit 1953.

Von Peter Hossli (Text) und Robert Huber (Fotos)

waechterSeine Pistole ist geladen. Wie vor dem Hechtsprung liegen die Arme am Rumpf. Die Fäuste hat der südkoreanische Grenzsoldat geballt, alle Sehnen des muskulösen Oberkörpers gespannt. Eine pechschwarze Brille mit goldenen Rändern verdeckt das kantige Gesicht. Vor sengenden Sonnenstrahlen schützen die Gläser – und vor Hypnoseversuchen des nordkoreanischen Wächters. Der steht wenige Meter entfernt. Dünn ist er, trägt Uniform und Helm. Beides erinnert an karges Sowjet-Design. Vom Hals baumelt ein Feldstecher, den er alle paar Sekunden zu den Augen führt.

Nonstop starren sich erwachsene Männer am 38. Breitengrad in Korea an. Kameras filmen. Abhörgeräte lauschen. Satelliten äugen. Warten, bis etwas passiert. Seit 57 Jahren.

Ein Waffenstillstandsabkommen entzweite 1953 die koreanische Halbinsel, in den kommunistischen Norden und demokratischen Süden. Die Uno schuf die demilitarisierte Zone, die DMZ, einen vier Kilometer breiten Streifen entlang der Grenze. Stacheldraht fehlt nur in der Joint Security Area im Örtchen Panmunjom, wo sich nord- und südkoreanische Soldaten in Griffweite gegenüberstehen.

Es ist der letzte heisse Schauplatz des Kalten Kriegs. Ein Flecken, wo der Dritte Weltkrieg jederzeit ausbrechen könnte. Und wo mittendrin fünf Schweizer Soldaten harren.

hassIhr Auftrag ist klar – sie haben den Krieg zu verhindern. «Eine normale Arbeit ist das nicht», sagt Jean-Jacques Joss, 57. Er ist Kommandant der Schweizer in Korea, auf der Brust prangen zwei Sterne. Als einziger Eidgenosse wird er im Dienst als General bezeichnet.

Der Luzerner steht in einer der blauen Holzbaracken, die in Panmunjom direkt auf dem Grenzstreifen liegen. Beobachtet, wie ein Nordkoreaner durchs schmale Fenster guckt – direkt in die Augen des Südkoreaners. Der ballt Fäuste, spannt Muskeln. Körperlich spürbar ist tiefer Hass – von beiden Seiten. Aber darüber reden darf der General nicht.

Es ist die Aufgabe der fünf Schweizer, dass sich der Hass nicht entlädt. Ihre Mission kostet den Bund eine Million Franken pro Jahr. Ein bescheidener Beitrag, der fünf Löhne deckt und einen Teil der Logistik. Kost und Logis stellen Südkorea und die USA unter einem Uno-Mandat. Zum Team gehören ein Berufsoffizier und vier Milizkräfte. Ein Jurist ist dabei, ein Staatswissenschaftler, ein Ex-Journalist, ein Quartiermeister, der die Buchhaltung führt und die Verpflegung besorgt. Der General dient vier Jahre, die anderen eins bis zwei.

Msalutenschen mit militärischem Verständnis seien gefragt, sagt Joss – und mit diplomatischem Geschick. Mitte Juli etwa hatten US-Soldaten vor, an der Grenze das Gras zu mähen. Sie wussten: Dringen die Gärtner nur ­einen Zentimeter in nordkoreanisches Gebiet ein, gibt es Tote. Die Amerikaner riefen die Schweizer herbei. Nordkoreaner beobachteten die Gärtner, waren jederzeit bereit, Hand an ihre Waffen zu legen. Kaum waren die Schweizer da, entspannte sich die Lage. Nun konnten noch die Sträucher geschnitten werden.

So lange Schweizer beobachten, wissen Süd- wie Nordkoreaner, explodiert es nicht. «Klar, nicht nur wegen uns hat es 57 Jahre keinen Krieg gegeben», sagt Joss. «Wir sind aber eines der Zahnräder, das dazu beiträgt.»

Der General sitzt auf dem Rücksitz eines schwarzen Hyundai Grandeur. Eine grosse, aber keine luxuriöse Limousine. Wo vorne sonst das Nummernschild hängt, prangen zwei Sterne. Fahrer Myong Chin Na hält vor dem Tor des US-Stützpunkts Yongsan, der mitten in der südkoreanischen Metropole Seoul liegt. 24 000 Amerikaner leben hier und fünf Schweizer. Ein Wächter prüft das Gesicht von Joss, salutiert, lässt das Auto rein.

joss_skypeWie in einer amerikanischen Kleinstadt sieht es hinter dem Tor aus. Soldaten kaufen das Benzin in Gallonen, zahlen in Dollars. Sie essen Whopper bei Burger King, trinken Frappuccino bei Starbucks, beziehen Geld bei der Bank of America, kaufen den Jeep beim Autohändler, der zusätzlich Töffs von Harley-Davidson im Sortiment führt.

