Schweizer ans Messer

Die US-Steuerbehörden erhalten wohl demnächst die Daten von 4450 Steuertricksern. Mehr als 100 von ihnen haben einen roten Pass.

Von Peter Hossli und Roman Seiler

Letzte Woche auf dem Flug LX 41 nach Zürich: Im Swiss-Airbus sitzt ein rüstiger Rentner. Beim Ausreisen in Los Angeles zeigte er den blauen US-Pass. In Kloten streckt er dem Zöllner den roten Schweizer Pass entgegen. Fröhlich ist der alte Mann nicht.

Der Doppelbürger hat einen Termin bei seinem Steueranwalt in Zürich. Wie weit über hundert andere Schweizer steht sein Name auf der ominösen Liste der 4450 Ex-UBS-Kunden. Deren Identität wird trotz Bankgeheimnis dem US-Fiskus offengelegt. Das verlangt der Staatsvertrag zwischen der Schweiz und den USA, der den Steuerstreit um die UBS beilegen soll. Das Parlament soll ihn nun gutheissen – die Chancen sind gut, nachdem auch die SVP zustimmen will.

Tut dies das Parlament im Juni, liefert es neben Amerikanern auch Schweizer der US-Strafjustiz aus! Das bestätigen mehrere Anwälte, die von SonntagsBlick befragt wurden. Sie behandeln die Beschwerden von Bankkunden, welche die Eidgenössische Steuerverwaltung (ESTV) als Delinquenten mit UBS-Konten aussortiert hat.

Nur US-Millionäre» seien betroffen, sagte Justizministerin Eveline Widmer-Schlumpf noch im April. Nun präzisieren ehemalige UBS-Banker: «Auf der Liste sind Schweizer.» Das bestätigt auch US-Anwalt William Sharp, der steuersäumigen UBS-Kunden in Zürich und Florida bei der Selbstanzeige hilft.

Laut Aussagen eines Vertreters mehrerer UBS-Kunden ist jeder fünfte seiner Klienten Schweizer Bürger. Etwa eine Bernerin, die in New York gelebt hat. Ein betroffener Ostschweizer Handwerker wohnt in Florida. «Ein wesentlicher Teil meiner Schweizer Kunden hat hier Geld geerbt. Sie liessen es liegen und deklarierten es in den USA nicht», sagt der Anwalt.

Allein letzte Woche gingen bei einem anderen Anwalt die Dossiers von zehn Schweizern übers Pult. Sie sind zwischen 70 und 85 Jahre alt und leben an der US-Westküste.

Viele wanderten in den 50er- und 60er-Jahren in die USA aus, waren erfolgreich und erhielten die US-Staatsbürgerschaft. Sie blieben stolze Schweizer mit Konten bei der UBS. Das Geld rührten sie nur an, wenn sie auf Besuch waren – ein Notgroschen in der Heimat.

Die Schweizer auf der Liste seien nicht die dreisten Betrüger, die mit Stiftungen in Liechtenstein und auf Grand Cayman den Fiskus austricksten, sagt ein Anwalt. Das waren oft Amerikaner, die sich selbst anzeigten. «Die Schweizer gerieten eher zufällig auf die Liste.»

Wer zwischen 2002 und 2008 mindestens einmal auf seinem undeklarierten UBS-Konto eine Million Schweizer Franken deponierte, zählt zu den Betroffenen. Ebenso wer in einem der Jahre einen Kapitalertrag von mehr als 100 000 Franken erzielte, ohne dies dem Fiskus zu melden.

Zusätzlich stehen Österreicher und Deutsche, Italiener und Franzosen auf der Staatsvertragsliste. Sie hatten in der Schweiz gelebt und behielten das geheime UBS-Konto, als sie in die USA gingen.

«Die Frage nach der Nationalität spielt für die Umsetzung des Amtshilfegesuchs keine Rolle», sagt ESTV-Sprecher Thomas Brückner. Pech – auch für Schweizer.