Was der neue Präsident anpacken muss

Die USA liegen am Boden: Die Wirtschaft in der Krise, das Militär in zwei heikle Kriege verstrickt, das Land unpopulär. Ein Albtraum wartet auf den neuen Präsidenten.

Von Peter Hossli

whitehouse.jpgAls George W. Bush 2001 ins Weisse Haus kam, sassen US-Truppen tatenlos in den Kasernen. Der Dollar war stark, der Staatshaushalt schrieb Überschüsse. Die Wirtschaft wuchs um 3 Prozent. Öl war günstig, Amerika weltweit beliebt. Acht Jahre später ist das Land in zwei heikle militärische Missionen involviert und unpopulär. Die Konjunktur stockt, der Staat ist verschuldet. Millionen Amerikaner verlieren ihre Häuser. Einen «Albtraum» treffe der nächste Präsident an, titelt das Magazin «Newsweek». Das sind die acht dringlichsten Aufgaben:

1. Die Infrastruktur: Amerikas Infrastruktur ist überaltert. Dämme bersten. Brücken bröckeln. Pärke vergammeln. Autobahnen sind löchrig und Grund für jährlich Tausende von Unfällen. Schulen stürzen ein. Abfallberge wachsen. Öffentliche Verkehrssysteme sind unzureichend oder überlastet. Gefährdet ist die Wasserversorgung, die Kanalisation ist in vielen Städten überfordert. Der neue Präsident und der Kongress werden die Prioritäten neu setzen müssen, das Militärbudget kürzen und fortan Brücken flicken.

2. Die Konjunktur: Die Finanzkrise schwappt auf die Realwirtschaft über. Die Kauflust der Amerikaner ist so tief wie seit 28 Jahren nicht mehr. Noch bevor die Börsen absackten, sank das Bruttosozialprodukt um 0,3 Prozent. Der Autoindustrie droht der Kollaps. Hunderttausende von Amerikanern flattert in diesen Tagen die Kündigung ins Haus. Nach der Rettung der Banken ist Hilfe für Hausbesitzer nötig. Bis 2011 dürfte die Rezession dauern. Obama will ihr mit einem neuen «New Deal» in Anlehnung an das Wirtschaftsförderprogramm von Präsident Franklin D. Roosevelt begegnen und die Infrastruktur stärken. McCain setzt auf Steuerkürzungen. Beide sind zu einer Fiskalpolitik gezwungen, die das Haushaltdefizit schmälert. Ein Vorteil für den neuen Präsidenten: Bis zu den nächsten Wahlen dürfte sich die Wirtschaft erholen.

3. Das Gesundheitswesen: 50 Millionen Amerikaner gehen ohne Krankenkasse durchs Leben. Jährlich sterben fast 20 000 Unversicherte. Hinsichtlich gesundheitlicher Versorgung liegt das reichste Land der Erde abgeschlagen an 37. Stelle. Seit Jahrzehnten scheitern in den USA Versuche, eine landesweite Krankenkasse zu etablieren. Obama will eine subventionierte Pflichtversicherung und Preiskontrollen bei Medikamenten. McCain setzt auf Steuerkürzungen für Familien, die sich versichern.

4. Die Energieversorgung: 1970 importierten die USA einen Viertel des Erdöls. Heute sind es 70 Prozent. Jährlich fliessen 700 Milliarden Dollar ins Ausland, um Erdöl einzukaufen. Die Abhängigkeit von ausländischer Energie belastet die Wirtschaft und bestimmt die Aussenpolitik. Obama wie McCain wollen einheimische Energiegewinnung fördern. Obama plant, in zehn Jahren 150 Milliarden Dollar in einen Fonds für Sonnen-, Wind- und Biodiesel einzuspeisen. Das stoppe den Klimawandel und schaffe Jobs. Allerdings ist die Energieinfrastruktur fast gänzlich auf Kohle, Erdöl und Ergas statt auf erneuerbare Energien ausgerichtet. Es kostet weit mehr und dauert länger, das zu ändern.

5. Das gespaltene Land: George W. Bush hat einen Graben gerissen zwischen demokratisch und republikanisch gesinnten Staaten. Sein Berater Karl Rove ritt jahrelang einen Kulturkampf zwischen intellektuell-aufgeschlossenen und traditionell-religiösen Amerikanern. Das säte Misstrauen und Unmut zwischen Stadt und Land. Der neue Präsident wird das Land einen und über Parteigrenzen hinweg arbeiten müssen, wenn er seine Pläne umsetzen will.

6. Irak und Afghanistan: Seit der Erhöhung des US-Truppenbestandes hat sich die Lage im Irak beruhigt. Nun fliesst Erdöl, was die irakische Staatskasse füllt. Stabil ist das Zweistromland nicht. Generäle warnen davor, dass neue Gewalt plötzlich aufflammen könnte. Der nächste Präsident muss US-Truppen graduell abziehen, ohne ein Machtvakuum zu bilden. Sein aussenpolitisches Team wird die Integration der sunnitischen Minderheit stützen und arabische Länder ermutigen, den schwelenden Konflikt zwischen dem Irak und Iran abzuwenden. Zugespitzt hat sich die Situation in Afghanistan. Der Heroinhandel blüht, die Taliban sind zurück, Anschläge häufen sich. Der neue Präsident muss die Präsenz von US- und Nato-Truppen stärken, ohne sich in Afghanistan auf Jahre hinaus festzukrallen.

7. Die Aussenpolitik: Die Bande zwischen Amerika und ihren Alliierten ist brüchig. Der Irak-Krieg, verächtliche Äusserungen über das «alte Europa» sowie Grossmachtgehabe haben das Image der USA ramponiert. Europa schaut vermehrt ostwärts für politische und wirtschaftliche Partner. Russland ist unberechenbar. Der Nahe Osten steckt in der Sackgasse. Zentralafrika versinkt in der Gewalt. Der nächste Präsident wird alte Allianzen wiederbeleben, neue knüpfen und mit der Weltgemeinschaft kooperieren müssen.

8. Das neue Kabinett: Zwischen Wahltag und Amtsantritt am 20. Januar bildet der Präsident die neue Regierung. Gefragt sind Personen, die innert Kürze komplexe Aufgaben übernehmen. Insbesondere das Finanz- und das Aussenministerium erfordern fähige, charismatische und ideologiefreie Personen.