Edward Kennedy

Der letzte grosse Kennedy erlag einem Hirntumor. Mit ihm enden ein Mythos und eine amerikanische Dynastie, deren Machtgelüste, Geld- und Frauengeschichten die Welt ein Jahrhundert lang faszinierten.

Von Peter Hossli

tedEdward Kennedy galt als Kennedy mit den geringsten Aussichten auf Erfolg. Als letztes von neun Kindern erblickte er 1932 in Boston das Licht der Welt. Vater Joseph, ein machthungriger Karrierist mit Millionen aus dem illegalen Schnapshandel, sah im Erstgeborenen Joe Junior den ersten katholischen Präsidenten Amerikas. Ginge das schief, müsste halt einer der jüngeren Brüder John oder Robert einspringen.

Der kleine Teddy überlebte sie alle. 46 Jahre sass der Fahnenträger des menschenfreundlichen Ostküstenliberalismus im US-Senat. Länger als er dienten nur zwei Senatoren in der mächtigen Parlamentskammer. Gesetze für bessere Schulen, bessere Sozialnetze, bessere Spitäler drückte der Demokrat durch. Freunde fand er weit über die Parteigrenzen hinaus. Feinde bewunderten ihn.

ted_brosDie aussichtsreicheren Geschwister aber starben jung und hinterliessen wenig Zählbares. Joe Junior explodierte im Flugzeug über England. John wurde nur dank Wahlbetrug US-Präsident. 1963 starb er in Dallas den geheimnisumwittertsten Tod aller Zeiten. Fünf Jahre später schien Robert auf dem besten Weg ins Weisse Haus. Bis ein Palästinenser ihn in einer Hotelküche in Los Angeles mit dem Revolver niederstreckte. Edward hielt eine wuchtige Eulogie auf den grossen Bruder, eine Totenrede, die bis heute nachhallt.

Jetzt starb er – eines natürlichen Todes. Wusste, der Tumor im Kopf ist stärker als der starke Ted. Vergeblich drängte er zuletzt den Gouverneur von Massachusetts, geltendes Recht über die Besetzung plötzlich freier Ämter zu ändern. Nicht durch eine Wahl in drei Monaten, sondern sofort sollte der Sitz neu bestellt werden. Sein Zögling Barack Obama braucht schliesslich jede demokratische Stimme, um die amerikanische Gesundheitsreform zu verwirklichen. Ein Jahrhundertprojekt, für das sich Kennedy fast ein halbes Jahrhundert abmühte.

Allein in den Dienst wenig Begüterter stellte Edward sein Leben jedoch nicht. Wie jeder Kennedy glaubte er sich befugt, ohne Folgen alles tun zu können. Selbstverliebt war er, gierig nach Macht und Einfluss. Papst Pius XII. erteilte ihm die Erste Kommunion. Vom Harvard College flog der irischstämmige Katholik, weil er eine Spanischprüfung fälschte. Dank Patriarch Joseph durfte er das Studium später wieder aufnehmen. Statt in koreanische Schützengräben stieg er in den Fünfzigerjahren auf europäische Viertausender. Auch aufs Matterhorn. In St. Moritz gewann er das erste Bobrennen, das er fuhr.

ted_timeSeine erste Ehe scheiterte an vielen Flaschen Jack Daniels und Frauengeschichten. Seine Chancen auf Wohnrecht im Weissen Haus versenkte er in einem Weiher. In einer schwülen Nacht im Juli 1969 fuhr er auf der Ostküsteninsel Chappaquiddick ein Oldsmobile Delmont über eine Brücke hinaus. Kennedy entkam. Die 28-jährige Beifahrerin Mary Jo Kopechne ertrank. Er enteilte der Unfallstelle, statt die Polizei zu rufen. Dafür fasste er eine bedingte Haftstrafe. Haften blieb damit der nie geklärte Vorwurf, eine seiner vielen Geliebten getötet zu haben. Sturzbetrunken soll er am Steuer gesessen sein.

Zwanzig Jahre lang verbannte ihn der Vorfall in die Klatschspalten. Abends, in den TV-Talkshows, witzelten Moderatoren über den irischen Säufer, der das Glas in der einen, die austauschbare Blondine in der anderen Hand hielt. Paparazzi knipsten ihn sogar beim Freiluftsex auf einem Motorboot. Als er 1991 einem Neffen in typischer Kennedy-Manier noch half, eine Vergewaltigung zu vertuschen, schien er erledigt.

Bis eine gescheite Frau den massigen Mann wieder aufrichtete. 1992 heiratete Kennedy die Anwältin Victoria Reggie. Vicky, wie er sie liebevoll rief, stabilisierte ihn. Trieb den Politiker in den letzten Jahren zur Höchstform. Zuletzt wich sie nicht mehr von seiner Seite.

Doch auch sie schaffte es nicht, dass Edward den Fight seines Lebens gewann: nicht gegen den Krebs, sondern für den Clan. Die eigenen Kinder taugen nicht für das ganz grosse Amt. Sein Neffe, John F. Kennedys Sohn John Jr., flog 1999 eine Piper ins Meer. Kläglich scheiterte Edward vergangenen Winter überdies daran, seine Nichte, Präsidententochter Caroline Kennedy, zur Senatorin von New York zu machen.

Die amerikanische Dynastie ist am Ende angelangt.