Der grösste Betrug aller Zeiten

Der legendäre amerikanische Trader Bernard Madoff hat 50 Milliarden Dollar von ahnungslosen Anlegern verpufft. Betroffen sind prominente Amerikaner, Hedge Funds und europäische Privatbanken.

Von Peter Hossli

mad.jpgDen besten Anzug zog Bernard Madoff letzten Mittwoch an, dazu schnürte er sich die feinste Krawatte. Dann bestellte der 70-jährige Trader zwei Mitarbeiter in seine Wohnung in Manhattan. Privat wolle er mit ihnen über den Jahresbonus sprechen, sagte er.

Als die beiden eintrafen, brach Madoff zusammen. «Ich bin am Ende», heulte er. «Ich habe nichts mehr, alles war nur eine grosse Lüge.» Madoff schilderte, sein Fund sei ein «gigantisches Schneeballsystem» gewesen, gänzlich ohne Gewinne. Jahrelang hätte er Rendite mit frischem Kapital seiner Kunden bezahlt. «50 Milliarden Dollar habe ich verpufft. Nur 300 Millionen sind übrig.» Gleichentags stellte er sich dem FBI.

Das dramatische Ende des Stars der Hochfinanz geht aus der elfseitigen Anklageschrift hervor, welche die amerikanische Börsenaufsicht SEC am Donnerstag in New York gegen Madoff einreichte. Am Freitag, nachdem der Fall publik war, stürmte ein aufgebrachter Mob die Lobby des «Lipstick»-Gebäudes. Hier, im Wolkenkratzer in Manhattan, beschäftigte Madoff 200 Trader. Verzweifelte Investoren, die um ihre Ersparnisse bangten, trafen nur noch wenige Leute an, die Schachteln wegtrugen.

Fassungslos reagiert die High Society New Yorks auf Madoffs Verhaftung. Madoff galt als aufrichtig, war charmant und höchst beliebt. Wohlhabende und prominente Amerikaner vertrauten ihm ihr ganzes Vermögen an. Jetzt ist es weg. 500 Millionen Dollar sollen die beiden Besitzer des Baseballteams New York Mets verloren haben. Zu den Opfern zählen der Besitzer des Footballteams Philadelphia Eagles und Frank Lautenburg, der 84-jährige Senator von New Jersey. Die beiden angesehenen Hedge Funds Fairfield Sentry und Kingate Global Fund sind ebenso betroffen wie zahlreiche Fund of Funds. Die Wunderkinder-Stiftung von Regisseur Steven Spielberg hatte 70 Prozent ihres Vermögens bei Madoff angelegt. Die Elie Wiesel Foundation von Friedensnobelpreisträger Elie Wiesel investierte bei Madoff.

Persönliche Beziehungen und ein exzellenter Ruf erhoben Madoff zum Star. Einst amtete er als Chairman der Technologiebörse Nasdaq. Über eine gemeinnützige Stiftung schenkte er Millionen an Spitäler, Theater, die Behindertenolympiade – und vor allem an jüdische Organisationen. Das öffnete ihm Tür und Tor zu reichen «jüdischen Kreisen» in New York und in Florida, wie die «New York Post» berichtet. Kunden warb er in jüdischen Country Clubs in Palm Beach oder auf Long Island.

Er missbrauchte sie für einen gigantischen Schwindel. Jahrelang habe er Verluste verheimlicht, wirft ihm die SEC vor. Elektronische Spuren vermied er. Online konnten Kunden ihre Konten nicht einsehen. Er verschickte Briefe und Faxe, aber nie E-Mails. Solange er rechtzeitig Dividenden lieferte, meckerte niemand. Ärger hatte Madoff nur, wenn er Einlagen zurückzahlen sollte. Mit oft abstrusen Ausreden schindete er Zeit. Währenddessen akquirierte er neues Geld, um den Rückzug zu decken.

Eine Villa in Florida besass Madoff, eine Wohnung in Manhattan, zwei Häuser auf Long Island und eine Jacht in der Karibik. Er lebte den amerikanischen Traum. Ärmlich wuchs er im New Yorker Stadtteil Queens auf. Das Rechtsstudium brach er ab und gründete mit 22 eine erste Firma an der Wall Street. Das Geld dafür hatte er als Badmeister verdient. Später entwickelte Madoff Computerprogramme für den automatisierten Aktienhandel. Mit seinem Bruder startete er 1970 eine Maklerfirma, die später das Vehikel seiner Gaunerei wurde.

Warnzeichen gab es schon früh. «Madoff Securities ist das grösste Schneeballsystem der Welt», schrieb ein Banker bereits 1999 an die SEC. Madoff redete das Schreiben als «Neid eines Konkurrenten» klein. Niemand würde die Komplexität seiner Investmentstrategie begreifen, sagte er. Der SEC hätte auffallen müssen, dass die ausbezahlte Rendite stets bei 12 bis 13 Prozent lag – egal, ob die Märkte florierten oder schwächelten.

Die Finanzkrise stoppte Madoff. Zeitgleich 7 Milliarden Dollar forderten Investoren ein. Das Kartenhaus wankte. Zuletzt beendete ein ödipales Drama den kolossalen Betrug. Madoffs Söhne zeigten ihren Vater an, weil er ihnen Millionen von Dollars vernichtet hat.