Es hat Basketball-Courts und Baseballfelder. An den Schulen unterrichten Lehrer in Englisch. General Joss bewohnt ein einstöckiges Haus, das in Oklahoma stehen könnte. Sein Nachbar dient als «intelligence officer», also als Spion. Seine Tochter kam im März im US-Militärspital zur Welt.

Frau und Baby verbringen den Sommer in Bern. Dort ist es jetzt 8 Uhr morgens, sieben Stunden früher als in Seoul. Joss stellt den Computer an, startet Skype auf, lädt seine Frau zum Videochat ein. «Hoi Noel, hoi», grüsst er. Das Mädchen strahlt. «Hallo Jean-Jacques», sagt die Mutter. Lust auf Smalltalk hat sie nicht. «Wie gefährlich ist es?», will sie wissen. Die Zeitungen berichten über US-Manöver im Ostmeer. Nordkorea droht, sie «verheerend» und «nuklear» zu vergelten.

Keine Angst müsse sie haben, beruhigt Joss. «Solche Drohgebärden kommen, und sie verschwinden wieder.» Kaum war er im November 2007 in Korea angekommen, drohte der Norden mit «sofortigem Krieg». Joss erschrak. Doch es passierte nichts. «Derzeit schwappen die Wellen wieder etwas höher.»

Blank liegen in Korea die Nerven seit dem 26. März. Ein nordkoreanisches U-Boot torpedierte die Cheonan. Das südkoreanische Kriegsschiff brach sofort auseinander und sank. Mit ihm 46 Marinesoldaten. Letzte Woche kaperte der Norden ein südkoreanisches Fischerboot.

Joss wirft der Familie eine Kusshand zu. Dann beendet er das Videogespräch. Eine Klimaanlage surrt. Schwüle Luft liegt über Seoul. Der General trägt die leichte Sommeruniform der Schweizer Armee, die Ärmel hat er nach hinten gekrempelt. Auf der linken Schulter prangt ein dezentes Schweizer Kreuz, dazu der Schriftzug «Suisse», auf der rechten das gelb-blau-rot-weisse Wappen der neutralen Staaten, die die Grenze beobachten.

Ist er bewaffnet? «Oh ja», sagts, greift in die rechte Hosentasche und zieht das rote Offiziersmesser hervor. «Damit.»

Joss dient seit 28 Jahren als Berufsoffizier. Zuletzt leitete er das Kompetenzzentrum Sport und Prävention. Unter Uno-Flagge sorgte er 1990 in Namibia für den friedlichen Übergang in die Unabhängigkeit, später leistete er in der Westsahara Dienst. In Kansas absolvierte er die amerikanische Generalstabsausbildung.

seoulEine Stunde dauert die Fahrt von Seoul zur demilitarisierten Zone. Eine zehnspurige Autobahn führt entlang des von Stacheldraht gesicherten Han-Flusses, vorbei an Bürotürmen aus Stahl und Beton, Wohnsiedlungen. Europäische Grossstädte wirken daneben wie Dörfer. Auf Flughäfen folgen Fab­riken und spektakuläre Brücken. Vornehmlich südkoreanische Autos verkehren auf der Strasse – Hyundais, Kias und Daewoos. Zeugen der wirtschaftlichen Kraft Südkoreas.

Auf der Nordseite jagen sich hingegen die Hungersnöte, steht manche Fabrik still, unterjocht ein selbstherrlicher Diktator sein Volk.
Führend ist der Norden beim Militär. 1,2 Millionen Soldaten stehen unter Waffen, mit den Reservisten sind es 6,5 Millionen. Südkorea hat 681 000 aktive Soldaten und rund 2,4 Millionen Reserven. Hinzu kommen 28 500 Amerikaner. Die Schweizer prüfen die US-Truppenstärke, ebenso wie viele militärische Fahr- und Flugzeuge sie ins Land bringen.

panmunjomDie Kontrolle sei ein Beitrag zum Frieden, sagt Joss. Und Frieden ist in Korea ein rares Gut. Kurz, von 1897 bis 1910, existierte ein freies koreanisches Reich. Bis zum Zweiten Weltkrieg knechtete Japan die Halbinsel. Hernach teilten sie die Siegermächte am 38. Breitengrad auf. Mit russischen und chinesischen Panzern drangen die Nordkoreaner 1950 tief in den Süden vor. Unter US-Führung hielt eine Koalition aus 16 Ländern dagegen.

