Gefragt sind paranoide Leute

Exzellente Leader seien besessen, Überragendes zu leisten, sagt Jim Collins. Der US-Bestsellerautor über die Notwendigkeit von Zwangsneurosen, den Umgang mit Turbulenzen und das Vorbild Beethoven.

Interview: Peter Hossli

jim_collins_web.jpgHerr Collins, exzellent geführten amerikanischen Konzerne unterliefen jüngst die widrigsten Fehler der Wirtschaftsgeschichte. Wie war das möglich?
Jim Collins: Ich weiss es nicht. Keiner weiss es.

Wie verändert die Krise zumindest Ihr Denken über die Wirtschaftswelt?
Collins: Die Besonderheiten der Krise sind noch jung. Sie ändern sich blitzschnell. Es ist unmöglich, schon zu sagen, wie dadurch unser Handeln und Denken geprägt werden. Als im August 1914 der Weltkrieg ausbrach, konnte während Jahren keiner die geopolitischen Konsequenzen abschätzen.

Sie gelten als vorzüglicher Kenner von Managementsystemen. Oft wird die Finanzkrise als Führungskrise beschrieben. Trifft das zu?
Collins: Wenn die gesamte Wirtschaft leidet, sind alle mit ähnlichen Umständen und turbulenten Ereignissen konfrontiert. Es ist also kaum vorstellbar, dass alle Leader versagt haben. Was derzeit passiert ist gigantisch, es ist systemisch – und wir verstehen es nicht.

Sie enttäuschen mich. Sie haben Millionen Exemplare Ihrer Managementbücher verkauft. Ihre Theorien werden verehrt. Sie müssen in der Lage sein, die Aktualität zu beschreiben.
Collins: Als Historiker betrachte ich die grossen Kurven der Geschichte. Mein Ansatz ist analytisch. Ich vergleiche Konzerne, die ähnlichen Umständen ausgesetzt sind. Dann frage ich mich, was bei ihnen wie stark korreliert. Aus den Resultaten ziehe ich Schlüsse. Ich habe keinerlei akkurate Vorstellung aktueller Gegebenheiten.

Schade, wollen derzeit doch alle wissen, was jetzt passiert und was morgen sein wird.
Collins: Als ich 18 Jahre alt war bestellte mich mein Philosophieprofessor in sein Büro. «Herr Collins, ein Tipp eines Weisen», sagte er. «Man soll nie über Dinge reden, die man nicht kennt.» Daran habe ich mich gehalten. Von vielen erhalten Sie eine Meinung. Von mir nicht. Ich rede nur über das, was ich weiss.

Wir durchleben eine turbulente Zeit. Gleichzeitig erhält Amerika und somit die Welt mit Barack Obama eine neue Führungspersönlichkeit. Bringt er die Eigenschaften mit, die es braucht, um die Krise zu bewältigen?
Collins: Sie fragen mich etwas, das ich unmöglich wissen kann.

Warum nicht? Sie analysieren Leader.
Collins: Wissen Sie es etwa?

Man kann Obamas Reden anschauen, seine bisherigen Entscheide, seine Ideen, wie er den Wahlkampf geführt hat.
Collins: Ich bin ein Historiker und kümmere mich nicht um Aktualität. Es ist sehr, sehr schwierig, einen amtierenden Leader zu beurteilen. Das geht vielleicht in vier, wohl aber erst in acht Jahren. Ich hoffe, er ist ein exzellenter Leader. Weltweit dürsten alle nach einem Erfolg Obamas.

Okay, reden wir über Ihre Forschungsergebnisse. Was ist ein exzellenter Leader?
Collins: Eine Person, die nicht aus Eigeninteresse handelt, sondern eine erstklassige Firma aufbauen möchte. Exzellente Leader wollen etwas schaffen, das grossartiger ist als sie selbst. Sie wollen die Welt prägen. Um das zu erreichen, sind sie absolut unnachgiebig und scheuen die schmerzhaftesten Entscheide nicht. Als besonderes Merkmal fiel uns bei der Recherche die Demut auf. Viele der besten Firmenlenker sind unbekannt geblieben. Es sind keine Stars. Sie haben kein Charisma.

