“Viele Reiche beissen in den sauren Apfel”

Der Finanzplatz Liechtenstein nimmt einen radikalen Strategiewechsel vor. Das Fürstentum kooperiert mit ausländischen Steuerbehörden und legalisiert so die Schwarzgelder seiner Bankkunden. Ein Modell, das Schule machen könnte.

Interview: Peter Hossli und Hannes Britschgi Foto: Sebastian Derungs

kaiser_webDer liechtensteinische Vermögensverwalter Fritz Kaiser (54) führt die Gruppe Kaiser Ritter Partner. Diese verwaltet 8000 Mandate mit einem Vermögen von über 28 Milliarden. Fritz Kaiser hat die Regierung und das Fürstenhaus in Liechtenstein bei der neuen Finanzplatz-Strategie beraten.

Herr Kaiser, der Steuerstreit mit den USA ist beigelegt. Nur den Preis kennen wir noch nicht. Was erwarten Sie?
Fritz Kaiser: Die Amerikaner werden nichts verschenken. Jetzt setzen sie den Standard für den Austausch von Kundendaten. Jede Bank muss überlegen, was sie tut.

Wird der Fall UBS zur Blaupause, weitere Schweizer Banken zur Datenherausgabe zu zwingen?
Kaiser: Diese Vermutung liegt nahe. Das Thema USA ist sicher nicht abgeschlossen. Andere Schweizer Banken betreuen ebenfalls US-Kunden. Der UBS-Vergleich stärkt das Vertrauen in den Finanzplatz nicht.

Dann ist das lukrative Geschäft vieler Schweizer Banken vorbei, unversteuertes Geld zu horten?
Kaiser: Es wird sehr bald vorbei sein.

Ist das den Schweizer Bankern genug bewusst geworden?
Kaiser: Das Bewusstsein ist da, aber viele sind gefangen vom lukrativen Geschäft. Zudem haben sie den Kunden Geheimhaltung versprochen. Bis vor kurzem glaubten Banker, es werde sich nichts ändern. Die Hoffnung stirbt bekanntlich zuletzt.

Ist die Schwarzgeld-Beichte das Geschäftsmodell der Zukunft?
Kaiser: Schwarzes Geld weiss zu machen, wird für ein paar Jahre ein gutes Geschäft sein. Wir müssen jedoch den Kunden nachhaltige Lösungen bieten.

Ist der Wegfall von Oasen, die Steuerhinterziehung ermöglichen, die grösste Veränderung?
Kaiser: Wer ein Privatvermögen hat, muss die Rahmenbedingungen kennen, die die Welt prägen. Dies hilft etwa bei der ordentlichen Nachfolgeregelung und dem nachhaltigen Investieren. Steuernsparen ist ein anderer Aspekt. Wir müssen jetzt mit den Kunden offen über Steuern reden.

Wie reagieren die Kunden?
Kaiser: Positiv. Sie suchen vertrauenswürdige Ansprechpartner für diese sensiblen Themen. Aber es ist hoch komplex und beginnt beim Mitarbeiter der Bank. Er ist ausgebildet, erst gar nicht darüber zu sprechen. Kundenberater tun sich schwer, Kunden zu fragen, ob das Geld in deren Heimat versteuert ist.

Wovor fürchten sie sich denn?
Kaiser: Sie bangen um ihren Job und die Gewinne der Bank. Kundenberater glauben, der Kunde springe ab, wenn er Steuerkonformität anspricht. Dabei lohnt sich Ehrlichkeit. Ein verantwortlicher Banker muss Kunden auf Risiken hinweisen.

Das klingt eigentlich nach einer Selbstverständlichkeit.
Kaiser: In der Vergangenheit haben sich Kundenbetreuer zu viel vom Eigennutz lenken lassen. Es ist ganz wichtig, den Kunden wieder vollumfänglich ins Zentrum der Beratung zu stellen. Und dabei auch unangenehme Themen offen und ehrlich anzusprechen.

Kaiser Ritter Partner betreibt eine Schweizer Firma, die der US-Börsenaufsichtskommission 5EC unterstellt ist. Sie ermutigen US-Kunden zur Selbstanzeige. Wie viele Kunden haben Sie der UBS abgeworben?
Kaiser: In den letzten Monaten haben wir über hundert US-Kunden abgewickelt, nicht nur von der UBS. Wir werben nicht ab, sondern kooperieren mit Banken.

Wie ist es Ihnen gelungen, legal US-Kunden betreuen zu dürfen?
Kaiser: Wir sind zur US-Steuerbehörde IRS gegangen und haben gefragt, wie wir das tun sollen. Die IRS war erstaunt, die Bank einer Steueroase zu empfangen. Sie tat es mit einem «Welcome!». Wir haben das Selbstanzeigeprogramm der IRS adoptiert und später auch eine SEC-Bewilligung erhalten.