Bis zum Waffenstillstandsabkommen vom 27. Juli 1953 starben vier Millionen Menschen, die meisten Zivilisten. Vier Nationen – Schweden und die Schweiz im Süden, Polen und die Tschechoslowakei im Norden – erhielten den Auftrag, die Waffenruhe zu überwachen.

Bundesrat Karl Kobelt entsandte 141 Soldaten ins ferne Asien. 41 davon halfen gut zwei Jahre bei der Rückführung von Kriegsgefangenen. 82 000 Koreaner gingen vom Süden in den Norden, 13 000 in die andere Richtung.

Die restlichen Schweizer formierten mit den anderen neutralen Ländern die Neutral Nations Supervisory Commission (NNSC), der Überwachungstrupp der Neutralen. Anfänglich leiteten zwei Offiziere das Schweizer Detachement, später waren es 37 Diplomaten in Folge. Seit Joss 2007 das Kommando übernahm, steht wieder ein Soldat an der Spitze.

op_doraBusse fahren jährlich 180 000 Touristen von Seoul in die DMZ. Sie besuchen den Tunnel, den Nordkoreaner für eine neuerliche Invasion gegraben hatten. Einen Park mit rostendem Kriegsgerät. Ein Shop preist nordkoreanische Banknoten feil. Auf der Tour verboten sind Jeans und Miniröcke. Die Nordkoreaner sollen nicht glauben, Menschen im Süden seien schlampig angezogen. Auf einem bewaldeten Hügel thront der Grenzposten Dora. Dutzende von Feldstechern stehen bereit für den Blick nach Nordkorea. Eine riesige südkoreanische Flagge flattert mitten in der DMZ. Die Fifa hatte sie anlässlich der Fussball-WM 2002 geschenkt. Provokativ errichteten die Südkoreaner einen Masten und zogen sie hoch. Wenige Wochen später stellten die Nordkoreaner einen noch höheren mit einer noch grösseren Fahne hin. Trotzig stehen nun zwei Masten im sattgrünen Niemandsland.

Alle paar Minuten stört eine Explosion die Idylle. Wahrscheinlich ein Tier, das auf eine Landmine getreten ist. Hunderttausende Minen liegen in der DMZ. Sträucher haben viele längst überwuchert. Minenpläne gibt es nicht. Fällt die Grenze, bleibt sie ein ewiges Naturschutzgebiet mit 70 Säugetierarten, dreihundert Vogel- und tausend Pflanzenarten.

dorosanZuletzt stoppt der Tourbus bei der Dorosan Station. Der Bahnhof aus Glas und Stahl steht direkt an der Grenze. Der damalige US-Präsident George W. Bush legte im Jahr 2002 die erste Eisenbahnschwelle. Weitaus günstiger und schneller wäre es für die eifrige Industrie­nation, Autos und Flachbildfernseher, Handys und Mikrochips per Eisenbahn nach China, Russland und Europa zu bringen. Da der Schienenweg blockiert ist, bleibt der Seeweg. «Dorosan Station ist nicht der letzte Bahnhof im Süden, sondern der erste hin zum Norden», besagt ein Plakat bei den Geleisen.

Die Wartehalle ist hoch und hell, die Toilette sauber. Morgens öffnet die ­Kioskfrau ihren Laden. Vergebens wartet sie auf Kunden. Pro Woche verkehrt nur ein Zug – südwärts.

Es ist still in Panmunjom, gespenstisch wie an allen Grenzen, die verfeindete Staaten teilen. Gross gewachsene Taekwondo-Kämpfer starren gegen Norden. Die alten Holzhäuser tragen Nummern und ein T – T für temporär. Als sie 1953 errichtet wurden, glaubten alle, aus dem Waffenstillstandsabkommen würde bald ein Friedensvertrag.