Unsere Gesellschaft feiert charismatische Bosse. Das widerspricht Ihren Ergebnissen.
Collins: Es ist interessanter, über charismatische Bosse zu schreiben. Es bereitet mehr Spass, ihnen zuzuhören. Sie ziehen mehr Aufmerksamkeit auf sich. Interessante Leute interessieren uns. Allerdings darf Charisma nie mit Führungsqualität verwechselt werden.

Es gibt durchaus charismatische Bosse, die erfolgreich sind.
Collins: Ja, das stimmt. Es braucht aber kein Charisma, um ein exzellenter Leader zu sein. Die meisten exzellenten Leader exzellenter Konzerne haben keinerlei Charisma.

Das Ziel vieler CEOs ist die Titelgeschichte bei «Fortune» oder «Business Week». Wie versteht jemand, dass selbstlose Strebsamkeit zu Erfolg führt?
Collins: Viele exzellente Leader durchliefen ein demütigendes Ereignis. Es beflügelte eine Strebsamkeit, die grösser ist als sie selbst. Nehmen sie Darwin Smith, den CEO von Kimberly-Clark. Er erkrankte an Krebs. Die Ärzte gaben ihm ein Jahr zu leben. Er bezwang den Krebs und wurde ein wirklich grossartiger Konzernchef. Er realisierte die eigene Sterblichkeit und wollte fortan das Beste geben, das er geben kann.

Solche Demut scheint die Ausnahme. Längst nicht alle Topleute kommen dem Tod nahe.
Collins: Falsch. Alle grossartigen Leader hatten demütigende Erlebnisse. Ein exzellenter Leader ist jemand, der eine mittelmässige Firma grossartig machen kann. Wer eine bereits grossartige Firma übernimmt und weiterhin Erfolg hat, ist nicht exzellent. Nicht jeder erfolgreiche Chef hat Demut. Jedoch alle, die aus guten Firmen grossartige machen, sind demütige Menschen.

Immerhin haben sie dabei ziemlich viel Geld eingestrichen. Wo liegt das Verhältnis zwischen Verdienst und Leistung?
Collins: Es gibt keines. Boni bringen nicht mehr Leistung, sie führen zu höheren Chefsalären.

Konzerne argumentieren, mit Boni würden sie Talente halten. Welche Bedeutung hat Geld?
Collins: Die entscheide Frage ist nicht wie viel man einem Leader zahlt. Sie lautet: Ist es die richtige Person. Der richtige Leader und die richtigen Leute werden alles Menschenmögliche tun, die besten Resultate zu erzielen um eine grossartige Firma aufzubauen. Warum? Weil sie gar nicht anders können.

Angesichts der Gier unter Firmenchefs halte ich das für eine naive Sicht der Dinge.
Collins: Als Sam Walton Wal-Mart aufbaute, versetzte er Bäume. Er blieb selbst dann neugierig und leidenschaftlich als er bereits acht Milliarden Dollar besass. Als er an Knochenkrebs erkrankte, arbeitete er ruhelos weiter. Sein Fahrer fragte ihn: «Sam, wann hörst Du endlich auf und geniesst Dein Leben? Du bist Multimilliardär, allzu lange wirst Du nicht mehr leben». Walten antwortete: «Das ist mein Leben.» Er liebte, was er tat. Es ist dieses total verzweifelte kreative Bedürfnis etwas Ausserordentliches zu schaffen, das exzellente Leader antreibt. Nicht Geld.

Professor Robert S. Kaplan von der Harvard Business School widerspricht Ihnen. Er glaubt an die kapitalistische Formel «Gier ist gut»: Ein gieriger Manager, der bezahlt wird aufgrund seines Erfolges, bringt eine Firma am weitesten.
Collins: Exzellente kreative Arbeit – eine grossartige Firma aufzubauen ist ein kreativer Akt – ist eine Zwangsneurose. Es ist eine produktive Neurose. Es ist ein besessenes Bedürfnis etwas Ausgezeichnetes zu schaffen.

Dann sind grossartige Leader allesamt Spinner?
Collins: Würden Sie Beethoven fragen, «warum müssen Sie diese Fünfte Symphonie so schreiben, dass sie in unsere Ohren dringt, unser Hirn neu ordnet, und durch die Tiefen von Dunkelheit und Verzweiflung führt, und uns auf der anderen Seite Licht zeigt? Sie kriegen gleich viele Kreuzer, ob die Symphonie nun grossartig ist oder mittelmässig. Nehmen Sie es doch ein bisschen gelassener Ludwig, Sie werden ohnehin bezahlt.» Beethoven würde das nicht verstehen. Er wollte die bestmögliche Fünfte Symphonie schreiben, ein bleibendes Werk, das Ohren, Seelen, Herzen, Verstand und Geist berührt. Exzellente Leader sind gleich. Ein Konzern aufzubauen ist deren kreative Arbeit, deren Fünfte, Siebte oder Neunte Symphonie.