Sie sagen, Sie hätten privilegierten Zugang zur IRS. Kritiker schnöden, das sei Marketing-Gerede. Wo liegt die Wahrheit?
Kaiser: Marketing spielt auch eine Rolle. Jedenfalls haben wir eine eigene Anlaufstelle beim IRS in den USA, um den Offenlegungsprozess möglichst schmerzfrei abzuwickeln. Unsere US-Kunden müssen ihr Schwarzgeld innerhalb nützlicher Frist versteuern, sonst können sie nicht bei uns bleiben. Wir sind proaktiv zur IRS gegangen – lange vor dem öffentlichen Steuerstreit.

Was kostet es einen Amerikaner, Schwarzgeld weiss zu machen?
Kaiser: Etwa ein Drittel des Vermögens.

Was kriegt er dafür?
Kaiser: Er ist sauber und muss keine Strafverfolgung fürchten. Er kann Geld in der Schweiz oder Liechtenstein lassen. Das Bankgeheimnis bleibt für ihn in anderen Belangen gewahrt.

Ist Ihre Strategie letztlich nicht eine Kapitulation?
Kaiser: Das sagen viele. Ich halte es für gescheiter zu verstehen, was passiert. Die Schweiz und Liechtenstein können nicht Inseln bleiben, sondern tun gut daran, ihre Zukunft proaktiv selbst zu gestalten. Es ist unmöglich, Kunden Rechtssicherheit zu gewähren, wenn alle angreifen. Die kleine Schweiz will nicht das gallische Dorf sein, das von der Welt umzingelt ist.

Wird der Bankkunde gläsern?
Kaiser: Nein. Solange die Steuerkonformität gewährleistet ist, hat der Kunde ein Recht auf finanzielle Privatheit.

Was bleibt davon denn übrig?
Kaiser: Alles ausser Steuerhinterziehung. Ist die Steuerpflicht einmal erfüllt, akzeptiert die OECD das Bankgeheimnis.

Banken werden künftig zur Weltpolizei aller Steuerbehörden?
Kaiser: «Polizei» ist zu provokativ. Wir können uns auch als Dienstleister verstehen, die Kunden dabei helfen, dass steuerlich alles richtig ist.

Soll die Schweiz von Ihnen und Liechtenstein lernen?
Kaiser: Ich bin unabhängig und versuche die grossen Zusammenhänge und Bewegungen zu verstehen, um richtig zu entscheiden. Ein CEO einer globalen Grossbank muss viele Stakeholder berücksichtigen. Liechtenstein ist kleiner als die Schweiz und in vielem auch freier. Der äussere Druck zwingt auch den Schweizer Finanzplatz, Entscheidungen zu treffen.

Liechtenstein hat eben ein Steuerabkommen mit England besiegelt. Warum der Alleingang ohne Schweiz?
Kaiser: Bisher sind wir im Schweizer Schatten gesegelt. Nun positionieren wir uns selbst. Die Schweiz bleibt ein grosser Bruder, mit dem wir viel koordinieren. Aber wir müssen auch eigene Entscheidungen treffen.

In der Schweiz löst dies Verwirrung aus. SVP-Nationalrat Hans Kaufmann verlangt, die Zoll- und Währungsunion mit Liechtenstein neu zu überdenken.
Kaiser: Nicht alle denken so. Was für Liechtenstein gut ist, könnte auch für die Schweiz passen. Wir wollen von einer Steueroase zur Vermögensoase werden.

Konrad Hummler von der Bank Wegelin und die Bankiervereinigung setzen auf eine Abgeltungssteuer als Modell der Zukunft. Was halten Sie davon?
Kaiser: Es ist ein altes System und nicht realistisch. Der Druck ist zu weit fortgeschritten. Statt alter Ideen müssen wir Innovation bringen.

Auf Schweizer Banken lagern schätzungsweise 400 Milliarden unversteuertes Privatvermögen. Wie kann es weiss werden?
Kaiser: In dem wir kluge bilaterale Abkommen mit andern Ländern schliessen und den Kunden helfen, ihre Situation möglichst schmerzfrei und zukunftsorientiert zu bereinigen. Die Schweiz will das Geld im Land halten. Gefährlich ist die Entwicklung in Italien. Premier Berlusconi offeriert Italienern eine Steueramnestie – falls sie ihr Geld von der Schweiz nach Italien bringen. Das bedroht aktuell den Tessiner Finanzplatz.

Gibt es in zehn Jahren überhaupt noch Steueroasen?
Kaiser: Es wird keine Orte mehr geben, die unversteuerte Gelder verstecken können. Das dauert aber nicht zehn, sondern eher drei, maximal fünf Jahre.

Dann gibt es in fünf Jahren nur noch glückliche Reiche?
Kaiser: Viele Reiche beissen bereits in den sauren Apfel. Dafür schlafen sie wieder ruhig.

Wie ändert sich der Finanzplatz Schweiz?
Kaiser: Wegen des Bankgeheimnisses war er lange eine geschützte Werkstatt. Darin wurde Swiss Banking entwickelt. Es ist das Matterhorn der Finanzbranche. Durch den Steuerstreit hat es aber gelitten. Die Lösung von unversteuerten Vermögen kann zur Erlösung werden. Nun kann es auf echte Werte setzen.