Die blaue Baracke mit der Bezeichnung T1 steht mitten auf der Grenzlinie. Sie hat zwei immer offene Türen, eine im Norden, die andere im Süden. Stets am Dienstag treffen sich Schweizer und Schweden. Sie sitzen auf alten Holzstühlen, die einst im Ständeratssaal im Bundeshaus standen, besprechen die Lage, reden über Truppengrössen und Verstösse. Eine Kopie des Protokolls geht an den Süden. Die andere bereitet Major David Sassan Müller reichlich Probleme.

mueller_feldmannMüller, 28, ist Jurist und Sekretär der Schweizer Korea-Tuppe. Er nimmt das wöchentliche Protokoll, öffnet die Türe zum Norden, schwenkt das Papier, um die Aufmerksamkeit der Nordkoreaner zu wecken. Dann steckt er es in den Briefkasten. Direkt hinter ihm steht ein schwedischer Kollege, hält ihn an der Schulter. «Zur Sicherheit», sagt Müller. Der Griff soll verhindern, dass er in den Norden entführt wird. Ob die Nordkoreaner die Protokolle lesen, weiss der Jurist nicht. «Es ist nicht unsere Aufgaben, das zu überwachen.» Sicher ist: Die Zettel bleiben im Briefkasten liegen. Quillt er über, leert ihn Müller und schreddert alles.

Etwas «nervös» sei er anfänglich gewesen, sagt Müller. Joss führte ihn an die Grenze, damit die Nordkoreaner ihn sahen und sein Gesicht kennenlernten. Angst habe er keine. «Die Medien spielen die Situation etwas hoch», sagt der Milizsoldat. «Wir sind nicht das Ziel.» Nie vergesse er aber, wie gefährlich die Lage sei. Oberst Urs Casparis, 65, beschreibt es mit einer Metapher. «Wir sind im Auge des Orkans.» Dort ist es ruhig. Nordkoreanische Raketen sind auf Seoul gerichtet, nicht auf Panmunjom. «Der Wind dreht am Rand des Sturms schneller als in der Mitte.»

champagnerKritik, das einseitige Rapportieren bringe wenig, es handle sich um absurdes Theater, lässt Jurist Müller nicht gelten. «Wir helfen, dass völkerrechtliche Verträge eingehalten werden.» Die Schweizer tun das gewissenhaft, mit Demut. Nie stellen sie ihr Ego ins Zent­rum, bleiben neutral. Müssen überzeugt sein, was Müller glaubt: «Mit dem Engagement leis­te ich einen winzigen, aber nicht unwesentlichen Beitrag zu Frieden und Stabilität.»

Seit 57 Jahren schweigen die Waffen weitgehend. Das gilt es zu feiern. Das Fest zum Jahrestag des Vertragsabschlusses organisieren jeweils die Schweizer. General Joss und seine Offiziere tragen die Ausgangsuniform. Geladen sind Botschafter und hohe Militärs. Eine Einladung ging nach Nordkorea, «wegen der Form», sagt Joss. «Eines Tages werden sie kommen», sagt er, dreht sich und begrüsst Viersternegeneral Walter Sharp. Er ist Kommandant der amerikanischen Truppen in Korea und einer der mächtigsten US-Soldaten.

Derweilen entkorkt Hauptmann Urs Feldmann, 27, in der Baracke T1 Champagnerflaschen. Gemächlich strömen Botschafter und Offiziere in den kargen Raum. Allen überreicht Quartiermeister Feldmann ein Glas Sprudelwein. Am Rednerpult hält Joss eine kurze Rede. Auf den «Frieden auf der koreanischen Halbinsel» stösst er an. Durchs Fens­ter äugt ein nordkoreanischer Soldat.

photographyDraussen ereignet sich ein Schauspiel, das es sonst nirgends auf der Welt gibt. Nordkorea­nische Soldaten rücken direkt an die Grenzlinie vor. Eine Provokation für die Amerikaner, die ebenfalls zur Grenze eilen. Wenige Zentimeter nur trennen die Truppen. Die Amerikaner stehen stramm, blicken nordwärts, ins von Bush verunglimpfte «Land des Bösen». Just zückt ein Nordkoreaner eine Kamera – und fotografiert seine Kumpanen mit den US-Soldaten. Stoisch spielen die Amerikaner mit. Läuft das absurde Theater, fliegen keine Raketen.

Mit Bussen verlässt die Festgemeinschaft die Joint Security Area. 200 Meter östlich, in der Swiss-Swedish Dining Hall, stehen Tische mit schweizerischen und koreanischen Spezia­litäten bereit. General Sharp nippt am Glas. «Die Arbeit der Schweiz ist so wichtig wie vor 57 Jahren», sagt er. Das damalige Abkommen sei der beste Weg zum dauerhaften Frieden. «Die Schweizer sorgen dafür, dass wir es einhalten, die Neutralen legitimieren uns.»

torteWorte, die verpflichten. «Einwandfrei und unparteiisch» muss die Arbeit der Schweizer sein, sagt Joss. Er schnappt sich ein Messer, schneidet zusammen mit Sharp und dem schwedischen Kommandanten eine Schokoladentorte an. Das Dessertbuffet ist eröffnet.