Beethovens Erfolg ist nicht wirklich messbar. Es ist Kunst. Der Erfolg eines Firmenlenkers wird nur durch die Anzahl Dollars und Cents gemessen.
Collins: Falsch. Southwest Airlines hat mit Herb Kelleher einen hervorragenden Chef. Keine Aktie florierte zwischen 1972 und 2002 besser als jene von Soutwest Airlines. Herb Kelleher spricht nie über den Aktienkurs. Er spricht über die Firmenkultur, die er geschaffen hat. Er war stolz, als nach 9/11 seine Mitarbeiter in der Lage waren, keinen einzigen Flug streichen zu müssen. Er ist noch immer zu Tränen gerührt, wenn er das erzählt. Es geht ihm nicht ums Geld, es geht ihm um die Kultur, die er schuf.

Solche Leute scheinen die Ausnahme. In den letzten zehn Jahren platzte die IT-Blase, Gauner fälschten bei Enron und WorldCom die Buchhaltung. Jetzt die Finanzkrise. Gehen uns die exzellenten Führungskräfte aus?
Collins: Wer die Wirtschaftsgeschichte anschaut, sieht viele exzessive Perioden, etwa die zwanziger Jahre. Es gab die Finanzkrise von 1907, die Raubritter des späten 19. Jahrhunderts. Das kapitalistische System hatte immer ein exzessives Element. Verändert hat sich nur die Form. Manchmal sind es Subprime-Kredite. Dann IT-Blasen, dann fremdfinanzierte Übernahmen. Zuletzt waren es verrückte Börsenrallyes. Exzess ist ein bedauerlicher Teil, aber es ist ein Teil des Kapitalismus’.

Eine vereinfachende Erklärung. Das würde heissen, die jetzige Krise sei herkömmliche Geschäftspraxis und gehe bald wieder vorbei.
Collins: Die Geschwindigkeit der Exzesszyklen hat zugenommen. In relativ kurzer Zeit haben wir fremdfinanzierte Fusionen erlebt, gefolgt von der Übernahmewelle der achtziger, dem IT-Boom der neunziger Jahre, und jetzt die Finanz- und Subprime-Krise. Das ist ein ziemlich schneller Zyklus. Erklären kann ich das noch nicht. Es fällt aber auf, wie heftig die Booms und wie heftig die Blasen ausfallen. Die Konjunkturtiefen sind gross und sie kommen rasch. Künftig könnten sie noch grösser ausfallen und rascher kommen.

Gibt es dafür eine Erklärung?
Collins: Die Zeit zwischen 1950 und 2000 war eine Periode mit ungemeinem Wohlstand und Stabilität. Die Präsenz zweier Supermächte schuf eine gefährliche aber relativ stabile Welt. Die Stabilität förderte den Wohlstand für eine ziemlich lange Zeit. Das wird zu meiner Lebzeiten nie mehr eintreten.

Die meisten Konzernchefs haben nur florierende Zeiten erlebt. Können sie mit der Krise überhaupt umgehen?
Collins: Wir sind ungeübt, während Turbulenzen Erfolg zu haben. Selbst die besten Leader können nicht wissen, was passieren wird. Wir durchleben eine Ära mit enorm viel Instabilität, enorm viel Unsicherheit. Verschwunden ist die gängige Praxis, etwas vorauszusehen und anhand einer Prognose einen Plan zu entwerfen – für ziemlich lange.

Das ist kein Ratschlag von jemandem, der Ratgeber schreibt.
Collins: Gefragt ist die Fähigkeit, sich auf das vorzubereiten, was wir unmöglich voraussagen können. Das ist eine komplett neue Art, die Dinge zu betrachten.

Es scheint unmöglich das zu tun.
Collins: Es braucht Leader, die sehr stoisch sind. Gefragt sind wahrhaftig paranoide und abgefahren konservative Leute. Sie wahren grundsätzliche Werte und schaffen Puffer für echte Schocks.