Eine Uno-blaue Brücke verbindet die JSA mit dem Swiss Camp. Nur Neutrale dürfen darüber marschieren. Knapp zehn Meter neben der Grenzlinie, hinter einer Tanne, flattert das Schweizer Kreuz. Aus Wellblech und Lehm bestehen die vier einstöckigen Schweizer Häuser. Jeweils nach der Regenzeit, wenn die rote Farbe abblättert, streicht sie ein Maler neu an. Joss und sein Stellvertreter, Oberst Casparis, bewohnen je ein Haus mit Schlaf-, Wohnzimmer und Büro. Die anderen Offiziere teilen sich das Junggesellenhaus mitsamt Sauna. Im Fitnessraum spielen sie Pingpong, stemmen Gewichte und hauen auf Sandsäcke. Joggen geht wegen der Minen nicht.

Gäste empfangen sie im Swiss Club, dem schweizrot angemalten Offiziers­club. Beim Eingang steht ein Holzbrunnen, wie es sie auf Alpweiden gibt. Hier serviert Quartiermeister Feldmann Nespresso mit Schümli, Guetsli von Wernli und Kambly, Basler Läckerli und Kägi-fret. Hinter Glas ausgelegt sind neun Modelle des Schweizer Militärmessers. Feldmann verkauft sie an Besucher, macht sich im fernen Korea zum Waffenhändler. «Sie sind beliebt bei Südkoreanern», sagt er. Klein sei die Marge. Mit dem Gewinn bewirtet er Gäste.

An der Bürowand von Major Marc Ehrens­perger, 37, hängt eine Landkarte. Mit gelben Punkten hat der Operationsoffizier die wichtigen Wachtposten entlang der Grenze eingezeichnet. Regelmässig besuchen sie die Schweizer von der Südseite. Sie überwachen die Inspektionen der UN-Waffenstillstandskommission. Innerhalb der DMZ muss alles defensiv ausgerichtet sein. Erlaubt sind nur Waffen bis zu einer bestimmten Kalibergrösse. Grenzwächtern, die oft monatelang in einsamen Posten ausharren, verteilen sie Militärschoggi.

landkarteÖfters fliegen Schweizer entlang des 38. Breitengrads, prüfen ob die orangen Markierungen auf der Grenze sichtbar sind. Es soll Piloten abhalten, von Süden nach Norden zu fliegen, was tödlich enden würde.

Kontrolle und Inspektionen gehören zu den erweiterten Aufgaben, welche die Schweizer seit 2005 erledigen. Mit dem Fall der Berliner Mauer fiel der Korea-Einsatz in ­einen «Dornröschen-Schlaf», sagt Joss. Die Tschechen zogen ihre Beobachter 1993 ab. Die Polen gingen 1995, da Nordkorea ihre Unterstützung stoppte. Übrig blieben Schweden und Schweizer. Fleissig schrieben sie Protokolle – die nur eine Seite las.

jossNeuerdings begleiten die Schweizer südkoreanische und US-Soldaten bei Manövern. Bei schweren Zwischenfällen wie der Versenkung des Marineschiffs Cheonan begleiten sie die Untersuchungskommission. Sie überwachen die Rückführung an der Grenze verstorbener nordkoreanischer Flüchtlinge. Überlebt einer die Flucht, befragen sie den Überläufer.

Sie reden an Universitäten über die Grenze, empfangen Präsidenten und Aussenminis­ter, betreuen Veteranen des Koreakriegs. Die Schweiz sei gewillt, in Korea weiterzuarbeiten. Mehrmals hat sie angeboten, selbst im Norden zu beobachten – bisher erfolglos.

Zumal die Fronten verhärtet sind. 2008 endete die sachte Annäherung der letzten Jahre. Der Westen wartet, an wen der kränkelnde Diktator Kim Jong-il die Macht abtritt: den Sohn, das Militär, das Volk. Zuletzt entscheidet wohl China. Das Riesenreich wägt ab, ob ein vereintes Korea die eigene Sicherheit ­stärkt oder ob es zu einem Konkurrenten wird.

touristenOffiziell arbeitet Südkorea auf eine Vereinigung mit dem Norden hin. Doch die junge koreanische Generation ist sich nicht sicher. Sie weiss: Das wirtschaftliche Gefälle zwischen Nord und Süd ist weit grösser als es zwischen Ost- und Westdeutschland einst war.

General Joss gibt sich diplomatisch. «Wir sind heute einer Lösung näher als auch schon.» So lange aber kein Frieden da sei, «bieten wir unsere guten Dienste an».