Das tönt kryptisch. Was meinen Sie damit?
Collins: Es brauchte Leader, die finanziell konservativer agieren und massiv viel zusätzliches Bargeld in der Bilanzsumme führen.

Das ist eine ziemlich irrationale Geschäftspraxis.
Collins: Es ist fast immer irrational. Aber es ist höchst rational wenn die wirklich brutal ungewissen Zeiten kommen.

Das scheint eine Weiterführung eines Schlüsselergebnisses ihres Buches «Good to Great». Sie schreiben, es sei essentiell, die brutalen Fakten zu erkennen.
Collins: In einer turbulenten Welt geht es nicht mehr nur darum, den Fakten ins Gesicht zu blicken. Es geht darum, sich alle brutalen Fakten vorzustellen, die noch nicht eingetroffen sind – und sich vor ihnen besessen zu fürchten und sich auf sie vorzubereiten. Turbulente Zeiten bedingen paranoid neurotische Freaks als Firmenlenker.

Irgendwie erinnert das an Apple-Chef Steve Jobs. Der Exzentriker gilt als einer der exzellentesten Leader überhaupt. Es wird oft gesagt, seine Ideen seien ausschlaggebend. Sie aber sagen, Ideen seien hübsch, aber nicht notwendig um grossartig zu werden. Jobs untergräbt Ihre Theorie.
Collins: Es ist ziemlich einfach, eine Idee zu kopieren. Die kreative Kultur ist wichtiger als eine Idee. Um erfolgreich zu sein, muss man nicht unbedingt der erste sein oder die beste Idee haben. Man muss sie am besten umsetzen. Nehmen sie den iPod von Apple. Sony hat ebenfalls an einem digitalen Musikplayer gearbeitet. Die Idee, eine grosse Menge Musik herumtragen zu können, existiert seit Jahren. Die Poesie des iPods liegt in der überragenden Ausführung.

Was hat Steve Jobs, was andere nicht haben?
Collins: Steve Jobs ist ein industrieller Beethoven. Der Macintosh ist wie die Dritte Symphonie. Der iPod ist die Fünfte Symphonie. Das iPhone ist die Siebte Symphonie. Ich bewundere seine Hingabe ungemein, Ideen zu grossartigen Dingen umzuwandeln.

Dann wird Jobs fälschlicherweise für seine Ideen bewundert? Er hat vor allem existierende Ideen genommen und sie zu grossartigen Dingen gemacht.
Collins: Es gibt keine grossartigen Sachen, denen nicht überragende Ausführung zugrunde liegt. Viele Leute haben die gleich guten Ideen. Viele könnten die Idee «Bum bum bum bum» [er summt Beethovens Fünfte Symphonie] gehabt haben. Aber längst nicht jeder kann die Fünfte schreiben.

Dann ist es wichtiger wer etwas tut als was getan wird?
Collins: Es ist unmöglich vorherzusagen, was die Welt auf Dich wirft. Daher lautet die beste Strategie, grossartige Leute zu haben, die mit all dem umgehen können, was die Welt auf sie wirft. Die besten Leader denken zuallererst an die Leute, mit denen sie sich umgeben. Die Ausrichtung einer Firma ändert sich meist. Wer die richtigen Leute hat, kann einfacher die Richtung ändern.

Was bedeutet das in turbulenten Zeiten?
Collins: Ich besteige Berge. Als Bergsteiger weiss man nie, wie Dich der Fels herausfordert. Wer im Hochgebirge klettert, muss mit rasch wechselndem Wetter rechnen. Die wichtigste Entscheidung ist da der Kletterpartner. Wendet sich der Berg gegen Dich, musst Du einen Partner haben, der zusammen mit Dir einen Ausweg findet. In einer turbulenten Welt ist es noch wichtiger, zuallererst an die Leute zu denken, mit denen man sich umgibt.

Talente sind sehr teuer. Derzeit scheint niemand willig zu sein, für Talente Geld auszugeben.
Collins: Turbulenz ist Dein Freund. Jetzt ist eine Zeit, in der man wirklich grossartige Leute findet. Es gibt viele Talente, die danach dürsten, etwas zu tun. Wer diese Chance nicht nutzt, ist ganz und gar verrückt.

Ein Schlüssel zum Erfolg sei das Stachelschwein-Prinzip, sagen Sie. Demnach müssten Leader das suchen, worin sie gut seien und sich darauf konzentrieren. US-Firmen sind dem enormen Druck ausgesetzt, alle drei Monate gute Quartalszahlen zu präsentieren. Es scheint unmöglich, gleichzeitig eine langfristige Strategie zu entwickeln.
Collins: Es ist möglich, viele Leute haben das bewiesen. Einfach ist es nicht. Grossartige Leader schaffen zweierlei. Sie lassen sich vom kurzfristigen Druck der Wall Street nicht zu irrationalen Entscheiden drängen. Exzellente Leader sind in der Lage zu sagen, «das werde ich nicht tun». Gleichzeitig erhöhen sie den Druck auf sich selbst, erzielen noch bessere Resultate und befreien sich dadurch vom Druck der Wall Street. Sie denken stets daran, eine Firma aufzubauen, die jahrelang überdauert – und erwarten von sich selbst, kurzfristige Topresultate zu erzielen.

Das scheint unmenschliche Fähigkeiten zu bedingen. Können exzellente Leader eine gesunde Balance zwischen Leben und Arbeit haben?
Collins: Ich habe eine gute und eine schlechte Nachricht. Die schlechte Nachricht: Die Hälfte der exzellenten Leader hat kein Leben neben dem Aufbau einer grossartigen Firma. Die gute Nachricht ist: Es ist nur die Hälfte.

Wer schafft es, ein Leben neben der Arbeit zu haben?
Collins: Coleman Mockler war CEO bei Gillette während den wilden Übernahmejahren. Die Wochenenden verbrachte er stets mit seinen Kindern. Er liess es nicht zu, dass ein Übernahmekampf seine Zeit mit der Familie, für seinen Glauben und für die Reparatur an seinem Haus trübte. Trotzdem war er einer der grossartigsten Chefs.

Was braucht es für eine solche Balance?
Collins: Richtige Entscheide. Es gibt Leader die sich für ein Leben entscheiden, das nicht ausschliesslich von Arbeit geprägt ist. Andere wollen das Gegenteil. Arbeit ist unendlich, Zeit endlich. Die Anzahl Dinge, die wir potential erledigen können, überragt gewaltig die Anzahl Stunden, die wir haben. Mehr Stunden zu arbeiten ändert dieses Verhältnis nicht. Wichtig ist, wie wir die Stunden nutzen. Wir müssen Zeit managen, nicht Arbeit.

Sie haben sich entscheiden, statt an einer Universität zu forschen ein eigenes Laboratorium aufzubauen. Warum?
Collins: Ich habe an der Stanford Business School unterrichtet. Meinen Studenten lehrte ich: «Ihr müsst nicht für eine etablierte Firma arbeiten um in der Geschäftswelt tätig zu sein.» Eines Tages sagten mir die Studenten, «Sie lehren uns, wir sollten unternehmerischer werden, warum befolgen Sie Ihren eigenen Rat nicht?» Da realisierte ich, dass man nicht an der Universität sein muss, um Professor zu sein – genauso wenig muss man bei IBM arbeiten um Geschäfte zu tätigen. Zudem passt meine Art der Forschung – sechs bis acht Jahre an einem einzigen Projekt zu bleiben – nicht zum herkömmlichen akademischen Betrieb.

Warum analysieren sie Management?
Collins: Schiere und völlig reine Neugier treibt mich an. Mich interessiert, was zu einem grossartigen menschlichen System führt. Deshalb habe ich angefangen, die Geschäftswelt zu analysieren. Die Wirtschaft liefert mir aber bloss einen Datensatz um Grundsätzlicheres zu verstehen. Es geht mir um grossartige Schöpfungen. Es ist einfach, einen Link zu finden zwischen Steve Jobs und Beethoven. Mich interessiert, was jene Menschen, die grossartige Dinge schaffen von jenen unterscheidet, die das nicht tun.

Jim Collins, 50, betreibt in Colorado ein privates Forschungszentrum. Der an der Stanford University ausgebildete Mathematiker analysiert das Verhalten von Managern und untersucht, wie aus guten Konzernen exzellente werden. Durchschnittliche alle fünf bis sieben Jahre hält er seine Forschungsergebnisse in Buchform fest. Millionenfach verkauft haben sich «Built to Last» (1994) und vor allem «Good to Great». Derzeit arbeitet er mit Morten Hansen an seinem nächsten Buch über Managementmethoden in turbulenten Zeiten. Collins ist ein leidenschaftlicher Bergsteiger.